Bei den selbstgehäkelten Mützen der hatnut-Jungs schlagen nicht nur Großmütterherzen höher
Didi, Jules, Michi, Sebi und Tobi – fünf ehemalige Tübinger Sportstudenten, die eine bisher wohl eher unpopuläre Form der Handarbeit zu einem neuen, coolen Gesellschaftsereignis entwickelt haben: Sie häkeln und vertreiben eigene Mützen. Wie es war, im Durchschnittsalter von nur 28 Jahren ein Unternehmen zu gründen, wie die Häkelei bei den Mädels ankommt und welche sozialen Förderungen durch die hatnut-Mützenproduktion möglich sind, erzählen sie im Interview.
von Frederik Bühler und Helen Monzel
Wenn man die Skate-, Snowboard- oder Globetrotterkataloge anguckt, dann gibt es dort schon eine große Auswahl an Mützen. Wie kamt ihr dazu, eine Firma zu gründen und auf diesen vielleicht schon übersättigten Markt zu stoßen?
Didi: Natürlich gibt es dort schon eine gewisse Auswahl, allerdings sind das vorgefertigte Modelle mit einem bestimmten Standard-Design und einer bestimmten Größe. Das hat für mich nie gepasst. Dementsprechend habe ich angefangen, für mich selbst Mützen zu häkeln und somit auch irgendwann die Passende gehabt. Durch positive Resonanz im Freundeskreis entstand die Idee, dass man die Mützen auch verkaufen könnte.
Könnt ihr vielleicht über den Beginn des Projekts berichten? Was hat dich zu diesem Projekt inspiriert, Didi?
Didi: Inspiriert hat mich, dass ich keine passende Mütze gefunden habe. Ich war vor vier Jahren die komplette Saison in den Bergen als Snowboardlehrer. Dort habe ich auf einem urigen Bauernhof ohne Internet und ohne Fernseher gewohnt. An den Abenden hatte ich daher viel Zeit. Da ist mir die Idee gekommen, dass ich die Mützen eigentlich auch selber machen könnte. Meine Tante hat mir die Grundzüge des Häkelns beigebracht.
Wie hast du die anderen Jungs dafür gewinnen können?
Didi: Die haben die Mützen bei mir gesehen und wollten auch so eine haben. Am Anfang hat das Fertigstellen einer Mütze auch noch ziemlich lange gedauert, weshalb ich nicht für jeden eine Mütze anfertigen konnte. Daher habe ich angeboten, ihnen zu zeigen, wie das Mützenhäkeln funktioniert, damit sie sich selber eine machen können.
Didi, war dir das am Anfang irgendwie auch peinlich oder hast du gleich gesagt: „Das macht mir Spaß, das mach ich gern!“?
Didi: Eigentlich habe ich von Anfang an dazu gestanden und gesagt: „Ja…Passt!“ Peinlich war es mir nie direkt. Allerdings war es zu Beginn schon komisch dahinter zu stehen, weil viele natürlich gesagt haben: „Schöne Mütze!“ Wenn man erzählt hat, dass man sie selber gemacht hat, wurde man schon das ein oder andere Mal wegen der Handarbeit belächelt.
Welche bürokratischen Hürden muss man für die Gründung eines Unternehmens überwinden?
Michi: Prinzipiell muss man gar nicht so viel tun. Unsere Unternehmensform ist eine GbR. Das bedeutet, dass man einfach aufs Gewerbeamt muss, um das Gewerbe anzumelden und sich einen Gewerbeschein zu holen. Darauf steht eine bestimmte Tätigkeit. Ich glaube, auf unserem Gewerbeschein steht „Herstellung von gehäkelten Mützen und bedruckten Textilien“, denn wir arbeiten auch mit T-Shirt-Druck. Was also auf dem Gewerbeschein drauf steht, darf man auch gewerblich vertreiben. Dann haben wir noch eine Steuernummer bekommen. Als Letztes haben wir noch eine kleine Gebühr gezahlt und damit war das Gewerbe schließlich angemeldet.
Hatte einer von euch hinsichtlich finanzieller Risiken ein ungutes Gefühl im Bezug auf die Firmengründung?
Michi: Bei der GbR ist es so, dass man persönlich haftet. Von daher war uns bewusst, dass wir keine großen finanziellen Risiken eingehen können, weil wir sonst „selber dran sind“. Ein ordentlicher Ablauf ist einfach notwendig. Aus diesem Grund war auch der nötige Ehrgeiz, alles richtig zu machen, vorhanden.
Wer denkt sich die verschiedenen Marketingaktionen, wie den hatnut-Adventskalender auf Facebook oder die Wallpapers zum Herunterladen auf eurer Seite aus?
Michi: Meist ist es so, dass einer einfach eine Idee hat und die dann den anderen erzählt. Die sagen dann „Ja, das machen wir“ oder „Nee, das lassen wir sein“. Bei uns steckt keine Marketing-Strategie dahinter, sondern wir machen einfach das, worauf wir Lust haben und das kommt auch gut an. Ich glaube, wir haben da einfach ein relativ gutes Gespür dafür. Uns liegt einfach allen viel an der Firma.
Könnt ihr denn mittlerweile alle von dem Mützenverkauf leben oder arbeitet ihr noch nebenher?
Michi: Ernährt werden können fünf Leute von den Mützen-Einnahmen leider noch nicht. Es würde vielleicht für eine Person reichen. Das heißt also, jeder von uns arbeitet noch. Das meiste der hatnut-Arbeit findet also nebenher in der Freizeit, beziehungsweise am Abend statt.
Es hat also keiner von euch vor, das hauptberuflich zu betreiben?
Michi: Wir sind momentan dabei, das zu entscheiden. Wir sind nun alle mit dem Studium fertig und haben uns zum Teil auch schon beruflich orientiert. Zwar hat noch keiner konkret gesagt „Ich will das jetzt hauptberuflich machen!“, aber der ein oder andere überlegt sich das gerade im Moment. Es ist klar, dass wenn fünf Mann das eher nebenher machen und einer es dann hauptberuflich machen will, wir das Unternehmen umstellen müssten. An dieser Entscheidung sind wir gerade dran.
Habt ihr die Firma während des Studiums gegründet und Hilfestellungen der Universität wie „Gründen an der Uni Tübingen“ in Anspruch genommen?
Didi: Ja, wir haben die Firma während unserer Studienzeit gegründet, haben aber diesen Service nicht in Anspruch genommen. Es war eher andersherum: Wir wurden zu Podiumsdiskussionen eingeladen und sollten von unserer Erfahrung berichten. Wir bekommen dahingehend auch weiterhin Anfragen.
Welche Art von Mützen und persönliche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es bei euch?
Jules:Standard ist der klassische Beanie. Man kann sich das nicht so vorstellen, dass man bei uns ein bestimmtes Modell kauft, sondern jeder Kunde redet mit uns persönlich, meistens läuft der Kontakt über E-Mail: Er schreibt uns seine Vorstellung und dann arbeiten wir zusammen aus, was machbar ist. Dass es nicht DIE eine Mütze gibt, ist es, was uns besonders macht.
Vertreibt ihr eure Mützen ausschließlich selbst?
Jules: Individuelle Mützen gibt es nur bei uns. Aber zu Beginn unserer Karriere haben wir eine Kooperation mit der Biwakschachtel Tübingen gehabt. Die haben uns von vornherein unterstützt und aus einer kleinen Marketinggeschichte, bei der wir mal ein paar Mützen dort verkauft haben, ist es zu einer regelmäßigen Kooperation geworden. Das ging sogar soweit, dass wir als Aktion Livehäkeln im Schaufenster hatten.
In der Hauptsaison, der Vorweihnachtszeit, wie viele Mützen macht ihr da pro Woche?
Michi: Wir hatten erst letztes Weihnachten wieder einen Umsatzrekord. Es ist wirklich so, dass man am Tag zwischen zwei und drei Mützen macht. Das sind dann an die 10 bis 15 Mützen pro Person in der Woche.
Auf eurer Homepage gibt es zahlreiche Fanfotos zu sehen. Wohin haben es eure Mützen denn schon geschafft?
Michi: Die waren eigentlich schon überall auf der Welt. Eine Mütze war auf dem Mount Everest, eine Mütze hat ganz Nepal abgelaufen, eine war in Südamerika, den USA, auf dem Kilimandscharo, in Südafrika, also auf der ganzen Welt – aber natürlich hauptsächlich in kälteren Regionen.
Welches war der außergewöhnlichste Mützenwunsch?
Jules: „Flugschule Sonnenbühl“ – wir haben angefangen auf die Mützen Buchstaben zu sticken. Die Flugschule Sonnenbühl war da definitiv eine Herausforderung: bei so vielen Buchstaben wird es auf der Mütze eng und es ist verdammt viel Arbeit. Dann gab es noch die Mütze für ein Maskottchen, die einen Umfang hatte von über einem Meter.
Wie kommt man mit dem Häkeln bei den Mädels an?
Didi: Es ist auf jeden Fall ein guter Gesprächsaufhänger, wenn man im Zug sitzt und die Häkelnadel auspackt. Am Anfang wird man manchmal belächelt, aber wenn man dann vom Unternehmen erzählt, erntet man dann auch Respekt für die Idee und die Kreativität.
Ihr könnt einen hohen medialen Erfolg aufweisen: Ihr wart im Fernsehen, im Hörfunk, ihr veröffentlicht in einer Häkelzeitschrift und auch ein eigenes Buch kommt bald auf den Markt. Macht das Häkeln denn noch Spaß oder wurde es schon zur lästigen Pflicht?
Jules: In der Vorweihnachtszeit kann es schon anstrengend werden. Wenn man zum Beispiel die vierte Woche in Folge jeden Tag nichts Anderes macht. Aber grundsätzlich zieht es einen dann nach ein paar Tagen Erholung wieder zum Häkeln hin. Man hat dann doch wieder eine neue Idee und probiert etwas aus. Es macht immer noch Spaß.
Wollt ihr noch etwas loswerden?
Michi: Wir statten nun schon den zweiten Winter die deutschen paralympischen Skisportkader mit Mützen aus. Zuerst die Alpinen und letztes Jahr die Nordischen. Die alpinen Sportler wurden mit unseren Mützen sogar Weltmeister. Uns erreichen viele Sponsoring-Anfragen, aber wir suchen uns dann die besonderen heraus. Wir denken, dass weniger populäre Gruppen unsere Hilfe gut gebrauchen können. Wenn sie nicht im medialen Fokus stehen und eigentlich so gut wie keine Sponsoren haben, freuen sie sich immer über unsere Mützen-Unterstützung. Das ist eben auch, was wir geben können. Wir können keine Gelder zahlen, wir häkeln ihnen Mützen.
Und zudem: Unser Buch kann man auf Amazon bestellen.