Vom Netz

Eine Woche offline im Unialltag

Das Internet ist mein täglicher Begleiter im Studium. Ohne den Klick in virtuelle Netzwerke scheint nichts zu gehen. Kann man, wenn schon nicht dauerhaft, ein paar Tage lang auf das World Wide Web verzichten ohne im Chaos zu versinken? Einmal offline — ein Selbstversuch.
von Lea Knopf

An einem Sonntagabend ist Schluss. Ich melde mich ab für eine Woche. Kein Internet, keine E-Mails — Weder zu Hause noch in der Uni. Schon nach zwei Minuten wäre ich gerne wieder im Netz. Ich habe Angst, etwas zu verpassen.
Es ist Montag. Gerade habe ich mich aus dem Bett gequält, da merke ich bereits die erste Veränderung: Mein morgendliches Informationsupdate bekomme ich heute nicht online, sondern nur in gedruckter Ausgabe. In einer normalen Uniwoche berieselt mich das Webradio mit dem Wichtigsten aus Deutschland und der Welt.
Auch in der Uni ist man immer auf dem Laufenden. Alle in meinem Sinologie-Seminar sind online. Ein Kommilitone bestätigt Aussagen, die er auf dem Ipad in Sekundenschnelle überprüft. Was täten wir nur ohne?
Im Stress habe ich es auch nicht mehr zu meiner Dozentin Frau Abels geschafft, um mir das Handout für die Vorlesung zu besorgen. Im Offline-Modus kann ich mich aber auf meine Kommilitonen verlassen. Eine SMS genügt, um die Unterlagen in der Vorlesung parat zu haben.
Mittlerweile ist es früher Abend und ich merke, dass ich noch Zeit habe. Ein bisschen lesen, es ist wieder möglich.
Wo ich sonst in die Tastatur gehauen und E-Mails versendet habe, bedarf es nun eines kurzen Telefongesprächs um die Sachlage zu klären. Beim BaföG-Amt zum Beispiel. In eineinhalb Minuten bringt mich Frau Binder, die in Reutlingen sitzt und meinen Antrag bearbeitet, auf den neuesten Stand. Was eingetroffen ist, was noch fehlt, wie ich mit noch ausstehenden Formularen verfahren soll. Eine langwierige Konversation über das E-Mail-Postfach kann ich mir nun sparen.
Was an der einen Stelle meinen Alltag erleichtert, bringt mich an anderer aus dem Takt. „Why has Integration Emerged? Comparing approaches and theories“, sagt der Seminarplan. In einer Woche, in der Ilias mal Pause macht, warten die Texte in den Büchern der Bibliothek, vor und zurück gehe ich nicht mit der Maus sondern zu Fuß. Durch die Regalreihen.
Wenn ich frei habe, muss ich kopieren: die Skripte meiner Kommilitonen, Unmengen an Seiten aus Lehrbüchern. Andere Versuche, an Material zu kommen, enden oft erfolglos. In Politikfeldanalyse wird mein Wunsch freundlich abgewiesen, die Vorlesungsunterlagen käuflich zu erwerben.
„Schreiben Sie meinem Mitarbeiter Herrn Stegmaier einfach eine E-Mail, damit er Sie für den Sitzschein aufschreibt“, sagt ein paar Stunden später Professor von Bernstorff. Ich erkläre, dass das mit der E-Mail momentan schwierig ist. Gänzlich unbeeindruckt lässt Herr von Bernstorff mir die Möglichkeit, einen Zettel persönlich vorbeizubringen. Das Netz scheint auch hier überflüssig.
Es ist Freitag und ich stehe ernüchtert an der Sporthalle. Ausgeschlossen von sämtlichen Verteilern, die mir einen Hinweis hätten geben können, stehe ich vor verschlossener Tür. Unisport fällt aus. Ich schiebe Frust. Meine Laune wird nicht besser, denn mit dem Kopierer stehe ich auf Kriegsfuß. Ich dachte, nach den vielen Dates dieser Woche wären wir jetzt ganz dicke. Doch es dauert eine halbe Ewigkeit bis er das Format erkennt.
Samstag, 17.58 Uhr: Ich höre auf. Um mich herum strahlt es, Handys vibrieren. Die Abschottung vom Internet hat mich bis zu dem Punkt gebracht, an dem ich jegliches Kommunikationsgerät am liebsten krachend an der Wand zerschmettern würde. Ich bin wieder online. Mein Computer würgt fast vier Minuten an 73 neuen Mails. Unter ihnen 61 Mal Verteilerausstoß, den ich auch im Online-Unialltag ungelesen in den virtuellen Papierkorb geschoben hätte. Der Abend ist stressig, ich bin wieder auf Abruf. Vermutlich wäre ich schon am Mittwoch ausgerastet, hätte ich nicht ein bisschen Material vor dem Selbstversuch ausgedruckt. An der Uni wird erwartet, dass man regelmäßig erreichbar ist, was eine Woche offline zur nervlichen Belastung werden lässt. Auf der anderen Seite habe ich diese schönen Momente genossen, in denen man einfach abschalten kann und der Stress des Alltags in weite Ferne rückt. Für eine Woche — immer wieder!

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