Das Berufsfeld „Bibliothek“ im digitalen Zeitalter

„Die lesen doch nur den ganzen Tag!“. So könnte ein salopper Satz lauten, der Bibliothekare in ihr klischeehaftes staubiges Kämmerlein steckt. Am Montag, den 9. Mai brachte der Tübinger Dr. Renke Siems Licht ins Dunkel des Berufsfeldes „Bibliothek“. Organisiert wurde der Vortrag von „Praxis und Beruf“ der Uni Tübingen. Die Vortragsreihe soll Geisteswissenschaftler den Berufseinstieg erleichtern.

Der Schulungsraum im Bonatzbau mit seiner dunklen Holzvertäfelung, dunklen Holzmöbeln und grün gepolsterten Holzstühlen verstärkte den Eindruck, dass Bibliothek und Digital nicht zusammen passen. Wie ein Fremdkörper wirkte der aufgebaute Beamer, die Leinwand und der fahrbare PC-Tisch. Doch nichts könnte den Vortrag „Arbeiten in der Bibliothek im digitalen Zeitalter“ besser einrahmen als dieses Szenario.

Schulungsraum im Bonatzbau
Fast schon antiker Schulungsraum im Bonatzbau

Bereits durch die von Dr. Siems (Fachreferent für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Soziologie an der Uni Tübingen) gezeigten Bilder der Tübinger Unibibliothek in den 1970er Jahren machte deutlich, dass sich der enorme technische Fortschritt keineswegs von den Bibliotheken ferngehalten hat. Heute wäre es unvorstellbar, keinen online verfügbaren Bibliotheksbestand aufrufen zu können.

Die „Heilige Trias“

Dr. Siems stellte jeden möglichen Arbeitsbereich für Absolvierende einzeln vor. In eloquenter Weise führte er die Zuhörer durch die Fachinformation, die Forschungsdienste, die Technik, das Management und die Stabsstellen.

Das Credo der Abteilung Forschungsinformation war und ist immer noch die „Heilige Trias“: Erwerbung, fachliche Erschließung und Informationsvermittlung. In Folge von Open Access und Paketlizenzen ist die interne Forderung „Schneller sein als der Bedarf des Nutzers“ stark in den Hintergrund gerückt.

Uni Berg gegen Uni Tal

Der Forschungsdienst hat im Zuge des digitalen Wandels mit immer größeren Datenmengen zu tun. Diese wollen verwaltet, archiviert und zugänglich gemacht werden. Hier ist ein deutliches Gefälle zwischen Natur- und Geisteswissenschaftlern erkennbar. „Einfacher ausgedrückt: Die einen suchen die Nadel im Heuhaufen, die anderen untersuchen den Heuhaufen im Ganzen“, erklärt Dr. Siems lächelnd. Dies führe oft zu Missverständnissen.

„Die einen suchen die Nadel im Heuhaufen, die anderen untersuchen den Heuhaufen im Ganzen“

Der STEM-Bereich (science, technology, engineering, mathematics) setze hier auf eigene Lösungsansätze zur Datenverwaltung. In den Geisteswissenschaften hingegen gibt es keine vorhandene Infrastruktur, die die großen und komplexen Anforderungen zu erfüllen vermag. Man denke hier nur an die großen Text-Korpora, die verwaltet werden müssen. Um diesem Gefälle zwischen „Berg“ und „Tal“ entgegenzuwirken, gibt Dr. Siems allen Studierenden der Philosophischen Fakultät einen Tipp mit auf den Weg: Das „Digital Humanities“-Angebot der Uni.

Interdisziplinär ist das Zauberwort

Ohne das Wort „Interdisziplinär“ geht an der Universität, so wie auch in der Bibliothek nichts mehr.  Interdisziplinäre Forschung und Studiengänge sind auf dem Vormarsch. Dieser Dynamik muss sich die Bibliothek anpassen. Eine Hilfe können hier die verschiedenen Stabsstellen sein. Sie regeln das Publizieren, die Öffentlichkeitsarbeit und die Urheber- und Lizenzrechte. Auch das Management muss sich diesem Trend anpassen.

Hinter jeder Bibliothek steht auch ein großer Technik- und Systemapparat, ohne den es heutzutage nicht mehr funktioniert. Die Technik hält die Bibliothek zusammen. „Ohne ein Mindestmaß an digitalen Verständnis kann man nicht in einer Bibliothek arbeiten“, stellt Dr. Siems fest, und schiebt hinterher: „Leider sehen das noch zu Wenige so.“

Alte Handschriften in der UB. Die digitalen Semesterapparate sind trotzdem nicht mehr weg zu denken.
Alte Handschriften in der UB. Die digitalen Semesterapparate sind trotzdem nicht mehr weg zu denken.

Zum Schluss die Ernüchterung

Am Ende stellt Dr. Siems noch die verschiedenen Einstiegsmöglichkeiten vor. Er empfiehlt  den Weg über das Fachreferat, dem ein Volontariat oder Referendariat voraus geht. Das ist seiner Erfahrung nach das Sprungbrett nach oben. Ein Direkteinstieg ist ebenfalls möglich und man sollte davor auch keinesfalls zurückschrecken.

Doch so schön Dr. Siems die Möglichkeiten des Berufsfeldes Bibliothek dargestellt hat, kommt das ernüchternde zum Schluss. In Baden-Württemberg gibt es jährlich nur fünf Stellen im Referendariat zu besetzen. Diese werden sogar noch minimiert, da jede Stelle für eine Fachrichtung ausgeschrieben wird. „Hier muss man auf jeden Fall bundesweit die Augen offen halten“, versucht Dr. Siems die Anwesenden zu ermuntern.

Am Schluss ist nur eines gewiss: „Eine Bibliothek auf dem Campus, ist wie eine Kirche im Dorf: ein alltäglicher und vertrauter Ankerpunkt“, schließt Dr. Siems, egal wie digital sie einmal werden wird.

Weiterführende Links:

http://bit.ly/1OutTzE

http://bit.ly/1qlN8Fh
http://bit.ly/1NuRuFf
Bilder:
Beitragsbild: vom offiziellen Veranstaltungsflyer übernommen
Weitere:
http://bit.ly/1WyEH81
http://bit.ly/1VXFizA
 
 

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