Caga Tío oder Tío Nadal, frei übersetzt etwa „Scheiß-Onkel“
Ab Anfang Dezember findet sich auf allen Weihnachtsmärkten ein mit Gesicht und Füßen versehener Baumstumpf. Dieser trägt eine typisch katalanische dunkelrote Wollmütze auf dem Kopf und nennt sich Caga Tío oder Tío Nadal, frei übersetzt etwa „Scheiß-Onkel“. Er ist der Überbringer kleiner Geschenke am Weihnachtsabend. Der Baumstumpf – ob selbst geschlagen oder beim Supermercado von nebenan gekauft – wird ab Anfang Dezember in die eigene Wohnung gestellt. Dort hegen und pflegen ihn die Kinder des Hauses wie ein zusätzliches Familienmitglied. Jeden Abend stellen sie ihm Orangen, Nüsse, Süßigkeiten oder Essensreste bereit, um deren heimliche Entsorgung sich dann die Erziehungsberechtigten kümmern dürfen. Je mehr er gefüttert wird, desto großzügiger sind später seine Geschenke, so heißt es. Abends wird der kleine Stumpf liebevoll in eine Decke gehüllt, damit er keine Erkältung bekommt. So wird der Caga Tío bis zum 24. Dezember gemästet. Am Weihnachtsabend singen die Kinder nun das Caga Tío Lied und schlagen den Baumstumpf mit einem Stock. Danach sprechen sie ein Gebet und bitten den Tío um möglichst viele Geschenke. Währenddessen legen die Eltern Nüsse und Süßigkeiten unter die Decke und erzählen später, der Caga Tío hätte diese „ausgeschissen“ (cagar = scheißen).
Die Entstehung des Brauchs des Caga Tío ist nicht eindeutig geklärt. Es kursieren jedoch viele nette Geschichten für die Kinder. Manche erzählen sich, dass ein Kind zu Weihnachten im Wald umherlief und nach Holz zum Feuermachen suchte. Es fand jedoch nur einen ausgehölten, magischen Baumstamm. Aus Neugier steckte es seine Hand in diesen und fand dort Geld, sozusagen das Geschenk des Caga Tío. Historisch lässt sich der Caga Tío vermutlich auf einen Bauernritus aus dem 18. Jahrhundert zurückführen. Die bäuerliche Bevölkerung verbrannte damals nach dem Weihnachtsabend einen kleinen Baumstamm und bewahrte die restliche Asche als Talisman im Haus auf oder verstreute sie auf dem Feld. Dieses Ritual sollte einen fruchtbaren Sommer bescheren.
Die Eltern legen Nüsse und Süßigkeiten unter die Decke und erzählen später, der Caga Tío hätte diese „ausgeschissen“ (cagar = scheißen).
Doch auch Kataloniens Weihnachtskrippen bleiben nicht von Fäkalien verschont. Mannsgroße Figuren von Jesus, Maria und Joseph verschönern die gotische Altstadt Barcelonas. Bei genauerer Betrachtung der Krippen, fällt eine dezent im Hintergrund gehaltene, leicht deplatziert wirkende, kleine Figur eines katalonischen Bauern auf: der Caganer. Übersetzt bedeutet das so viel wie „Scheißerle“. Dieser befindet sich ganz im Zeichen seines Namens gerade dabei seine Notdurft zu verrichten. Mit heruntergelassener Hose beobachtet er die Szenerie um Jesus, Maria und Joseph aus den hinteren Reihen.
Über die Herkunft der Figur sind sich Fachmänner abermals nicht einig. Sie taucht ebenfalls zum ersten Mal im 18. Jahrhundert auf und gilt als Symbol für den Kreislauf des Lebens. Geburt und Tod, Aufnehmen und Ausscheiden. Der kleine Bauer soll den Krippen einen lokalen Bezug geben und die ernste Stimmung um die Geburt Jesu etwas auflockern. Er ist Glücksbringer und düngt zugleich den Boden. Kinder machen sich einen Spaß aus dem gemeinsamen Suchen nach dem kleinen Exhibitionisten. In Katalonien ist der Caganer derart beliebt, das mittlerweile auch Figuren berühmter Persönlichkeiten in der typischen Hockposition dargestellt werden.
Wer möchte, kann seine heimische Krippe mit einer sich erleichternden Angela Merkel pimpen. Definitiv kein 08/15-Weihnachtsgeschenk. Na dann, Feliz Navidad!