Trott-war – Mehr als eine Zeitung

Jeder ist ihnen schon einmal begegnet: Den Damen oder Herren mit der roten Weste, die täglich am Holzmarkt oder beim Nonnenhaus stehen und den Passanten die Trott-war Straßenzeitung verkaufen. Aber wer sind die Personen, die in den roten Westen stecken? Und was ist das genau für eine Zeitung, die sie verkaufen?

Jörg hat seinen Platz hinten am Nonnenhaus. Dort steht der etwas schüchtern wirkende junge Mann auch am heutigen Montagvormittag und wartet auf Kundschaft. Montag ist kein guter Verkaufstag. „Freitag und Samstag sind die besten Tage für uns, wenn das  Wochenende anfängt. Am Montag sind die Leute eher schlecht gelaunt“, erklärt er.

© | Katharina Spitz
© | Katharina Spitz

Der 33 jährige ist seit einem dreiviertel Jahr Trott-war-Verkäufer. Zu dem Job gekommen ist er über seinen Freund „Mücke“, der schon seit über 15 Jahren dabei ist und damit fast zum Urgestein der Straßenzeitung gehört. Trott-war erscheint schon seit über 20 Jahren monatlich und wird mittlerweile in fast ganz Baden-Württemberg verkauft.

Keine Konkurrenz zwischen den Verkäufern

Angefangen hat alles im Jahr 1994 mit der Gründung eines gemeinnützigen Vereins aus engagierten Journalisten und Privatleuten. Heute ist Trott-war viel mehr als nur eine Zeitung. So gibt es zum Beispiel seit 2006 ein Wohnprojekt, das die Verkäufer nutzen können. Die Trott-war-Grabfürsorge kümmert sich darum, dass mittellose Verstorbene ein angemessenes Begräbnis bekommen und nicht anonym im Massengrab bestattet werden. Aber auch diverse Freizeitaktivitäten bietet Trott-war an: Eine Theatergruppe bringt unter professioneller Leitung regelmäßig Stücke auf die Bühne. Außerdem machen die Trott-war-Verkäufer mindestens einmal im Jahr einen Betriebsausflug.

Den „Trott“ hinter sich gelassen

Bei der Arbeit sind die meisten Verkäufer in kleinen Teams organisiert. Sie treffen sich morgens, gehen gemeinsam an ihre Plätze und unterstützen sich gegenseitig. „Es ist wichtig, dass jeder von uns über den Tag genug zu Essen und zu Trinken hat“, sagt Jörg. Dafür sei der Zusammenhalt im Teams sehr wichtig, falls es mal nicht so gut läuft. Tübingen ist eine der Außenstellen von Trott-war. Zur Zeit arbeiten hier 16 Verkäufer.

Je mehr Geld Jörg verdient, desto mehr kann davon seinen beiden Töchtern zugute kommen. Außerdem hat der aus Albstadt stammende zwei Hunde, zwei Katzen, drei Wasserschildkröten und zwei Igel, um die er sich kümmert. Die beiden Igel heißen Hugo und Susi; Hugo ist ihm fast verhungert zugelaufen. Mit einem Besuch beim Tierarzt und viel Fürsorge hat er ihm das Leben gerettet.

Aussicht auf Festanstellung

Das französische Wort „trottoir“ ist auch in Süddeutschland geläufig und bedeutet so viel wie Gehsteig, Gehweg oder Bürgersteig. Was die Schreibweise „Trott-war“ angeht, so lässt diese verschiedene Interpretationen zu. Der ursprüngliche Gedanke hat jedoch weniger mit dem täglichen „Kampf“ auf der Straße zu tun, sondern formuliert das Anliegen auf positive Weise: Menschen, die die Trott-war verkaufen, haben den „Trott“ hinter sich gelassen, der einmal „war“.

So funktioniert das Konzept der Zeitung in zwei Richtungen: zum einen werden die Themen der Betroffenen in ihr zur Sprache gebracht; auf der anderen Seite bietet sie Menschen mit geringem oder keinem Einkommen eine Verdienstmöglichkeit. Seit 2007 kann man bei Trott-war auch eine Festanstellung bekommen: Damit sind die Verkäufer sozialversichert, haben bei Krankheit Anspruch auf Lohnfortzahlung und 30 Tage Jahresurlaub – eben wie jeder andere Job auch.

Soziales Engagement hat seinen Preis

Diese Palette an Leistungen und sozialen Diensten hat aber auch ihren Preis. Trott-war kann die anfallenden Kosten nicht komplett mit den Einnahmen der Zeitung finanzieren und ist deshalb auf finanzielle Zuwendungen in Form von Spenden oder Fördermitgliedschaften im Verein abhängig. Es bleibt zu hoffen, dass es auch in Zukunft genug Unterstützer für die Arbeit des Vereins gibt.

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