Stecken die sogenannten deutschen Leitmedien in einer Glaubwürdigkeitskrise? Der Medienjournalist und Blogger Stefan Niggemeier sprach am Montagabend im Kupferbau zum Thema „Journalismus unter Verdacht. Die aktuelle Medienverdrossenheit“.
Harsche Schlagworte wie „Lügenpresse“ und „Lizenzmedien“ schwirrten bislang vor allem in kritischen Online-Kommentaren und Blogs herum. Seit einigen Wochen werden sie vermehrt auch in der „analogen Welt“ artikuliert.
Stefan Niggemeier gilt als Beobachter des öffentlichen Diskurses. In dem von ihm gegründeten BILDblog setzt er sich kritisch mit der Arbeit von BILD und diversen anderen Zeitungen auseinander.
In einem gefüllten Hörsaal des Kupferbaus warnte er vor der Stigmatisierung von Menschen, die sich über die Berichterstattung in den Leitmedien beschweren:
„Es sind nicht nur Verrückte, die sich zu lange im Internet herumtreiben.“
Dass nicht jegliche Kritik unterschiedslos als Hysterie abzutun ist, zeigt auch eine Umfrage des Medienmagazins Zapp im letzten Jahr. Demnach haben 54 Prozent der Befragten wenig Vertrauen in die Medien. „Das ist ein Indikator für eine Glaubwürdigkeitskrise des Journalismus“, warnt Niggemeier.
Ein Trend zur Medienverdrossenheit wird auch im neuen Buch von Udo Ulfkotte, „Gekaufte Journalisten“, thematisiert, das in den Bestsellerlisten seit Wochen weit oben rangiert.
Kommentieren statt ignorieren
Laut Niggemeier wiesen Verschwörungstheorien einer medialen Welt-Inszenierung bei aller Unsinnigkeit oftmals einen wahren Kern auf. „Bei dem Pariser Trauermarsch für die Opfer des Charlie-Hebdo-Anschlags zum Beispiel sah es in einigen Berichterstattungen so aus, als hätten die Politiker die Menschenmasse angeführt, als wären sie „mitten drin“ und ganz nah bei den Trauernden. In Wahrheit war da ein Sicherheitsabstand zwischen ihrer Gruppe und denen, die ihnen folgten. Mit einem Kameraschwenk von oben hätte man diese Realität zeigen können und müssen, ohne dabei die Stimmung kaputt zu machen“, findet Niggemeier.
Allgemein müsse mehr Problembewusstsein entstehen und auch Selbstreflexion seitens der Journalisten. Ein richtiger Dialog müsse geführt werden, indem beispielsweise auch Medienmacher unter Online-Artikeln auf Kritik von Lesern reagieren und selbst kommentieren.
„Es ist ein Problem, wenn Leitmedien hierzulande als amerika-freundlich eingestuft werden und Menschen beispielsweise die Berichterstattung im Ukraine-Russland-Konflikt als transatlantisch-gefärbt einstufen.“ Sonst entstünde das Gefühl, dass in den Medien nur eine Seite der Medaille präsentiert werde. „Journalismus jedoch muss neutral informieren“, mahnt Niggemeier und schließt mit den warnenden Worten:
„Die Attacken von Verschwörungstheorien bedrohen den Journalismus? Ich würde eher sagen, die Schwächen des Journalismus begünstigen Verschwörungstheorien.“