Darf man einem Diktator drei gepanzerte S-Klassen verkaufen? Solche und ähnliche Fragen mit dem Schwerpunkt „Verantwortung bei der Einhaltung von Menschrechten“ wurden auf einer Podiumsdiskussion am vergangenen Dienstag im Weltethos-Institut Tübingen im Rahmen der Menschenrechtswoche unter der Leitung der UN-Hochschulgruppe und der Liberalen Hochschulgruppe beantwortet.
Im ernst-professionellen Ambiente des Weltethos-Instituts nehmen die Gäste Dr. Wolfram Heger, Julia Otten und der nicht nur in Tübingen bekannte Professor Dr. Jochen von Bernstorff Platz. Sie lassen sich aus den voll besetzen Reihen begutachten. Unter der Moderation von Dr. Christopher Gohl sollen die Experten allgemeinen Fragen und denen des durchaus kritischen Publikums standhalten und beantworten. Vor allem Herr Dr. Heger wird von Anfang an misstrauisch beäugt. Als Senior Manager im Corporate Responsibility Management bei der Daimler AG vertritt er in dieser Diskussion Sichtweisen aus der Wirtschaft. Julia Otten hingegen ist Referentin für zukunftsfähiges Wirtschaften in globalen Lieferketten. Sie arbeitet bei Germanwatch e.V. und betrachtet die Thematik eher aus der Konsumentenperspektive. Ein wohlbekanntes Gesicht ist Herr Professor Dr. Jochen von Bernstorff. Er ist an der Universität Tübingen Dozent für Völkerrecht, Staatsrecht und Menschenrechte und ist offen für alle juristischen Fragen.
Verantwortung der Wirtschaft
Nach einführenden Beispielen durch die Referenten zum Thema Menschenrechtsverletzungen wird klar, dass der Fokus dieser Veranstaltung und somit die zu diskutierende Verantwortung klar im ökonomischen Bereich liegt. Zentral sind Firmen, die im Ausland produzieren und deren Sorgfaltspflicht zur Wahrung der Rechte vor Ort. Gohl weist darauf hin, dass dennoch zwischen Mikro-, Meso- und Makroebene unterschieden werden muss, also zwischen dem eigenen Gewissen und der Verantwortung der Staaten. Als primären Pflichtenträger zum Schutz von Menschenrechten sieht von Bernstorff die Staaten, er zeigt dabei die drei juristischen Dimensionen der Unterlassungs-, Schutz- und Leistungspflicht von Staaten auf. Otten kritisiert die Inkohärenz zwischen Klagemöglichkeiten für Investoren und Menschen, die in ihren Rechten verletzt worden sind und sieht eine deutsche gesetzliche Definition zur Wahrung der Menschenrechte durch Unternehmen für absolut nötig. Heger begründet am Beispiel des Bangladesch-Brandes seine Sorge, dass die staatliche Schutzpflicht immer häufiger von Unternehmen zwangsläufig übernommen wird, um das Missmanagement der Staaten auszugleichen.
Motivation für Firmen
Leider ist in der Praxis festzustellen, dass Menschenrechte sich weder als Werbemaßnahmen von Unternehmen eignen, noch ihnen helfen, sich im Wettbewerb von der Konkurrenz zu differenzieren. Dennoch gibt es laut Heger drei aussagekräftige Gründe, sich auch und vor allem als Unternehmen für die Rechte der Menschen, die in der Wertschöpfungs- und Produktionskette beteiligt sind, einzusetzen: Erstens sei es „the only rigth thing to do“, also aufgrund von ethischer und moralischer Richtigkeit erstrebenswert. Zweitens gibt es zu dieser Thematik immer mehr Rückfragen von der Kundenseite und als letzten Punkt gibt er an, dass es nicht zielführend sei, wenn ein Produkt mit Menschenrechtsverletzung assoziiert werde. Durch systematisches Vorgehen soll dies, zumindest bei der Daimler AG, unter anderem durch die Überwachung der Zulieferer und Warengruppen, Abwägen von Risiken im Produktionsland und präventiven Maßnahmen in die Praxis umgesetzt werden.
„Noch viele schwarze Schafe“
Vor allem von Bernstorff lässt verlauten, dass noch nicht alle Firmen so weit fortgeschritten im Menschenrechtsdiskurs sind wie Heger vorgibt. Er weist auf häufiges staatliches Versagen hin, vor allem auch unter dem Punkt der Korruption. Viele Unternehmen würden schwache Länder nutzen, um sich einen ökonomischen Vorteil zu verschaffen. Sieht man nur diese eine Seite der Medaille und hat eine ausschließlich ökonomische Logik, so sei das nachvollziehbar, allerdings massiv menschenrechtswidrig.
Im Zuge der Thematik der Moral in Unternehmen wurde dann auch die Frage mit den S-Klassen geklärt: Heger legt zunächst Wert auf das Hintergrundwissen, dass sich Systeme ändern und zeigt dies am Beispiel Libyens auf. Es geht häufig um Einzelfallentscheidungen, die eingehend geprüft werden und im Falle einer Menschenrechtsverletzung werden Aufträge auch einmal nicht ausgeliefert. So bekommt also nicht jeder Diktator ein schönes Auto aus dem Schwabenland, was auch noch nach der Diskussion beim Getränkeempfang für den ein oder anderen Lacher sorgte.
Fotos: Veranstalter Menschenrechtswoche