Sie selbst war zwei Jahre für Médecins sans frontières (MSF) in Malawi, obwohl sie eigentlich Biologie und Mathematik in Tübingen studierte. Im Rahmen der Menschenrechtswoche erzählt Dr. Ulrike von Pilar vergangenen Donnerstag in einer Querfeldein-Veranstaltung von ihrem Leben, humanitärer Hilfe allgemein und der Arbeit von Ärzte ohne Grenzen.
Die Zuhörer im Ribingurumu saßen einer Person gegenüber, die viel erlebt und viel zu erzählen hat, über das schwierige Thema humanitäre Katastrophen. Dr. Ulrike von Pilar sitzt in einem Sessel in der Stadt, in der sie ehemals studierte. Ein Blick zurück: Nach ihrem Studium zog es sie zunächst in die Welt hinaus: Als Dozentin reiste sie nach Brüssel und Hongkong. Dort erkannte sie ihr Interesse und ihr Bedürfnis, humanitäre Hilfe zu leisten. Ab 1991 begann sie dann mit ihrer Arbeit bei MSF. Sie war Gründungspräsidentin und über mehrere Jahre Geschäftsführerin der Organisation Ärzte ohne Grenzen Deutschland. Im Rahmen dieser Arbeit reiste sie in viele Krisengebiete. Unter anderem besuchte sie Tibet, Ruanda, Afghanistan, Pakistan und später die Zentralafrikanische Republik.
Neutrales Sprachrohr?!
Neutral, unabhängig und unparteiisch – Dies sind die Grundsätze von MSF. Pilar hält sie auf jeden Fall hoch, sagt aber auch, dass diese nicht immer einhaltbar seien. Oft müsse abgewogen werden zwischen „Sprachrohr sein“ für Völker in Not und der Neutralität im Krisengebiet: „Man kann mit Ärzten allein keinen Völkermord verhindern.“ Vor allem beim Völkermord in Ruanda gerieten diese Grundsätze an ihre Grenzen. Hier verlangte MSF das erste Mal nach einer Intervention – eine interessante und durchaus umstrittene Entwicklung. Nach Ruanda erzählt Pilar noch von dem Einsatz in Somalia. Beide Erzählungen gehen den Zuhörern sichtlich nahe und auch Pilar merkt man an, wie wichtig ihr diese Themen sind.
Verlängert Hilfe den Krieg?
Auf die kritische Frage, ob MSF eine Mitschuld an der Länge einiger Krisen trägt, antwortet Pilar zwiegespalten. Ihr sei bewusst, dass MSF teilweise auch benutzt wird und somit vielleicht auch einige Menschen in Gefahr gebracht werden, aber sie fragt nach den Konsequenzen: Die Arbeit beenden? Direkt aus den Krisengebieten verschwinden? Diese Möglichkeit lasse alle im Stich und biete deshalb einen vermutlich weitaus schlechteren Ausweg.
Das Menschenmögliche tun
Nach einer kurzen Pause wird das Thema des Gesprächs auf aktuelle Krisen gelenkt. Bei der derzeitigen Flüchtlingsproblematik ist die MSF unter anderem bei der Seenothilfe aktiv. Obwohl die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer ein aktuelles Thema sind, weist Pilar darauf hin, dass es auch noch andere große Krisenherde auf der Welt gibt. Und kritisch merkt sie an: „Man hilft nicht unbedingt immer denen, die es am dringendsten brauchen.“ Von allen Hilfsorganisationen wird in Krisensituationen Beistand und Hilfe versprochen. Laut Pilar ist diese allerdings in den größten Krisen oft nicht möglich. Zwar verringern sich die Sterblichkeitsziffern durch humanitäre Hilfe in Krisengebieten, dennoch bleibt oft nur die Sprachlosigkeit über von Menschen begangene Taten und tiefer Frust. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Menschenrechtswoche statt, in der das Thema Menschenrechte von verschiedenen Seiten beleuchtet wurde.
Fotos: Paul Mehnert