Im Rahmen der Ernst-und-Karola-Bloch-Woche wurde der Film „Meister des Todes“ von Daniel Harrich im Club Voltaire vorgeführt. Er ist Teil eines größeren Bildes – der „Stop Wars“ Kampagne der SDAJ, die sich für Widerstand gegen lokale Kriegsprofiteure einsetzt. Der ARD-Spielfilm ist ein schwaches Beispiel journalistischer Aufklärungsarbeit, bot jedoch Anlass zum Austausch.

Erzählt werden soll – mit abgeänderten Namen – die Geschichte von Heckler & Koch, dem größten deutschen Waffenexporteur seit 1949. Peter Zierler (Hanno Koffler) ist ein emsiger und junger Familienvater, der für den Waffenhersteller HSW die zum Verkauf stehenden Gewehre vorführt. Mit seinen beiden Vorgesetzten Alexander Stengele (Heiner Lauterbach) und Otto Lechner (Udo Wachtveitl) fährt er nach Mexiko, um das neue Sturmgewehr vorzustellen. Dort trifft er den mexikanischen General und lernt zwischen all dem Schießen und Trinken sogar eine schöne und engagierte Lehrerin kennen.

Profit geht vor Frieden

Obwohl der Deal soweit geglückt scheint, stellt sich in Deutschland angekommen das Bundesministerium für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zwischen den Export – Endverbleibserklärungen, die die noch sehr stark vom Drogenkrieg betroffenen Regionen offenlegen, sollen geändert werden, denn die Menschenrechtsverletzungen machen die Einhaltung des Kriegswaffengesetzes unmöglich. Wenn Krisengebiete im Vertrag jedoch nicht genannt werden, kann der Handel fortgesetzt werden, selbst wenn schlussendlich die Waffen in den gesperrten Provinzen zum Einsatz kommen.

Um die vertraglichen Änderungen abzusprechen und persönlich die Entgegennahme der Lieferung abzusichern, reisen Zierler und Stengele erneut nach Mexiko. Als eine Demonstration oppositioneller Studierenden eskaliert, werden zwei Studierende direkt vor Zierlers Augen erschossen. Dieses Trauma bewegt ihn dazu, seinen Job auf der Weihnachtsfeier zu kündigen und nach einem Angriff auf seine Familie endgültig vertrauliche Unterlagen zum Export der HSW in Zusammenarbeit mit einem Friedensaktivist der Staatsanwaltschaft zu übergeben. Stengele, damaliger Vertriebsleiter, wird mit seiner Sekretärin als alleinverantwortlich dargestellt, kooperiert schließlich jedoch auch mit der Staatsanwaltschaft.

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Waffentransporte in Krisengebiete oder an gefährliche Gruppierungen sind immer wieder Gesprächsthema. Foto: pedrojperez auf morguefile.com

Der Schütze in der Opferrolle

Dieser Überblick des Filmes verdeutlicht bereits den inhaltlichen Fokus auf den Protagonisten Peter Zierler. Dieser verkörpert vor allem in Verbindung mit seiner Frau Maria (Alina Levshin), die sich als sorgende Ehefrau aufgrund der Oberflächlichkeit ihrer Rolle nicht behaupten kann, und seinen beiden Töchtern die bürgerliche Tatort-Vorstadt-Idylle. Er wird als calvinistischer Beispielarbeiter in die Rolle des Unwissenden gedrückt, der bis zum persönlichen Trauma den Missbrauch von Waffen gegen unschuldige Zivilisten nicht ein einziges Mal bedenkt – „Ist ja Tradition.“.

Seine Courage, die über die Sicherheit der eigenen Familie hinausgeht, führt letztlich zum Sturz des Vertriebsleiters – nicht von HSW – und dem mexikanischen Waffenexport. Die wenigen Dialoge entlocken den Schauspielern teils heftige Sätze wie „Auf Mexiko, wo Männer noch Männer sein dürfen.“, die durch weitere Rhetorikperlen wie „Die ist scharf wie Chili!“ auch nicht an Qualität gewinnen. Als dann Zierler der Tötung der zwei Studierenden beiwohnt, kann das Drehbuch ihm lediglich ein „Fuck. (PAUSE) Was ist das denn für eine Scheiße?!“ entlocken. Und während die Geige genötigt wird, eine Adaption der deutschen Nationalhymne zu spielen, versinkt der Zuschauer dann vollends im romantischen Kitsch-Action der seichten Unterhaltung.

So zieht sich der Fokus auf die Rolle von Zierler als sich aufbegehrender Retter weiter durch das Geschehen, postuliert ihn als Opfer höherer Zwänge, denen er entkommen muss. Das sei ihm angerechnet: Es bedarf „mutiger“ Menschen, die selbst wenn sie einst Teil der Kriegsbewässerung waren, sich gegen die Bequeme ihres Alltags stellen, um die gesellschaftliche Verantwortung ihrer Taten zu erkennen. Dennoch ist genau dieser eurozentrische Blick auf das Einzelschicksal eines HSW-Mitarbeiters kritikwürdig, wenn die Echtzeit-Problematik um Heckler & Koch Fragen nach den Opfern der exportierten und massenhaft produzierten Waffen aufwirft. Die womöglich sogar angestrebte Enttarnung des Unternehmens konnte selbst durch die hochkarätige Besetzung des Films nicht weiter vorangetrieben werden.

Das Publikum des voll besetzten Vorführraums des Club Voltaire, das während des Films die rhetorischen Schmankerl lachend entgegen nimmt. Foto: Yasemin Said.
Das Publikum des voll besetzten Vorführraums des Club Voltaire, das während des Films die rhetorischen Schmankerl lachend entgegen nimmt. Foto: Yasemin Said.

Schwere Kost zu leicht verdaut

Regisseur Daniel Harrich und sein Team wurden 2015 für die Recherchen zum ARD-Themenabend „Tödliche Exporte“, bestehend aus dem Spielfilm und der Dokumentation „Tödliche Exporte – Wie das G36 nach Mexiko kam“, mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Der Film wurde sogar mit anschließender Diskussion im Bundestag vorgeführt. Das ermutigt, der Dokumentation die Chance auf die hier fehlende Erleuchtung zu geben. Doch ein solcher Spielfilm, der sich als „investigativ“ bezeichnet, müsste als alleinstehendes Werk funktionieren und über die tatsächlichen Funktionsweisen der Kriegsindustrie und illegale Waffenexporten Aufschluss liefern. Ohne Frage haben die Recherchen zur Entwicklung des Drehbuchs allerdings eine öffentliche Diskussion befeuert, die sich seither vermehrt mit den deutschen Waffenexporteuren und Kriegstreibern beschäftigt. Dennoch hat selbst ein fiktiver Fall den Anspruch zu wahren, zumindest ein wenig in die Thematik einzutauchen. Die nationale Kriegsindustrie bedarf keiner Samthandschuhe, um sie in eine Spielfilmkiste zu packen.

Jan, Mitglied der SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend) und Mitinitiator der Bloch-Woche, war vorab bereit, die Idee des alternativen „Dies” zu erläutern und zu erklären, wie es zu der Filmvorführung in ihrem Rahmen kam. Dieser sei als Gegenkraft zum „Dies Universitatis“ entstanden, damit politische und kulturelle Gruppen die Möglichkeit einer Präsenz auf einem Markt haben, der nicht gleichzeitig von studentischen Verbindungen geprägt sei. Letztes Jahr nahmen bereits ca. zehn Gruppen Teil, die sich dem linkspolitischen Spektrum zuordnen. Natürlich sei dort noch Entwicklungspotential vorhanden, jedoch seien Projekte wie das „Tübinger Bündnis gegen Wohnungsnot” und offene Treffen gegen Faschismus und Rassismus bereits gute Versuche, die Problembekämpfung voranzutreiben – um zu verstehen, dass Politik, auch in Bezug auf Krieg,

„…eben die eigene Lebensrealität betrifft.“.

Waffenexporte
Die „Stop Wars“ – Kampagne gegen Heckler & Koch plakatiert einige Tübinger Wände, wie hier im Durchgang am Nonnenhaus. Foto: Yasemin Said.

Waffenproduktion vor der Haustür

Die bundesweite „Stop Wars“-Kampagne habe dann dazu geführt, anhand der für Tübinger Studierende durchaus präsenten Realität aufzuzeigen, dass lokale Profiteure am Beispiel Heckler & Koch, die Kriegsindustrie füttern. Und dass eigenes Engagement eben doch vor der Haustür beginnt, wenn die „Massenvernichtungswaffen unseres Jahrhunderts“, wie Jan die exportierten Klein- und Handfeuerwaffen nennt, in Oberndorf – kaum eine Stunde von der Universität Tübingen entfernt – produziert werden. Obgleich „Meister des Todes“ die Enttarnung des Unternehmens nicht gelungen ist, versucht die SDAJ mit ihrer thematischen Einführung und Faltblättern Aufklärung leisten.

Der nächste „Rote Tresen“ (Filmvorführung und anschließende Diskussion) findet am 08. November um 20.00 Uhr in Zusammenarbeit mit der IPPNW Studierendengruppe Tübingen im Club Voltaire statt und zeigt die Dokumentation „Was von Kriegen übrig bleibt“ (2016), welche sich mit dem langwierigen Kriegsschauplatz Irak beschäftigt und die Folgen für Mensch und Umwelt beleuchtet.

Titelbild: Jason Gillman auf morguefile.com.

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