Unter dem Titel: „Putin, Trump, Erdogan – Wie weiter mit der internationalen Menschenrechtspolitk?“ diskutierten Tübinger Professoren in einer Podiumsdiskussion die Zukunft der internationalen Menschenrechtspolitik.
Wie schön es sei, so viele junge Studierende zu sehen, die an einem Freitagabend offensichtlich nichts besseres vorhatten – so begrüßte Dr. Niels Weidtmann, wissenschaftlicher Leiter des Forum Scientiarums und Moderator des Abends, den maßlos überfüllten Festsaal der Alten Aula. Tatsächlich schien die aktuelle Entwicklung der Menschenrechtspolitik auf interessierte Ohren aller Altersstufen zu treffen, sodass jegliche Freiräume des kleinen Saals schnell mit Jutebeuteln und im Schneidersitz sitzenden Menschen gefüllt waren.
Der Titel der Veranstaltung „Putin, Trump, Erdogan – Wie weiter mit der internationalen Menschenrechtspolitk?“ schien die aktuellen Gedanken vieler Anwesenden zu spiegeln.
Organisiert im Rahmen einer Tagung zur Universalität der Menschenrechte des Weltethos-Instituts und des Forum Scientiarums der Universität Tübingen galt es an diesem Abend die chaotischen Gegebenheiten der letzten Jahre, insbesondere der letzten Woche, sinnvoll einzuordnen.
Für Fatalismus nicht der richtige Zeitpunkt
Auf ein zustimmendes Raunen im Raum traf gleich zu Beginn das Entsetzen des geladenen Dr. phil. Heiner Bielefeldt über die Aussagen des neuen US-Staatspräsidenten Trump, dass Folter selbstverständlich funktioniere. „Folter ist eine der wirklich wenigen roten Linien, die es keinesfalls zu überschreiten gilt“, appellierte der ehemalige Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Gleichsam mahnte er jedoch davor, den aktuellen Pessimismus nicht zum Fatalismus werden zu lassen.
Auch der zweite Podiumsgast Prof. Dr. Jochen von Bernstorff, in Tübingen bekannt als Professor für Verfassungsrecht, Völkerrecht und Menschenrechte, zeigte sich besorgt. Die Gefahr sei groß, doch sehe er bereits Potential für Veränderungen und verwies auf den Mut der türkischen Zivilgesellschaft als Beispiel für Aktivismus im Angesicht der herrschenden Repression.
„Mit der Abrissbirne werden Strukturen zerschlagen.”
Dass dennoch allgemeiner Unmut über die aktuelle Entwicklungen und der damit einhergehenden Menschenrechtspolitik herrscht, war auch seitens des Podiums kaum zu leugnen. Die Tendenz zu rechtspopulistischen Ideologien und autokratischen Regierungsformen sei zunehmend beunruhigend. Bisher habe die Weltgemeinschaft zumindest von einer fortschreitenden Entwicklung hin zu allgemein gültigen Menschenrechten ausgehen können. Der Konsens über internationale Strukturen, würde nun laut Bielefeldt mit einer Abrissbirne eingeschlagen.
Zuvor habe man zumindest auf die ambivalente Heuchelei der Staaten hoffen können, noch eine Art Tribut an die Respektabilität – stattdessen herrsche blanker Zynismus, der sich nicht mal mehr um eine Fassade bemühe. „Wir müssen diesen Schock jetzt in aller Deutlichkeit ausleben und dann erst überlegen wie wir fortfahren.“ Die Gewissheit, dass eine Rückentwicklung der Menschenrechtsbewegung hierzulande nicht mehr möglich wäre, sei weg, bestätigte auch von Bernstorff.
Die Ursachen des Dilemmas dürften vielen mittlerweile als alte Bekannte der Medienberichterstattung erscheinen: Zukunftsängste der sogenannten „Globalisierungsverlierer“ und die weltweit gestiegene soziale Ungleichheit ergeben laut von Bernstorff ein enorm hohes Frustrationspotential. Doch völlig entmutigt sollte das Publikum nun auch nicht in den Abend entlassen werden. Ein erleichtertes Lachen erntete Moderator Weidtmann, als er mit der Frage „Und was machen wir jetzt?“ den Anwesenden aus der Seele sprach.
Vertrauensarbeit gegen die Vertrauenskrise
Eine aktive Zivilgesellschaft sei das Rückgrat der Menschenrechte, erinnerte daraufhin Bielefeld. Es gelte die Vertrauenskrise mit Vertrauensarbeit durch investigativen Journalismus und mutigen Menschenrechtsaktivismus zu bewältigen. Die Institutionen seien keine Selbstläufer – „es liegt an uns zu entscheiden in welche Richtung es geht“. Europa müsse seine Selbstlähmung und Angst endlich überwinden. Auch von Bernstorff nutzte die Diskussion zum Appell: Es gehe nun darum, die Institutionen als Individuum, Gruppe oder Verein zu verteidigen und klarer Stellung zu beziehen: „Die Institutionen sind auf die Bevölkerung angewiesen um sie zu stärken und brauchen Menschen, die die Demokratie tragen.”
Mehr Informationen zum Thema gibt es zum Beispiel auf der Website des Deutschen Instituts für Menschenrechte: institut-fuer-menschenrechte.de