In der Tübinger Buchhandlung Quichotte ist am Dienstag anstatt gegen Windmühlen gegen windlose Sommerschwüle angekämpft worden. Unter den ermutigenden Blättern der Bücherwände in der Ammergasse 4 fochten Lea Sauer, Johannes Koch und Katia Sophia Ditzler wortgewandt mit Auszügen aus „Die Tippgemeinschaft 2017“ und anderen Texten aus dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig gegen den müden Sommerabend.
Der Bachelor-Studiengang „Literarisches Schreiben“ aus Leipzig stellte das studentische Projekt Die Tippgemeinschaft vor, das einmal jährlich Texte der Studierenden in einem Buch (ver-)bindet. In Zusammenarbeit mit dem Studio Literatur Theater der Universität Tübingen lasen drei Mitwirkende dieser kreativen Werkstatt vor. Zu Dünen und dünn gewordener Haut las Lea Sauer mit einer Stimme, die einem Hörbuch gerecht werden könnte. „Sie braucht jetzt das Meer“, sagte sie leise und das kleine, mutig der Hitze trotzende Publikum folgte ihr nach: In den Sog dieser festgefahrenen, festgeschriebenen Frau und ihrer Angst, die über Jahre mit dem Schmerz in die Knochen gesessen ist. Kaum einer nippte noch am Wein.
„Sie sich langsam abrieb mit jedem Schritt, wie sie auch ihren Hüftknochen abrieb.“
Das Abreiben an der Gesellschaft schwang auch bei Johannes Koch mit. Sein neuer Text ist ein Konglomerat aus Wirklichkeitseindrücken und der Sehnsucht nach „lila Tagen“. Bei ihm geht die Reise nicht ans Meer, sondern dauert an: Ein ausgesetztes Mädchen in einem Lastwagen mit Mathilda als Fahrerin und einem Platz eigens für die Weidenkätzchen zum Streicheln. Unterwegs begegnen sie einem Rechtspopulisten, dem Mathilda ans Schienbein tritt. Mathilda eben. Ein spannendes Konstrukt, das ein zweites Lesen wert gewesen wäre.
Das gilt auch für den interaktiven Text von Katia Sophia Ditzler, der zwischen Prosa, Lyrik, Experiment und dem Periodensystem der Elemente anzusiedeln ist. Bei einer kleinen Publikumsabstimmung wurde ausgewählt, welches ihrer lyrischen Formulare zum Ankreuzen und Ausfüllen gelesen werden sollte. Die Entscheidung fiel auf „Katzen und Kakerlaken“ und das gemeinsame Sprachspiel begann.
„Ich habe Johannisbrotbaumschoten für euch, aber ihr müsst sie schon selbst mahlen, meine Haplogruppen sind eure besten Teile“
In der Buchhandlung Quichotte zwischen den „besten Teilen“der Literaturgeschichte zu sitzen und mit Wein wie Ohrenschmaus zukünftiger Werke verköstigt zu werden, triumphiert über die Tübinger Windmühlen, die windlose Sommerschwüle.
Fotos: Charlotte Baumann.