Fragwürdige Werbung an Haltestellen

Für Kopfschütteln sorgten bei vielen Studierenden Plakate des Kopp-Verlags an Tübinger Bushaltestellen. Die Stadt sollte etwas gegen Werbung für Stimmungsmache und Fremdenfeindlichkeit an ihrer öffentlichen Infrastruktur unternehmen, findet unser Autor Michael Schlegel.

„Kontrollverlust – wer uns bedroht und wie wir uns schützen“ ist der Titel eines Buches, das bis vor zwei Wochen an mehreren Tübinger Bushaltestellen (u.a. an der Gmelinstraße und am Parkhaus König) beworben wurde. Auf dem tristen, in grau-blau gehaltenen Buchcover zu sehen sind auf der oberen Hälfte die trüb dreinschauenden Gesichter von Angela Merkel und Mario Draghi, auf der unteren Hälfte Menschen, die einen Grenzzaun passieren. Die Bushaltestellenwerbung sorgte für Gesprächsstoff unter Tübinger/innen, auch das Tagblatt berichtete.

Stimmungsmache gegen Geflüchtete

Aus zweierlei Hinsicht sahen viele die Plakate kritisch. Erstens wären da Inhalt und Autor der beworbenen Veröffentlichung. Das Buch ist nicht nur ein polemischer Rundumschlag gegen Politiker und Mächtige in Deutschland und Europa. Nein, richtig problematisch ist vor allem, dass das Buch Stimmung gegen geflüchtete Menschen macht. Schon allein das Cover suggeriert ganz eindeutig: „Flüchtlinge bedrohen uns und wir müssen uns gegen sie schützen!“ Thorsten Schulte, Autor des Buches, spricht auf seiner Webseite im Zusammenhang mit nichtdeutschen Tatverdächtigen von einer „Kriminalitätslüge“ und meint: „Die Migrationspolitik kostet mehr als an  Kindergeld ausgezahlt wird. Ist der Hinweis darauf populistisch und  in unserem ach so ‚politisch korrekten‘ Land verboten?“ Er bedient sich der klischeehaften Argumentation von Fremdenfeinden à la: „Die Ausländer sind kriminell und liegen uns auf der Tasche!“ Das ist in höchstem Maße generalisierend und erschafft so ein Feindbild, welches Misstrauen und Vorurteile gegenüber Geflüchteten schafft. Denn trotz Boykott der Buchhandlungsketten Thalia und Osiander war „Kontrollverlust“ ein Kassenschlager und zeitweise sogar auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste.

Der zweite Punkt, der die Werbeplakate fragwürdig macht, ist deren Auftraggeber: Schultes Hausverlag Kopp aus Rottenburg. Der Kopp-Verlag vertreibt Bücher mit Titeln wie „Beuteland – Die systematische Plünderung Deutschlands seit 1945“ oder „Die Impf-Illusion“. Er ist ein Sammelbecken für Autoren, die bei seriösen Verlagen keinen Platz finden: Pseudowissenschaftler, Verschwörungstheoretiker, rechte Stimmungsmacher.

Kopp-Werbung an der Bushaltestelle beim Parkhaus König: Hier hat sich jemand mit einer Sprühdose zu schaffen gemacht. Foto: Tabea Brietzke.

OB Palmer: „Wir können […] nicht eingreifen.“

Die Stadt verweist darauf, dass sie nicht für die Werbeinhalte an Bushaltestellen verantwortlich ist: „Die Wartehäuschen gehören der Firma Ströer. Diese stellt die Haltestellen für die Stadtverwaltung Tübingen auf. Die sogenannten City-Light-Werbeflächen vermarktet Ströer frei an Kunden ihrer Wahl.“

Im Schwäbischen Tagblatt äußerte sich außerdem Oberbürgermeister Boris Palmer zur Thematik: „Wir haben im Vertrag mit der Firma abschließend geregelt, welche Werbung wir nicht zulassen. Politische Bücher, die legal verkauft werden können, sind darunter nicht. Wir können also nicht eingreifen.“ In besagtem Tagblatt-Artikel ist auch eine Klausel aus dem Vertrag zwischen der Stadt und der Firma Ströer zitiert. Diese besagt, dass keine Werbung zulässig ist, „deren Inhalt gegen eine behördliche Anordnung, gegen allgemeine Gesetze oder gegen die guten Sitten verstößt oder die frauen- oder fremdenfeindlichen Inhalt haben.“

Fremdenfeindliche Inhalte befinden sich in „Kontrollverlust“, und das manifestiert sich schon auf dem Cover, das auf den Werbeplakaten abgebildet war. Die Frage drängt sich also auf, ob die Stadt wirklich nichts gegen die fragwürdige Bushaltestellenwerbung tun kann, oder ob sie es einfach nicht will. Dass eine profitorientierte Werbeagentur einen zahlenden Auftraggeber nicht von alleine aufgeben wird, ist klar.

Bushaltestellen gehören zum öffentlichen Bild einer Stadt

Bushaltestellen gehören aber zur städtischen Infrastruktur und tragen so einen Teil zum öffentlichen Bild der Stadt bei. Auch aus eigenem Interesse sollte die Stadt also ihre zur Verfügung stehenden Einflussmöglichkeiten dazu nutzen, um zu verhindern, dass der Kopp-Verlag in Zukunft Werbung für Stimmungsmache und Fremdenfeindlichkeit an Tübinger Bushaltestellen platzieren kann.

Titelfoto:  Tabea Brietzke

Empfohlene Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert