Das Freibad – ein Ort für halbnackte Menschen und schreiende Kinder. Ein Ort, der nach Chlor und in altem Fett frittierten Curly Fries riecht. Ein Ort, den ich bisher sehr gerne meide. Ich kann mich an meinen letzten Freibadbesuch nicht mehr erinnern und auch das letzte „Wollen wir zusammen ins Freibad gehen?“ von Freunden ist ewig her. Höchste Zeit also, dem Freibad noch eine Chance zu geben…
Es ist ein schwüler Dienstagvormittag, an dem ich mit David Letzgus-Maurer, dem Freibadleiter, verabredet bin. Er begrüßt mich freundlich am Eingang und bietet mir direkt das Du an, bevor wir pünktlich unseren Rundgang über das riesige Freibadgelände beginnen. Das Tübinger Freibad, das am Ortsende Richtung Hirschau liegt, ist vor allem in den Monaten Juni und Juli gut besucht, erzählt mir David. Der Rekord liegt bei 10.000 Besuchern an nur einem Tag, ergänzt er stolz. Dass bei dem für heute angekündigtem Unwetter so viele Besucher kommen werden, ist eher unwahrscheinlich – auch wenn seit sechs Uhr früh bereits einige der Stammgäste ihre Bahnen schwimmen.
A walk in the park
Auf unserem Weg durchs Freibad kommen wir an vielen Sport- und Entspannungsmöglichkeiten vorbei. Das Freibad bietet mittlerweile eine immense Angebotsvielfalt, deshalb beschreibt David das Freibad auch eher als einen „Park mit verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten“.
Für den leitenden Bademeister ist es außerdem wichtig zu erwähnen, dass die Sportanlagen und Entspannungsmöglichkeiten nicht willkürlich auf dem Gelände platziert worden sind. Das Gesamtkonzept des Freibads ist nämlich der fernöstlichen Harmonielehre Feng-Shui entlehnt. Ebenfalls Teil des Gesamtkonzepts, die Auswahl der richtigen Blumen: Damit das Freibad jederzeit bunt blüht, wurden die Blumen so ausgewählt und arrangiert, dass sobald die einen Blumen verblühen, die nächsten anfangen zu blühen. Eine vermeintliche Kleinigkeit mit großer Wirkung.
Zwischen Baywatch und Adiletten
Es scheint, als sei das Freibad für David Letzgus-Maurer ein Herzensprojekt. Die Arbeit im Freibad ist für ihn mehr als nur ein Job und er selbst ist mehr als nur ein 08/15-Bademeister. In meinem Kopf existierten bis dato exakt zwei Ideen davon, wie ein Bademeister sein könnte. Version eins: Der Bademeister Typ Baywatch – durchtrainiert, mit knapper roter Badehose und einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. Ein echter Womanizer. Version zwei hingegen, trägt blaue Adidas-Schlappen, ein weißes Tanktop und zu viel Bauch. Tatsächlich stimmt weder die erste, noch die zweite Version. Im Freibad Tübingen jedenfalls, tragen die Bademeister einheitliche Polo-Shirts, Sonnenbrille – und eine ganze Menge Verantwortung.
Insgesamt ist der Job des Bademeisters sehr abwechslungsreich. Zu den Aufgaben zählen neben der Beckenaufsicht und vielen organisatorischen Tätigkeiten, auch die Steuerung der Technik. Man muss eben ein echter Allrounder sein, bzw. eine „eierlegende Wollmilchsau“, wie Letzgus-Maurer zu sagen pflegt.
Neben all diesen Anforderungen, sind die Grundvoraussetzungen für den Beruf: Ruhe, Autorität und ein stets freundlicher Umgang mit den Badegästen. Mit Badegästen, die mitunter ganz schön unangenehm sein können: vom Reinschmuggeln alkoholischer Getränke, über die nicht ganz ordnungsgemäße Entsorgung des Mülls, bis hin zu Spannern im FKK-Bereich, ist offenbar alles dabei. Fakt ist, es gibt immer was zu tun und wie in jedem anderen Job auch, macht nicht alles davon Spaß.
To go or not to go
Am Ende unseres Spaziergangs, brennt mir eine letzte Frage unter den Nägeln: Bei dem hohen Arbeitspensum, der ganzen Verantwortung und den nicht immer einfachen Badegästen, überwiegt da noch die Freude am Beruf? „Auf jeden Fall.“ Für David Letzgus-Maurer ist sein Job als leitender Fachangestellter für Bäderbetriebe kein Beruf, sondern Berufung und am frühen Morgen die Natur beim Erwachen zu beobachten und die Vögel zwitschern zu hören, ist für ihn Entschädigung genug.
Und für mich? Ich schätze, dass ich einem normalen Freibad noch immer nicht viel abgewinnen kann. Gegen einen riesigen Park mit verschiedenen Sport-, Entspannungs- und Bademöglichkeiten, habe aber selbst ich nichts einzuwenden. Das Freibad Tübingen bietet mehr, als ich erwartet hatte und so kann ich die Schattenseiten schon mal ausblenden, um einen entspannten Tag im Freibad zu verbringen. Meine Antwort auf die Frage „Wollen wir zusammen ins Freibad gehen?“ lautet mittlerweile also: „Ja – aber nur in Tübingen!“
Fotos neue Attraktionen: Marko Knab
Foto Bademeister: swt/ de Maddalena