Vom 31.10. – 7.11.2018 fanden die 35. Französischen Filmtage in Tübingen und Stuttgart statt. Auf dem größten frankophonen Filmfestival Deutschlands wurden dieses Jahr wieder 90 Filme von Filmemachern aus allen französischsprachigen Teilen der Welt gezeigt. Zu diesem Anlass trafen wir uns mit der Pressesprecherin der Filmtage, Andrea Bachmann, im offiziellen Filmtagebüro am Stadtgraben. In einer lockeren Atmosphäre auf alten, gemütlichen Kinosesseln hatten wir die Gelegenheit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.
Von Christine Scharf und Theresa Heil
Ein Gläschen Wein und eine sich lohnende Unterhaltung
Die Idee für das Festival entstand schon vor 35 Jahren, bei einem Gespräch des Franzosen Pierre Achour und dem Tübinger Filmkritiker Michael Friederici, während die beiden gemütlich eine Flasche Wein tranken. Seitdem hat sich das Festival zu einer festen Größe des frankophonen Kulturaustausches etabliert. Durch das bunt gemischte Publikum der Universitätsstadt ist Tübingen der ideale Ort für eine solche Veranstaltung.
Die Festivalstimmung erfasst, laut Andrea Bachmann: „nicht nur Französischlehrer und ehemalige Erasmus-Studenten aus Frankreich, die der Liebe wegen in Tübingen hängen geblieben sind“, sondern eben auch die Bürger der Stadt, denn gerade durch die Größe Tübingens könne eine richtige Festivalstimmung aufkommen, die in einer größeren Stadt so nicht zustande kommen könnte.
Die Bandbreite der auf dem Festival gezeigten Filme reicht von Komödien bis hin zu Thrillern über Dokumentationen. Der diesjährige Schwerpunkt der Filmtage lag auf belgischem Kino, das laut Andrea Bachmann auszeichnet wird durch den schwarzen Humor und „französische Leichtigkeit mit englischer Skurrilität verbindet“. Die dort nominierten Filme treten in verschiedenen Wettbewerben gegeneinander an: zum Beispiel bei dem Tübinger Publikumspreis, dessen Gewinner seinen Weg in die deutschen Kinos findet.
Laut Andrea Bachmann war es diesmal ein besonders spannendes Filmjahr, was sich auch an den Besucherzahlen zeigt. Die Säle waren voll und man merkte, dass das Publikum Lust hatte zu lachen und sich vom frankophonen Flair in der Stadt mitreißen ließ.
Von über 600 Filmen finden jährlich 90 ihren Weg auf das Festival
Mit der Planung des Festivals beginnt das Filmteam schon immer ein Jahr im Voraus. Dazu schaut Hasan Ugur, der Programm-Manager, über 600 Filme im Jahr, von denen dann 90 ausgewählt werden. Finanziert wird das Festival von verschiedenen Förderern, wie zum Beispiel der Kreissparkasse Tübingen. Arte ist nicht nur der Hauptsponsor, sondern ist auch mit zehn selbst produzierten Filmen auf dem Festival vertreten, die später auch von dem Fernsehsender ausgestrahlt werden.
Als Helfer oder Praktikant einen Blick hinter die Kulissen werfen
Wenn man einen Arbeitsplatz im frankophonen Bereich anstrebt, kann ein Praktikum bei den französischen Filmtagen auch als Sprungbrett dienen.
„Eine ehemalige Praktikantin von uns arbeitet mittlerweile bei Arte“, erzählt uns Frau Bachmann.
Wer aber auch einfach so etwas Filmluft schnuppern möchte, kann sich jedes Jahr als freiwilliger Helfer beteiligen, beispielsweise wird jedem Gast ein „Schutzengel“ zur Seite gestellt, der Speisekarten übersetzen kann und den Gast durch das schöne Tübingen lotst. Voraussetzung dafür: Französischkenntnisse und flexible Einsatzzeiten. Zu Gast auf den Filmtagen waren in den letzten Jahren zum Beispiel: Julie Delpy, Ulrich Tukur und Cédric Klapisch. Zur Belohnung winken Freikarten und Einladungen zu den Festen.
Die Filmtage sind mehr als nur ein ‚bulimischer‘ Filmmarathon
Das Festival bietet seinen Besuchern, abgesehen von den Filmerlebnissen, ein umfassendes Begleitprogramm. „Ein Filmfestival besteht nicht nur daraus, dass man sich eine Woche lang Filme bulimisch anschaut, sondern Filme sind ja auch ein Instrument, mit dem man hofft die Welt verändern zu können“, stellt Frau Bachmann klar. Zu diesem Zweck finden im Anschluss an die Filme Diskussionsrunden statt, wie zum Beispiel bei dem Film „Libre“ von Michel Toesca. Der Dokumentarfilm folgt dem Olivenbauer Cédric Herrou, der vom Staat verklagt wird, weil er illegale Flüchtlinge auf seinem Hof beherbergt hat. In der anschließenden Diskussion konnte man sich frei über Film, Europas Grenzen und die Abschiebung der Flüchtlinge in EU-Randstaaten, wie Spanien und Italien, austauschen.
Dieses Jahr wurde den Zuschauern auch zum ersten Mal ein Virtual Reality Erlebnis geboten. Neben dem Besuch einer Ausstellung im Stadtmuseum mit einer VR-Installation hatten Festivalbesucher die Möglichkeit im Brechtbau-Theater Virtual Reality-Kurzfilmprogramme und eine Augmented Reality-Ausstellung zu erleben. Das Festival sollte den Besuchern aufzeigen, welche Möglichkeiten sich mit bewegtem Bild eröffnen können. Auch wenn Virtual Reality in naher Zukunft nicht das Kinoerlebnis revolutionieren wird, ist es eine neue und spannende Art, um Geschichten zu erzählen, findet Frau Bachmann.
Zusammenkommen der kreativen Köpfe
Das Schönste an dem Festival ist für die Pressesprecherin die aufkommende „Schullandheimstimmung“, wenn alle Gäste in Tübingen eintrudeln; denn es ist eine ereigniseiche Woche, in der die verschiedensten Menschen aus allen Teilen der frankophonen Welt zusammenkommen. Das Festival versteht sich so als „Katalysator für diese kreativen Köpfe“, welche nach dem Filmerlebnis wieder mit neuer Inspiration und Ideen ihren eigenen Weg gehen.
Fotos: Pressebilder Französische Filmtage Tübingen/Stuttgart, Alexander Gonschior