Hinter den Uni-Kulissen: Im Gleichstellungsbüro

Vorhang auf für einige der Menschen, die im Hintergrund dafür sorgen, dass der Unibetrieb rund läuft und Studierende und Dozenten einen möglichst angenehmen Unialltag erleben. Kupferblau hat sie getroffen: Bibliothekarinnen und Hausmeister, Cafeteria-Mitarbeiterinnen und Medientechniker. Heute im Interview:

  • Die Gleichstellungsbeauftragte der Universität, Dr. Ingrid Hotz-Davies,
  • die Ansprechpartnerin zum Thema Vereinbarkeit im Familienbüro, Gabi Efferenn,
  • die Ansprechpartnerin für die Förderprogramme des Landes, Gender-Consulting für Antragstellende sowie Einzelberatung, Susanne Weitbrecht und
  • die Ansprechpartnerin für das Controlling der Berufungsverfahren, das Athene-Programm sowie für Einzelberatung, Anke Wenta.


Was machen Sie im Gleichstellungsbüro und im Familienbüro? Für was sind Sie zuständig?
Efferenn: Das Familienbüro ist zuständig für die Vereinbarkeit von Familie mit Studium, Wissenschaft oder Beruf. Die Universität Tübingen hat u.a. seit 2014 das Audit „familiengerechte Hochschule“. Im Audit geht es darum, Maßnahmen zu konzipieren und umzusetzen, die zu einer größeren Familienfreundlichkeit an der Universität führen. Wir haben zum Beispiel inzwischen ein Familienzimmer auf der Morgenstelle eingerichtet. Außerdem haben wir die Handreichung Studieren mit Familienaufgaben erarbeitet und veröffentlicht, wo es um flexiblere Studienorganisation für Studierende mit Kindern und Familien oder auch pflegende Angehörige geht. Im letzten Jahr wurde ferner viel zum Thema Mutterschutz für Studentinnen hier an der Universität geregelt.
Hotz-Davies: Das alles ist Teil des Gleichstellungsauftrags, denn eine der großen Problematiken für Menschen mit Kindern, die eine Karriere anstreben an der Universität, ist genau die erwähnte Vereinbarkeit. Und ich habe jetzt gerade vorsichtig gesagt „Menschen mit Kindern“, tatsächlich trifft es aber hauptsächlich die Frauen […]. Insofern ist die Familienfreundlichkeit ein wichtiger, aber nicht der einzige Teil des Gleichstellungsauftrags. Die Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten und des Büros ist, für die tatsächliche Chancengleichheit von Männern und Frauen zu sorgen. Es muss heißen „tatsächlich“, weil die Erklärung einer Intention „sie sind chancengleich“, nicht heißt, dass sie es dann auch wirklich sind. […] Es ist eine wichtige Aufgabe der Gleichstellungspolitik der Universität dafür zu sorgen, dass die Frauen auch tatsächlich in die hohen Stufen der Karriereleiter vordringen können. Dazu gibt es eine Reihe von Maßnahmen. Es geht darum, zunächst einmal zu verstehen, warum die Situation so ist, wie sie sich darstellt und was da genau passiert und dann Konzepte und Maßnahmen zu entwickeln, wie man die Chancengleichheit befördern kann. Dazu gibt es inzwischen eine Reihe von Programmen.
Weitbrecht: Wir setzen ganz konkrete Maßnahmen um, wie z.B. das Athene-Programm. Eine zweite Maßnahme ist das Teaching-Equality-Programm. Das Gleichstellungsbüro ist sowohl für die Konzeption der Maßnahmen als auch deren spätere Umsetzung zuständig. Das Athene-Programm ermöglicht Frauen nach der Promotion bessere Chancen, auf dem Weg zur Professur. Denn in der ganz überwiegenden Zahl der Fächer steigen Frauen nach der Promotion aus und sagen „Nein, die Professur ist nicht das Ziel, das ich anstrebe“. Das ist sehr bedauerlich, für beide Seiten, sowohl für die Frauen als auch für die Wissenschaft.

Im sogenannten Athene-Programm werden gezielt Nachwuchswissenschaftlerinnen unterstützt, erklärt Susanne Weitbrecht.

Aber dann fördern sie beim Gleichstellungsbüro nur hauptsächlich Frauen oder auch Migranten und Arbeiterkinder etc.?
Hotz-Davies: Das wird auch eine der zukünftigen Aufgaben des Gleichstellungsbüros sein, also Diversitätsaspekte betreuen zu können. Wir haben bzw. die Uni hat bereits das Audit „Vielfalt gestalten“ zur Entwicklung eines Diversitätskonzeptes für die Hochschule durchgeführt. Der nächste Schritt wird nun sein, das Konzept umzusetzen. Das Thema Diversität wird daher in Zukunft tatsächlich auch zu unseren Aufgaben gehören.
Der Lehrstuhl von Prof. Dr. Ingrid Hotz-Davies hat seinen Fokus auf englischer Literatur und Gender Studies.

Sie betreuen auch einzelne Studierende, also wenn sie individuelle Probleme haben: Kommen da dann auch nur Frauen?
Efferen: Nein, ins Familienbüro kommen auch viele Männer, die mit Familie studieren oder arbeiten. Ausgleichsmaßnahmen und Beratungsangebote können Väter und Mütter gleichermaßen in Anspruch nehmen.
Hotz-Davies: Die Verteilung der Geschlechter, die hier bei uns Dinge in Anspruch nehmen können, wiederspiegeln eine soziale Realität. In dem Moment, wo die Mehrheit der Familienfürsorge in der Hand der Männer wäre, dann wäre das hier ein Männerbüro.
Was wären dann Probleme, mit denen man zu Ihnen kommen kann?
Efferenn: Was zum Beispiel sehr häufig der Fall ist, ist, dass Prüfungsfristen davongaloppieren, weil z.B. das Kind kurz vor einer Prüfung krank geworden ist und man sich nicht ausreichend vorbereiten konnte. Oder wenn eine Schwangerschaft im Studium eintritt und man klären muss, inwieweit man das Studium flexibilisieren kann oder welche Möglichkeiten jenseits des „Normstudiums“ es gibt. Das gilt im Übrigen sowohl für Studierende mit Kindern als auch Studierende mit Pflegeaufgaben, die wir ja auch immer wieder hier haben und die dann auch hierher zur Beratung kommen.
Hotz-Davies: Wir sind auch eine Anlaufstelle für Formen der sexuellen Belästigung. Das sind dann individuelle Beratungsfälle. Zunächst wird aufgenommen, was tatsächlich der Inhalt der Beschwerde ist. Das Gespräch bleibt natürlich streng vertraulich und die Person, die sich an uns gewandt hat, bleibt auch in Kontrolle der Information, das ist uns sehr wichtig. Das heißt, dass wir nicht die Information an uns reißen und damit Politik machen. Vielmehr wird im konkreten Fall überlegt, wie man das Problem lösen kann.
Hat sich die Arbeit in den letzten Jahren geändert? Kommen mehr Leute in einem spezifischen Bereich oder auch allgemein?
Efferenn: Für das Familienbüro, das es ja erst seit 2014 gibt, kann ich sagen, dass sich die Anzahl der Beratungen insofern gebessert, also sprich verringert hat, je informativer die Internetseite des Familienbüros wurde. Aber es gibt immer noch einen riesigen Bedarf an Beratung. Oft geht es auch um individuelle Notfälle.
Hotz-Davies: Also ich denke, was sich insgesamt schon geändert hat, ist, dass die Wichtigkeit der Gleichstellung für die Universität inzwischen deutlich markierter ist. Das war immer gleich wichtig, nur wurde das nicht erkannt oder anerkannt. Und jetzt ist es so, dass es doch auch einen großen außeruniversitären Druck gibt, durch Drittmittelgeldgeber oder jetzt zum Beispiel die Exzellenzinitiative.
Weitbrecht: Die erste Gleichstellungsbeauftragte der Universität ist 1989 oder 1990 gewählt worden. Danach wurde das Büro eingerichtet. Es hat sich in den letzten 30 Jahren insofern verändert, als dass es damals wirklich Pionierarbeit war. Anfang der 90er, da war Gleichstellung noch ein ganz marginales Thema.
Hotz-Davies: Und nicht nur marginal, sondern der Gegenwind ist bis heute groß, aber damals war er natürlich ungleich größer, weil sich die Gesellschaft nicht sagen lassen will, dass sie etwas falsch macht. Die Argumente lauten „Die Frauen wollen das selbst so, die bleiben lieber daheim, ihnen ist das kochen angeboren“ usw.
„Ein riesen Bedarf“: Anke Wenta und ihre KollegInnen haben im Gleichstellunsgbüro alle Hände voll zu tun.

Viele sind dem Gleichstellungsbüro gegenüber eher kritisch eingestellt, weil sie finden, dass dies eine Benachteiligung von Männern darstellt. Sie können ja etwaige Förderprogramme nicht wahrnehmen usw. Was würden sie diesen Personen sagen?
Hotz-Davies: Wenn wir die Situation hätten, dass 50% unserer Professoren Frauen wären, dann wäre ich dafür, dass wir das Büro zumachen.
Wie verläuft denn ihr Arbeitsalltag jeweils?
Wenta: Es lässt sich sagen, dass die Arbeit sehr papierlastig ist. Wir müssen sehr viele Vor- und Nachbereitungen z.B. von Gremiensitzungen und auch kontrollierende Aufgaben am Schreibtisch durchführen. Eine Kollegin ist z.B. sehr viel mit Statistiken beschäftigt, um auszuwerten in welchen Bereichen sich Benachteiligung abbildet. Ich selbst bin mit Berufungsverfahren beschäftigt und begleite bis zu 50 Gleichstellungsvertreterinnen, die in Kommissionen an den Fakultäten auf Chancengleichheit in den Verfahren achten natürlich sind wir auch in allen wichtigen Sitzungen z.B. Strukturkommissionen oder Senat vertreten. Aber der Alltag der Gleichstellungsarbeit spielt sich hauptsächlich am Schreibtisch ab.
Hotz-Davies: Wir entwickeln Gleichstellungsprogramme nicht, um irgendeine Frau zu bevorteilen, sondern wir versuchen die Nachteile, die eine Frau durch die homosoziale Kooptation hat, auszugleichen, z.B. indem wir ihnen helfen eigene Netzwerke zu schaffen. Das ist ein Nachteilsausgleich. Ein mindestens genauso großer Schwerpunkt liegt schlicht und ergreifend im Qualitätsmanagement, um sicherzustellen, dass hier gar niemand Nachteile erfährt – weder Frauen noch Männer.
Was sind denn so Ihre Erfahrungen mit Professoren?
Weitbrecht: Also es gibt die Hypothese, dass wenn die alten Patriarchen, die Frauen einfach nur als Ehefrauen und Mütter betrachtet haben, aussterben, dass dann alles gut wird. Das können wir jedoch nicht unbedingt so beobachten. Es gibt moderne Männer, die auch ins Familienbüro kommen und sagen: „Ich will Verantwortung für meine Kinder übernehmen, was kann ich da machen?“. Die gibt es glücklicherweise langsam immer mehr. Aber Männer stehen zunehmend in direkter Konkurrenz zu Frauen und nutzen ihren Geschlechtervorteil entweder bewusst oder unbewusst aus.
Hotz-Davies: Dazu muss man jetzt aber auch sagen, das ist eine Feststellung, die sich bereits aus einer „vergeschlechterten“ Wahrnehmung ergibt. Tatsächlich stehen sie ja einfach in Konkurrenz mit Konkurrenten. Aber die Wahrnehmung, dass die Frauen eben als Frauen eine Konkurrenz wären und andere Männer sind nicht als Männer eine Konkurrenz, sondern einfach Konkurrenten, ist ja bereits eine vorstrukturierte Wahrnehmung. Ich denke, man sollte das vielleicht nicht an Individuen aufhängen, weil es an sich das Problem verharmlost.
Weitbrecht: Man muss leider auch sagen, dass es den Mythos der Quotenfrau in Deutschland gibt. Und ich muss sagen: Es ist ein Mythos. Dieser Mythos führt dazu, dass sich Männer benachteiligt fühlen, obwohl sie es gar nicht sind. Manche stilisieren sich als Opfer. Wenn ein solcher Mann in einer Konkurrenzsituation mit einer Frau eine Stelle nicht bekommt, sagt er: Die Frau hat sie bekommen, weil sie eine Quotenfrau ist. Das ist natürlich geschickt.
Gibt es an der Uni irgendwelche Quoten?
Weitbrecht: Es gibt keine Frauenquoten für Stellenbesetzungsverfahren. Bei den Juristen wird eine Debatte über Männerschutzquoten geführt. Weil Frauen das bessere Staatsexamen machen, geht die Angst vor der „Verweiblichung“ des Rechtswesens um. Faktisch wirksame Quoten für Frauen bei Stellenbesetzungsverfahren gibt es bislang nicht.
Wie ist denn die Verteilung bei den Professoren? Vorhin haben sie gesagt, dass es 20-80 ist, aber in den Naturwissenschaften sieht das ja bestimmt schlechter aus?
Wenta: Wir sind bei (etwa) 21,3% [oder sowas].
Hotz-Davies: [Wobei] Bei der Zielsetzung für die fachspezifisch zu erreichenden Frauenanteile arbeiten wir mit der sog. Kaskade, d.h. die wichtigste Bezugsgröße für die Zielsetzung ist immer die Qualifikationsstufe davor. Wenn es in der Qualifikationsstufe vorher nur 20% Frauen gibt, dann kann es auf der nächsten ja zunächst einmal nicht mehr geben. Die Logik der Kaskade ist die der Bestenauswahl, d.h. wenn wir annehmen, dass Männer und Frauen gleich begabt sind und gleich brauchbar und 70% Studentinnen anfangen und auf der Stufe Promotion sind davon nur noch 30 % übrig, dann habe ich unverhältnismäßig viele Männer in dem Prozess weiterkommen lassen und unverhältnismäßig viele Frauen sind rausgefallen. Da muss man sich dann fragen, warum das passiert.
Wenta: Dieses Phänomen kann man in übergreifend allen Fakultäten beobachten.
Hotz-Davies: Man kann sagen, dass die Fächer mit einem niedrigen Frauenanteil im Studium, dann bei späteren Stufen ihre Frauenanteile besser halten. Wenn Sie als Frau an der Uni eine Karriere machen wollen, dann würde ich ihnen wahrscheinlich raten, dass sie in die Naturwissenschaften gehen.
Weitbrecht: Das heißt auch, wenn ein Mann unbedingt Professor werden will, dann sollte man ihm empfehlen, in die Erziehungswissenschaften zu gehen.
Was würden Sie denn den Studierenden gerne sagen? Wollen Sie vielleicht auf spezifische Angebote hinweisen?
Hotz-Davies: Auf das TEA (Teaching Equality) Programm können wir hinweisen. Das Programm ist schließlich für Studierende gestrickt. Es ermöglicht, dass man Gastprofessorinnen an die Universität Tübingen holt für ein Semester, insbesondere in solchen Bereichen, in denen die Frauen ganz besonders unterrepräsentiert sind. Außerdem können daraus Lehraufträge mit Genderstudies Komponenten finanziert werden. Das TEA-Programm ermöglicht auch Praxisvorträge von Frauen, damit insbesondere die weiblichen Studierenden in der Praxis vorgelebt bekommen, dass man auch als Frau an der Universität oder außerhalb Karriere machen kann.
Efferenn: Ich würde den Studierenden empfehlen, dass sie sich für ihre Belange einsetzen. Wir haben ja z.B. das studentische Elternforum, das sich ja mehrmals im Semester trifft. Das wird gänzlich von den Studierenden organisiert, aber kann eben auch nur beibehalten werden, wenn hier Engagement kommt. Wir haben auch verschiedene AKs, Studierende mit Familie an der Universität. Auch diese leben nur vom Engagement der Studierenden. Das Familienbüro arbeitet eng mit diesen AKs zusammen, weil die Studierenden eben in der Praxis stehen und eben genau wissen, wo es hakt.
Hotz-Davies: Der Rat, den ich den Leuten geben würde, ist einfach, sich gar nicht so sehr darum zu kümmern: Ah ja wird das denn gehen? Wird das denn klappen? Sondern erstmal einfach der eigenen wissenschaftlichen Leidenschaft nachzugehen. […] Dass man sich das selbst auch zutraut.
Wenta: Und Diskriminierung auch nicht persönlich zu nehmen, sondern zu versuchen, sie als durch bestehende Strukturen bedingt zu sehen und sich nicht entmutigen zu lassen, sondern sie entschieden zurückzuweisen.
Mehr Engagement an der Uni, so der Appell von Gabi Efferenn.

 
Fotos: Marko Knab

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