Tübingen als Open-Air-Museum

Die besten Dinge im Leben sind nicht die, die man für Geld bekommt.“, hat schon Albert Einstein gesagt. Viele Studierende leben nach diesem Motto und versuchen mit BAföG und einem kleinen Nebenjob über die Runden zu kommen. Kunst und Kultur kommt dabei jedoch oft zu kurz. „Neun Euro für eine Konzertkarte mit Studierendenrabatt? Wer kann sich das denn leisten?“ oder „Die Kunsthalle ist donnerstags für Studierende umsonst? Wie blöd, gerade Donnerstag ist mein vollster Tag.“ Falls einem diese Sätze bekannt vorkommen, gibt es eine gute Nachricht für alle Kunstinteressierten, die glauben, weder die Zeit noch das Geld für die schönen Dinge des Lebens zu haben. Tübingen ist quasi ein Open-Air-Museum! Du läufst möglicherweise jeden Tag auf dem Weg zur Uni an einem Kunstwerk vorbei.

Das Buchkaffee „Vividus“

Typographie von William Morris.

Für alle Typographie-Fans: Hebt doch mal den Blick vom Handy oder den Lernunterlagen nach oben. William Morris sagt euch etwas? Dann lauft Richtung Nonnenhaus. Beim Nonnenhaus 7 ist der Schriftzug: „Buch [Vividus] Kaffee“ zu lesen. Die Schriftart „Golden Type“ des Gründers des „Arts and Crafts Movement“ findet sich hier in Rot. Die Schriftart wurde für seine Buchdesigns für Kelmscott Press entworfen. Morris war überzeugt von der Kunst des Handwerks und legte viel Wert auf handwerkliche, nicht industrialisierte Arbeit.

Die Mayer’sche Apotheke

Traditionelle Kunst in der Hirschgasse.

Oder doch lieber etwas traditioneller? Die „Fette Fraktur“ von Johann Christian Bauer befindet sich in der Hirschgasse an der Mayer’schen Apotheke. Die Gebrochene Schrift wurde nach dem Vorbild von 1513 um 1850 erneuert und findet sich auf Augenhöhe unter den Fenstern der Apotheke. Die Schriftart wurde eher für Werbezwecke als für Texte entwickelt und verwendet.

Der Anlagenpark

Nymphenfiguren im Anlagenpark.

Wer sich mehr für Skulpturen als Schriftarten interessiert, sollte auf dem Weg durch den Anlagenpark die Augen offen halten. Besonders auf dem Weg vom Hauptbahnhof zur Uni bietet sich dieser kleine Umweg an. Ein Replikat der Figurengruppe „Danneckersche Nymphen“ (1810) von Johann Heinrich von Dannecker lässt sich dort finden. Hierbei handelt es sich um eine Wasser- und eine Wiesennymphe. Die Wassernymphe ist diejenige, welche ihren Arm auf die Amphore stützt und in der Hand eine Leier trägt. Der andere Arm liegt auf einer schlanken hohen Vase. Ihre Schwester, die Wiesennymphe, setzt der Wassernymphe einen Blumenkranz auf, aus Dank für das lebensspendende Nass. Als die Nymphen das Erste mal präsentiert wurden, war ihre schockierende Nacktheit skandalös für den öffentlichen Ausstellungsort.

Die Neue Aula

Herzog Eberhard.

Wer sich schon immer mal gefragt hat, wen eigentlich die Marmorbüsten in der Neuen Aula darstellen, der kann auf dem Weg zum Hörsaal König Wilhelm I. und Herzog Eberhard im Bart bewundern. Beide Büsten sind von Theodor Wagner und um 1861/62 entstanden.

Nach diesen beiden netten Herren ist übrigens auch unsere Universität (Eberhard-Karl) benannt. Vermutlich einer der Gründe, warum ausgerechnet diese beiden im großen Eingangsbereich stehen 😉

Das Rathaus

Beeindruckend ist auch der Atlas hinter dem Rathaus in der Haaggasse. Dieser ist vermutlich aus dem Jahr 1909, als das Rathaus seinen Anbau bekam. Jakob Brüllman war ein Schweizer Künstler, der vor allem in Stuttgart viele Bauplastiken hinterließ. Der Atlas ist in der griechischen Mythologie dazu verurteilt, die Last der Welt auf seinen Schultern zu tragen.

Diese Kunstwerke in Tübingen sind nur eine Auswahl meiner persönlichen Lieblingswerke. Wer sich mehr dafür interessiert – und es ist wirklich in jeder Ecke der Stadt etwas zu finden – kann sich auf Seiten hier oder hier unter den Stichworten „Veranstaltungen“, „Kultur“ und „Kunst im öffentlichen Raum“, informieren. 

Man könnte auch sagen: „Tübingen hat kein Museum, Tübingen ist ein Museum.“ Mit dem Unterschied, dass man in diesem Fall die Kunstwerke auch anfassen darf!

Fotos: Clara Solarek

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