Wenn der Name Claus Kleber fällt, dann wird ganz Tübingen hellhörig. So auch gestern, als der Journalist und Honorarprofessor der Medienwissenschaft zu Gast bei „SWR 1 Leute“ in der Alten Aula war.
Damit sich an einem ordinären Mittwochabend die Tübinger „Prominenz“ aus ihren warmen, mondänen Häusern begibt, sich in Schale wirft und dem kalten Novemberwetter trotzt, braucht es schon einen ganz besonderen Gast in der Alten Aula. Die dritte Livesendung von „SWR 1 Leute“, einem sehr exklusiven Format zu dessen Zuschauer man nur durch a) Möchtegern-Prominenz, b) Presseausweis oder c) zufälligem Ticket-Gewinn wird, bot den Gästen das Rundumwohlfühl-Paket durch die Teilnahme von Claus Kleber. Wenn der smarte Moderator des heute-journals spricht, dann kommen Universitätsbekanntheiten wie Direktor Prof. Dr. Bernd Engler oder auch der Medienwissenschaftsstar Prof. Dr. Bernhard Pörksen gern zum Zuhören.
Spätestens seit er Anfang 2015 zum Honorarprofessor der Eberhard Karls Universität ernannt wurde, wird Claus Kleber als Tübinger gehandelt. Für Hardcore-Schwaben bleibt er dennoch ein Neigschmeckter, da er ursprünglich in Reutlingen geboren und in der Region um Köln aufgewachsen ist. Als Sohn eines Luft- und Raumfahrttechnikers wollte er zunächst Pilot werden, um die ganzen fremden Orte, die er aufgrund fehlender Familienurlaube nur aus dem Fernsehen kannte, auf eigene Faust entdecken zu können. Dieser Traum scheiterte aufgrund einer Sehschwäche. Erst zum Jura-Studium kehrte er also in den Raum Tübingen zurück, um dort seine Studentenzeit zwischen Verbindung (AV Guestfalia) und Südwestfunk zu genießen.
Mr. Medienjunkie
Doch auf Tübingen und seine Jugendjahre zielten die Fragen von Moderatorin Nicole Köster nicht ab. Vielmehr ging es zunächst um die gescheiterten Koalitionsverhandlungen und wie eine Sendung darum entsteht. Dabei wurde auch auf den Begriff der Spiralmoderation eingegangen, nachdem Claus Kleber die Sendung am Sonntag, 19. November mit einem Vergleich zwischen dem abendlichen Tatort und den Gesprächen in Berlin anmoderiert hatte. Das war, bevor Christian Lindner sich aus den Verhandlungen verabschiedete. Um ihn sollte es auch noch – in einem anderen Kontext – im späteren Verlauf der Sendung gehen. Kleber selbst kommentierte seine Anmoderation augenzwinkernd als kunstvoll, nicht als spiral.
Claus Kleber beantwortete die Frage nach einem erhöhten Medienkonsum mit einem deutlichen Ja. Schließlich gehöre es zu seinem Job, ständig auf dem neusten Stand in diversen Politikfeldern zu sein. Dazu wird er gleich morgens vom Deutschlandfunk geweckt, an seinem Frühstückstisch liegen die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Rundschau schon bereit. Der Rest wird auf dem Weg zum nächsten Termin übers Tablet gecheckt. Das Master-Seminar in Tübingen hat er vollends im Zug vorbereitet, gibt Kleber mit einem Charme zu, der dazu führt, dass ihm sofort verziehen wird. Der Qualität seiner Lehre scheint dies keinen Abbruch zu tun. Seine Seminare sind voll und er erfreut sich unter Studierenden großer Beliebtheit. Denn wer nimmt nicht gerne Tipps vom Profi an?
Der weiße Ritter der Wahrheit
Während der einstündigen Sendung bricht Claus Kleber eine riesige Lanze für objektiven Qualitätsjournalismus. „Wir sind der Aufklärung von Fakten verpflichtet“, meint er und schließt auch unangenehme und ungeschönte Berichterstattung mit ein. Die „Sorgfalt im Detail“ sei wichtig und man müsse unterscheiden zwischen „was man weiß, was man glaubt und was man glaubt zu wissen“. Nur das wirkliche und überprüfte Wissen zählt am Ende für die Berichterstattung.
„Wir haben nicht die Aufgabe beliebt zu sein“, deshalb hat er auch die Teilnahme an der Wahl zum beliebtesten Fernsehmoderator abgelehnt. Dennoch kann auch ein Claus Kleber sich Fehler in der journalistischen Arbeitsweise eingestehen. Gerade im Bereich der Flüchtlingsströme 2015 nach Deutschland habe es das heute-journal zwar geschafft, rechtzeitig auch die kritischen Fragen zu stellen, dennoch haben die Bilder eine andere Sprache gesprochen. Er betont, dass ihm dies so das erste Mal passiert sei, dennoch wirft er sich in diesem Bereich Betriebsblindheit vor. Nach wie vor gilt für ihn aber die goldene Journalistenregel „Bild schlägt Text“.
Großes Interesse aus dem Publikum bestand auch an dem Thema der Einflussnahme durch die Politik an dem Programm und den gesendeten Inhalten des ZDF. Dabei ging es vor allem um die Besetzung des Fernsehrates und des ZDF-Verwaltungsrates, dem auch politische Persönlichkeiten angehören. Seit 2009 und der „Causa Brender“ ist die Einflussnahme von Parteien auf die Inhalte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens stark umstritten. Für Claus Kleber geht es nicht um die Positionen der Menschen, die in solchen Räten sitzen, sondern darum, was in ihren Köpfen vorgeht. Es sieht sie als Treuhänder der allgemeinen Öffentlichkeit und spielt mit dem Begriff public trust.
Fake News und Krawatten
An diesem Punkt kommt Christian Lindner wieder ins Spiel. Kleber ist scheinbar zum Krawattenmann des Jahres gekürt worden. Diesen Titel hat er vehement abgelehnt, da sich eine Werbekampagne dahinter verbirgt und er Krawatten allein als Teil der Kleiderordnung sieht. Dennoch ist die Nachricht online verbreitet worden und nun „ist das Gerücht schwer wieder aus dem Internet herauszubekommen“. Für ihn ein klassischer Fall von Fake-News. Dennoch sollen Krawatten die Sendung ein wenig auflockern und Kleber soll zusammen mit Zuschauern die Accessoires den jeweiligen Mode-Jahrzehnten zuordnen. Spontan kommentiert er ein besonders buntes und scheußliches Modell aus den 70er-Jahren mit den Worten: „Diese ist eindeutig das Modell ‚Christian Lindner macht Abitur‘“. Dabei zeigt er erneut seine Medienaffinität und verweist auf ein Video, das den 18-jährigen Lindner und seine damalige Weltanschauung amüsant wiedergibt. Nachdem er das Ratespiel semi-erfolgreich abgeschlossen hat, ist er sich sicher, dass die scheußlichen Modelle „morgen in der Landesschau zu sehen sind“.
Was bleibt
Wir wissen nach dem Abend, dass sich Claus Kleber nicht für Fußball interessiert. Und dass er den Negativ-Preis „Saure Gurke“ für ein Interview mit Maria Furtwängler bekommen hat. Da sei ihm „der Ton verrutscht“. Allerdings hat er daraus gelernt und die Redaktion versucht seither mehr Frauen für Experteninterviews auszuwählen. Außerdem sind wir sicher, dass Claus Kleber ein Mann ist, der sich in jeder Situation sicher und authentisch zu verkaufen weiß. Genau so ging es ihm auch nach Drehschluss der Sendung. Den Werbeblock für sein Buch „Rettet die Wahrheit“ platzierte er intelligent und wirkungsvoll, sodass die Zuschauer bei der anschließenden Signierstunde Schlange standen. Dennoch war es ein unterhaltsamer, lehrreicher und witziger Abend und Tübingen kann froh sein, so einen Profi als Aushängeschild der Medienwissenschaft an der Uni zu haben.
Fotos: Marko Knab.