Ehe für Alle: Ein Thema von gestern? Fehlanzeige! In der evangelischen Landeskirche Württemberg ist die kirchliche Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren immer noch verboten. Die studentische Initiative „Bunt fürs Leben“ aus Tübingen möchte das ändern.
Es ist ein höchst politisches Thema, für das sich Miri, Sarah und Charlotte einsetzen. Die drei Theologiestudentinnen sind Mitglieder der Initiative „Bunt fürs Leben“ und setzen sich für die kirchliche Trauung von homosexuellen Paaren ein. Das ist im pietistisch und konservativ geprägtem Schwabenländle immer noch ein sensibles Thema und alles andere als einfach. Schon nächste Woche soll auf der gesetzgebenden Versammlung der Kirchenleitung (aka Landessynode) über die „Trauung für Alle“ abgestimmt werden. Kupferblau hat sich mit den dreien getroffen, um mit ihnen über ihr kirchenpolitisches Engagement, Diskriminierung in der Kirche und ihr religiöse Motivation zu sprechen.
Wer seid ihr und was fordert ihr?
Miri: Wir nennen uns „Bunt fürs Leben“ und wir sind eine studentische Initiative aus Tübingen. Die meisten von uns sind Theologiestudierende, die auf Pfarramt studieren. Wir haben aber auch Lehramtsstudierende dabei sowie Leute, die kein Theologie studieren, aber sich der Landeskirche zugehörig fühlen. Wir fordern, dass auf der bevorstehenden Landessynode der Beschluss gefasst wird, dass die Trauung für gleichgeschlechtliche Paare jetzt auch kirchenrechtlich erlaubt wird.
Warum habt ihr euch gerade jetzt gegründet?
Charlotte: Da das Thema jetzt in die Synode kommt, wollten wir gegen all die Meinungen, die dagegen sind – und die man aus unserer Perspektive verstärkt hört – unsere Meinung verkünden, die sich eindeutig für die Trauung einsetzt.
Seit wann gibt es eure Initiative?
Miri: Am 1. November 2017 haben wir uns zum ersten Mal getroffen. Wir sind im engeren Kreis ungefähr 30 Leute, dazu kommen noch viele Unterstützende.
Im Juni 2017 beschloss der Bundestag bereits die „Ehe für alle“, die standesamtliche Trauung von homosexuellen Paaren, welche seit 1. Oktober in Kraft getreten ist. Wie ist denn die Lage bezüglich der kirchlichen Trauung bundesweit?
Sarah: Alle anderen Landeskirchen haben die Trauung für gleichgeschlechtliche Paare bereits eingeführt – die Landeskirche Württemberg ist die letzte, die noch nachziehen müsste. In anderen Landeskirchen ist es zum Beispiel für die Pfarrer und Pfarrerinnen möglich, individuell zu entscheiden, ob sie die gleichgeschlechtliche Trauung durchführen wollen oder nicht.
Gibt es denn in Württemberg schon Pfarrer oder Pfarrerinnen, die trotzdem gleichgeschlechtliche Paare trauen?
Miri: Ja, die gibt es auch hier in der Landeskirche auf jeden Fall, aber bisher ist es so, dass man dann mit dienstrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hat. Man bekommt dann eine Abmahnung.
Sarah: Ich möchte auch noch darauf eingehen, dass das ja nicht die einzige Form von Diskriminierung ist, die in der Kirche stattfindet. Wenn man sich outet, dann bekommt man gewisse Ämter nicht zugesprochen …
Miri: … Ja genau, es gibt zum Beispiel Gemeinden, bei denen es nach einem Outing schwierig ist, im Kirchengemeinderat noch angesehen zu werden. Und für schwule oder lesbische Pfarrer im Pfarrhaus ist es auch sehr schwierig, das geht für viele eigentlich auch nicht. Daran sieht man: Es gibt viele Bereiche, in denen noch strukturelle Diskriminierung vorhanden ist.
Bedeutet das, dass die Trauung für alle der erste Schritt ist und noch viel nachkommen muss, vor allem strukturell und auch in den Köpfen?
Charlotte: Ja, genau, vor allem in den Köpfen. Gerade in den einzelnen Gemeinden ist es mit einem Synodenbeschluss noch nicht getan. Uns ist völlig klar, dass das nicht alles durch eine Entscheidung von oben geht.
Was haltet ihr all denen entgegen, die der Meinung sind, dass die kirchliche Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren nicht von Gott erwünscht ist?
Miri: Für uns ist es ganz wichtig, dass die Bibel von Menschen aus einer anderen Zeit verfasst wurde. Man kann also nicht alles eins zu eins auf uns heute beziehen. Der Kernpunkt des Evangeliums ist für uns die Liebe Gottes zu uns Menschen. Gottes Liebe richtet sich nicht nach menschlichen Kategorien wie Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Hautfarbe, sondern, dass Gott eben nicht in diesen Kategorien denkt. Für ihn sind alle Menschen gleich. Oft wird angeführt, dass die kirchliche Trauung nur ein „Hinterherrennen des Zeitgeistes“ sei, dass die Kirche „hip“ sein wolle – das ist für uns definitiv nicht so. Für uns wäre die Trauung für alle eine Annäherung ans Evangelium, weil wir sagen, dass Gott da keine Unterschiede macht.
Sarah: Gegenüber den Leuten, die da andere Meinungen haben, ist es uns aber ganz wichtig, dass wir gesprächsbereit sind und gerne in Kontakt treten. Wir müssen deren Haltungen dazu natürlich akzeptieren, obwohl wir eine andere Meinung haben.
Ihr habt auch ein Thesenpapier verfasst. Was sind darin die Kernpunkte?
Sarah: Mir ist an dem Thesenpapier sehr wichtig, dass die Macht, jemandem den Segen zuzusprechen bei Gott und nicht bei den Pfarrern liegt. Die Pfarrer tun manchmal so, als könnten sie jemandem den Segen nicht zusprechen, dabei liegt es gar nicht an ihnen, sondern an Gott. (Die andern beiden nicken zustimmend.)
Charlotte: Außerdem glauben wir, dass Gott alle Menschen gleich liebt und allen positiven Formen von Partnerschaft seinen Segen schenken würde. Deswegen ist es an der Zeit, dass wir das auch kirchenrechtlich umsetzen.
Glaubt ihr, dass ihr mit eurer Forderung auch die Mehrheit der Landeskirchenmitglieder in Württemberg widerspiegelt?
Miri: Ich glaube es gibt ziemlich viele Leute, die noch Kirchenmitglieder sind, aber nicht regelmäßig in die Kirche gehen und sich immer weiter von dieser entfernen. Viele sagen: „Ich kann da nicht mehr länger mitgehen, das ist für mich Diskriminierung und widerspricht meinem Verständnis von Christentum“. Leute, die selbst homosexuell sind, oder Freunde von ihnen, würden sich bestimmt auch sehr über eine Trauung für Alle freuen. Natürlich gibt es auch Kerngemeinden, bei welchen die Grundstimmung eher eine andere ist …
Charlotte und Sarah: … gerade in Württemberg!
Miri: Das muss man vielleicht auch sagen, dass Württemberg in diesem Punkt sehr konservativ geprägt ist. Es gibt auf jeden Fall Gegenden hier, die mehrheitlich dagegen sind.
Sarah: Was ich auch sehr erstaunlich finde ist, dass es da keine Alterslücke gibt. Es ist nicht so, dass in unserem Alter weniger Leute dagegen sind als bei den Älteren.
Der Rektor vom Albrecht-Bengel-Haus, einem eher konservativen Wohnheim für Theologiestudierende in Tübingen, hat ebenfalls ein Positionspapier verfasst, in dem er die Trauung für Alle klar ablehnt. Das begründet er unter anderem dadurch, dass die Ehe eine „göttliche Ordnung“ sei, deren definierendes Merkmal die Gegengeschlechtlichkeit sei. Was sagt ihr dazu?
Miri: Die Ehe ist nicht von Gott eingesetzt. Das ist auch biblisch nicht begründet, die Ehe ist eigentlich eine Institution von Menschen. Unser Verständnis von Ehe ist viel, viel jünger als die Bibel.
In diesem Positionspapier steht auch geschrieben, dass eine Öffnung der Kirche für die Trauung für Alle eine Spaltung in zwei Lager zu Folge hätte.
Miri: Ich denke: Die Lager sind schon da. Es gibt momentan eine Vielfalt von Meinungen in der Landeskirche, diese sollte man auch in dem Sinne leben, dass es eben einen Kompromiss gibt: Man darf gleichgeschlechtliche Paare trauen, aber natürlich darf man auch niemanden dazu zwingen. Ich finde gerade in der Theologie ist es wichtig, dass es die Möglichkeit der Gewissensentscheidung gibt, da es viele unterschiedlichen Sichtweisen gibt. Wenn man es stattdessen verbietet, dann existiert die eine Hälfte von Menschen, die dafür sind, ja immer noch.
Sarah: Bei unserer Initiative war es uns immer wichtig, uns gegenseitig mit Respekt und Toleranz zu begegnen, auch vor Leuten, die eine ganz andere Haltung zum Thema haben.
Für viele Menschen, die nicht aus einem religiösen Kontext kommen, stellt sich wohl eher die Frage, warum darüber erst jetzt diskutiert beziehunsgweise immer noch diskutiert werden muss.
(Alle bejahen.) Sarah: Ja, das frage ich mich manchmal auch. Ich habe das Gefühl, wir sind noch das einzige Fleckchen Erde, wo es darüber tatsächlich noch eine heiße Diskussion gibt!
Charlotte: Zumindest in der Evangelischen Kirche Deutschland! In anderen Ländern ist es dagegen immer noch indiskutabel.
Die Synode der Landeskirche tagt vom 27.11. bis 30.11.2017 in Stuttgart. Wie wollt ihr dort auf euer Anliegen aufmerksam machen?
Miri: Wir werden die ganze Zeit vor Ort sein. Am Dienstag werden die Gesetzesvorschläge vorgelesen und am Mittwoch darüber abgestimmt. Wir verstehen uns als Initiative, die nochmal mit den Synodalen ins Gespräch kommen möchte, um ihnen darzulegen, was unsere Argumente sind. Unser Thesenpapier haben wir schon mit vielen Unterschriften an die Synodalen und an den Bischof geschickt. Zusätzlich haben wir noch eine Petition erarbeitet, die jeder unterschreiben kann, der in der Landeskirche Württemberg ist. Diese werden wir vor Ort überreichen. Außerdem werden wir Regenbogenkekse backen und verteilen!
Charlotte: Wir verstehen uns allerding nicht als Demo. Auch andere Bündnisse wie „Kirche und Homosexualität“ sind immer sehr darum bemüht, dass man auch ohne großes Ärgernis zu erregen eine Meinung ins Gespräch bringen kann. Unser System soll nicht Banner und laut irgendwelche Parolen rufen sein, sondern wir wollen einfach zeigen, dass es unsere Meinung gibt.
Was glaubt ihr denn, wie die Chancen für die Trauung für Alle stehen?
Miri: Rein rechnerisch wird es schwierig. Für die Abstimmung wird eine 2/3 Mehrheit benötigt. Die Mehrheit der Synodalen ist tendenziell dagegen.
Sarah: Ich war am Anfang der Initiative noch viel pessimistischer über den Ausgang der Synode. Mittlerweile wächst die Hoffnung, dass durch diese Diskussion sehr viel angeregt wurde. Zu mindestens haben wir mal gezeigt, dass es junge Leute gibt, insbesondere Theologiestudierende, die sich für eine Trauung für Alle einsetzen.
Was passiert denn nach der Synode mit euch?
Miri: Auch, wenn es jetzt nicht klappt mit der Trauung für Alle, sehen wir uns nicht als aufgelöst. Wir werden uns weiterhin solidarisch zeigen mit Leuten, die auch schon lange durch diese strukturelle Diskriminierung betroffen sind und sich dagegen einsetzen. „Bunt fürs Leben“ soll eine langfristige Initiative sein.
Sarah: Es ist auch schön zu sehen, wie viel positive Rückmeldung wir bekommen. Das hat motiviert uns sehr, weiter zu machen.
Charlotte: Unser Ziel ist eigentlich, dass möglichst viele Leute auf unsere Forderung aufmerksam werden und es gut finden, was wir machen.
Die Online Petition und das Thesenpapier von „Bunt fürs Leben“ findet ihr hier.
Interessierte können sich an die E-Mailadresse buntfuersleben[at]googlegroups.com wenden.
Fotos: Felix Müller