Ein erfolgreiches Uni-Semester ohne Laptop? Die meisten meiner Freunde und Kommilitonen haben mich nur kopfschüttelnd angesehen. „Ich könnte das nicht“. Dachte ich eigentlich auch. Es geht aber doch. Wie ich das überstanden habe, und was ich in meinen 15 Wochen als Laptoplose gelernt habe, kannst du hier lesen.
Meine Freundin Paula umklammert ihren Laptop fest mit beiden Händen. „Mein Laptop ist mein Baby, ohne ihn könnte ich überhaupt nichts machen – da ist einfach alles drauf.“ Wir schlendern von unserer wohlverdienten Kaffeepause zurück an die Arbeit und durch „die längste Telefonzelle der Welt“. Genau so, vielleicht sogar noch ein bisschen dramatischer, dachte ich auch mal, vor langer langer Zeit, so kommt es mir jetzt vor. Genauer an einem Donnerstagabend Anfang Oktober 2017.
Meine Panikattacke war mit der Gewissheit einem Heulkrampf gewichen und ich war in meiner, für die Länge eines Praktikums, Berliner Zwischenmiete hin und her, in die Küche und zurück, und im Kreis gerannt. Mein alter Laptop hatte tatsächlich den Geist aufgegeben. Das kann doch nicht wahr sein! Ich hasse Technik, wenn sie nicht funktioniert. Dass dieser Abend Anfang Oktober den Beginn eines (fast) kompletten Uni-Semesters (das zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal begonnen hatte) ohne Laptop markierte, hätte ich mir nicht träumen lassen. Ich bin da als notorischer Nicht-Technik-Freak und gerade mal wieder am Geldlimit kratzend, sagen wir mal, so reingerutscht. Und so kommt es also, dass, als Paula, wie ich das sonst auch immer gemacht hatte, sich mit ihrem Laptop in den Tiefen des Ammerbaus vergräbt, ich direkt nach dem Überqueren der Ammer links abbiege: ab in den PC-Pool, der den Wissensergüssen meines fünften Semesters eine Heimat gibt. In dieser Zeit, vier Monate, ohne Laptop habe ich so einiges gelernt.
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Leben ohne Laptop – es geht.
Ja, ich bin jetzt gelassener. Zugegeben, das könnte an der Prägung durch meine meditierenden Freunde liegen. Ich akzeptiere die Tatsache, dass mein Laptop (so ist das Leben) kaputt gegangen ist, die Panik weicht aus dem Bauch und ich gebe mich meinem Schicksal hin. Und merke plötzlich: alles nicht so schlimm. Mit den Rechnern in der Bibliothek gibt es einen Ort, an welchem man arbeiten kann, kurze Rechercheaufgaben erledigt das Handy, ich habe Freunde mit Laptops und abends nicht noch drei Stunden vor dem Bildschirm zu Gammeln gibt Raum für andere Beschäftigungen.
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Eine 20-Seiten-Hausarbeit geht auch.
Selbst Großprojekte wie Hausarbeiten sind locker zu schaffen. Mit GoogleDocs und Dropbox bin ich geräteunabhängig und arbeite im Grunde nicht anders als mit Laptop auch. Nur vielleicht, dass ich mich an eine andere Tastatur gewöhnen muss, wenn ich von den großen Klick-Klick-Tasten der PC-Pool-Computer zum Macbook einer Freundin springe, das sie mir in der letzten Woche vor der Abgabe ausleiht, weil ich dringend einen Raumwechsel brauche. Und das bringt mich auch schon zum nächsten Punkt.
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Leute sind netter zu mir.
Ich glaube, viele Leute haben Mitleid mit mir. Mir war etwas so abartig Fürchterliches und Unvorstellbares wiederfahren, da tut jeder, was er kann, um mir das Leben leichter zu machen. Ich bekomme das teure Mac-Book einer Freundin für eine komplette Woche ausgeliehen, habe bei allen Kochabenden Shotgun auf den Laptop derjenigen Person, in deren WG wir uns befinden, und mein Mitbewohner holt mir seinen alten Laptop aus dem Elternhaus. Der stürzt zwar schneller ab als ich „Danke“ schreiben kann – aber die Geste zählt.
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Ich teile mir meine Zeit ein, und das ist gut so.
Ich komme morgens oder zwischen den Vorlesungen in mein Großraumbüro, den PC-Pool, und gehe abends wieder. Wenn mich danach eine Nachricht erreicht: „sorry, kannst du mal noch kurz…“, sage ich: „sorry, ich kann jetzt nicht noch kurz“ und muss nicht mal lügen. Ich mache mir nicht mehr den Stress und hechte mich nachts noch „kurz“ an den Laptop um irgendwas total Wichtiges zu tun. Feierabend ist Feierabend.
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Ich arbeite effizienter.
Wenn ich an einem Rechner im PC-Pool sitze, dann arbeite ich auch. Das will schon allein die soziale Kontrolle. Die Bildschirme sind so riesig, dass auch der Streber zwei Reihen hinter mir noch erkennen kann, wenn ich nicht zielstrebig an meinem Essay weiter arbeite. Und selbst, wenn der PC-Pool für die paar Monate okay war… so angenehm, als dass ich meine Zeit darin verplempern würde, ist er dann auch wieder nicht.
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Ich gehe öfter kurz bei Freunden vorbei.
Wenn mir außerhalb der Öffnungszeiten der Bib doch spontan noch was einfällt, was ich erledigen müsste, schneie ich kurz bei einem Freund vorbei. Bewerbung abgeschickt, noch ein Glas Wein – was könnte schöner sein.
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Ich verbringe meine Abende mit Marx.
Klischee, aber wirklich so passiert. Meine Abende zu Hause ohne Laptop verbringe ich mit Marx, Foucault, Hesse und Böll. Und statt vor dem Schlafengehen noch Nachrichten oder eine Serie zu schauen, habe ich angefangen Podcasts zu hören. Das werde ich auch nicht wieder aufhören.
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Ich lerne neue Leute kennen.
Tatsächlich, mit dem PC-Pool habe ich mir einen neuen Lebensraum erschlossen. Hier sind Leute, die ich während meiner bisherigen Bib-Karriere noch nie gesehen hatte. Der Verpeilte, der seinen Laptop am Morgen schlaftrunken zu Hause vergessen hatte; der Beschäftigte, der nur kurz zwischen zwei Vorlesungen ein Dokument skim-liest und ausdruckt; und die Oma, die noch nie in ihrem Leben einen Laptop besaß und vermutlich auch keinen mehr besitzen wird, aber trotzdem ganz flink an den Emails hantiert. Und dann, ich habe es selbst fast nicht geglaubt, habe ich ganz manchmal auch bekannte Gesichter getroffen. „Was, du hier?“, ein erstaunter Blick ins Gesicht und ein beschämter auf den Boden.
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Ich kenne mich jetzt besser mit Laptops aus.
Vier Monate sind eine lange Zeit. Während ich meinen Status als Laptoplose einige Wochen tatsächlich verdrängen kann, war mir doch klar, dass diese Existenz am Rande der Gesellschaft kein Dauerzustand sein kann. Und so musste ich mich damit auseinandersetzen, welchen Laptop ich als nächstes mein Eigen nennen wollte. Welcher Prozessor was kann, welche Festplatte Sinn macht und wie viel Arbeitsspeicher ich benötige, davon hatte ich zuvor keine Ahnung. Jetzt auch nicht so wirklich, aber zumindest ein bisschen mehr. Und so habe ich – ganz allein, und ich bin mächtig stolz – meinen neuen Laptop gefunden. Und voilà, das ist er, der erste Text auf meinem neuen Laptop. Ich bin wieder resozialisiert. Auf viele tolle Jahre, mein Baby.
Foto: Lisa Becke