Wir Studierenden wissen: Jeder Mensch ist einzigartig. Jedoch scheinen sich in Extremsituationen aus den vielen Subjekten typische Muster herauszubilden und jeder Studierende ab dem zweiten Semester wird mir zustimmen: Wir sind Objekte der Klausurenphase. Dam-dam-daaaaaam!
Diese zu jedem Ende des Semesters stattfindende und (zumindest bis die Hausarbeiten ins Bewusstsein rücken) in zügellose Festivitäten ausklingende Phase der vergleichenden Leistungsabfrage weckt in uns Studierenden das Allerschlimmste. Nämlich die folgenden fünf Typen, denen wir während dieser Zeit auf den Straßen Tübingens, in den Unigebäuden und WGs entgegentreten müssen.
Typ 1: Der Organisierte
Für ihn kommt die Klausurenphase nicht überraschend, sondern ist im perfekt geführten Jahresplaner schon im Voraus eingetragen und mit Lernfristen belegt. Parallel zum Semester wird sowieso schon penibel der Lernaufschrieb immer weiter ergänzt. So sitzen sie dann zwischen den Seminaren in Bergen von Karteikarten und seitenweise Aufschrieben vor den Zimmern und pauken, pauken, pauken. Jede Pause ist durchgetaktet, bei Treffen mit Freunden fällt der Blick immer wieder auf den vorrückenden Sekundenzeiger und die Seminarlektüre ist vor lauter Post-Its doppelt so dick als eh schon. Am Ende steht dann natürlich ein makelloses Klausurergebnis fest, allerdings ist der Schritt ins normale soziale Leben vor allem über die Ferien nicht gerade einfach. Doch – zum Glück – ist bald schon die Lektüreliste zur Vorbereitung für das nächste Semester in ILIAS hochgeladen. Gerettet!
Typ 2: Der Bib-Bewohner
Mit mehr eingetupperten Konserven im Rucksack als auf einer Antarktisexpedition nötig, steht der Bib-Bewohner bewaffnet mit einem durchsichtigen Bibbag voller Bücher pünktlich zum Beginn der Öffnungszeit vor der UB. Der Lernraum ist schon seit langem gebucht oder das Handtuch am Coworking Space platziert. Und in der Bib bleiben sie dann auch gefühlt bis zum bitteren Ende, einzig unterbrochen von kurzen Kaffee- oder Kippenpausen. Man munkelt, dass sich manche dieser Gruppe nachts einschließen lassen, um auch außerhalb der Öffnungszeiten weiter in der Bib bleiben zu können. Wichtig ist, den Bib-Bewohner nicht mit seinem bösen Zwilling zu verwechseln, welcher sich nur für das gute Gefühl in der Bib befindet, ganztägig Serien schaut und verstärkt in der Cafeteria zu finden ist. Er hofft, dass die reine Präsenz in den Hallen des Wissens ihn für die Klausur vorbereitet – und postet davon stündlich eine Insta-Story, damit es auch alle mitbekommen #biblife #astudentslife #hardworking. Auf jeden Fall ist es bei beiden schwer, sie während der Klausurenphase überhaupt noch außerhalb der UB anzutreffen.
Typ 3: Der Entspannte, das Nervenbündel
Manchmal ist nicht ganz klar, ob der Entspannte überhaupt weiß, dass Klausurenphase ist. Für diesen Typus scheint das Leben einfach so weiterzugehen, als hätte sich nichts geändert. Während andere hektisch nach Büchern suchen, Aufschriebe anfertigen und Stressfuttern betreiben, geht er weiter ruhig durch die Welt. Geht weiter in Bars feiern, ins Kino oder tagsüber ausgiebig brunchen. Einfach so. Bis, ja bis dann kurz vor den Prüfungen aus dem Entspannten ein Nervenbündel wird. Ohne Vorwarnung. Genau diese Person fragt kurz vor und nach den Klausuren nach dem unmöglichsten Zeug, was letztendlich nur zu noch größerer Verwirrung und Panik führt. „Ich glaube bei Aufgabe 3 ist doch Antwort B richtig, oder?“ Vorsichtshalber liegen immer Papiertaschentücher griffbereit, außerdem wird das Thema Klausuren aus den Gesprächen im Freundeskreis gestrichen. Auf dem Höhepunkt des Dramas äußert er dann des Öfteren, sich zu exmatrikulieren. Das mit dem Studium mache sowieso keinen Sinn. Nur um dann am Ende freudig strahlend die 1,0 mit dem Satz: „Damit hätte ich gar nicht gerechnet. Dabei habe ich so wenig gelernt!“ herumzuzeigen.
Typ 4: Der Lerngruppengründer
„Gemeinsam ist man stark!“ ist das Motto des Lerngruppengründers. Und um noch gemeinsamer zu sein, hat er gleich gefühlt zwanzig davon zur Hand. Außerdem ist geteiltes Leid, halbes Leid. Anstatt von Seminar zu Seminar pendelt er von Gruppe zu Gruppe, die sich über den ganzen Campus verteilt (aber vorrangig in der Nähe von Cafeterien) treffen. Das Arbeitspensum schwankt dabei zwischen gemeinsamem Extremlernen und gemeinsamem Extremkaffeeklatsch. Doch Vorsicht: Nicht jeder Lerngruppengründer hat das gemeinsame Wohl und eine entspannte und fruchtbare Lernatmosphäre zum Ziel! Wir warnen vor „ dem Geierer“, der das ganze Semester nie mitgeschrieben hat und jetzt von den anderen profitieren will. Markenzeichen: Immer unvorbereitet, immer dumme Fragen, immer der Wunsch nach den Aufschrieben der anderen, um ein gemeinsames Dokument zu erstellen. Wenn zwei der drei Punkte eintreffen: Flieht, ihr Narren! Richtig eingesetzt ist so eine Lerngruppe allerdings äußerst hilfreich – vor allem bei komplexen Themen – und hält den sozialen Kontaktverlust über die Klausurenphase möglichst gering. Feierabendbier inklusive.
Typ 5: Der Prokrastinator
Diesen Punkt habe ich mir bis zum Ende aufgeschoben…äh aufgehoben! Der Prokrastinator findet sich während der Klausurenphase in den für das Erreichen des eigentlichen Ziels unmöglichsten Situationen wieder. Vorrangig ist das Putzen. Zufälligerweise füllt sich der WG-Putzplan immer zu genau diesem Zeitpunkt gefährlich und um das gute Klima aufrechtzuerhalten (ist ja auch wichtig fürs Lernen), wird natürlich erst einmal geputzt und aufgeräumt. Auffällig wird es dann nur, wenn man die Zwischenräume der Heizung mit der Zahnbürste zu putzen anfängt, das gesamte Zimmer umräumt, Wände streicht, den Fußboden austauscht…ihr kennt das. Nach diesem anstrengenden Programm muss dann erst mit ein bis allen Staffeln der aktuellen Lieblingsserie entspannt werden. Ein „Morgen fange ich dann an“, das ewige Mantra. Montag ist aber eh ein viel besserer Tag zum Anfangen, so als Beginn der neuen Woche. Oder die Woche drauf, gerade Kalenderwochen geben mir immer besseren Schwung. Bis dann kurz vor den Klausuren mit Mut zur Lücke Bulimie-Lernen die letzte Option ist. Nach dem Artikelschreiben fange ich dann auch sofort an, versprochen! Aber erst muss ich noch den Müll runterbringen.
Titelbild: Felix Müller.