Am Montag, den 12.11 lud das Forum Scientiarum zusammen mit CIN im Rahmen des CIN Dialogues zu einem Interdisziplinären Gespräch zwischen Strafrechtler und Kriminologe Prof. Dr. Lorenz Böllinger und dem Mediziner und Suchtexperten Prof. Dr. Rainer Thomasius. Moderiert wurde die Diskussionsrunde „Cannabis – Haben wir ein Recht auf Rausch? Drogenpolitik zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ von Wissenschaftsjournalist Gábor Paál.
Der weltweite Konsum von Cannabis wächst. Ebenso steigt aber auch der Anteil von THC, die Droge wird „härter“. Der Trend geht zu einer Entkriminalisierung oder sogar zu einer Legalisierung wie zuletzt in Kanada. Auch in Deutschland stellen einige Oppositionsparteien Anträge im Bundestag für eine Liberalisierung der Drogenpolitik vor allem im Bezug auf Cannabis.
Eine Droge der Angst
Bei einer Umfrage meldeten sich zu Beginn des Dialogs etwa 4/5 der Personen im Audimax für eine Liberalisierung der aktuellen Drogenpolitik. Ein schwereres Publikum für Prof. Dr. Rainer Thomasius, den Leiter des Bereichs Suchtstörungen an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Dieser kann sich „mit einer Liberalisierung von Cannabis überhaupt nicht anfreunden“ und macht gleich zu Beginn klar „Cannabissucht ist eine schwere Sucht“. Wobei, so Thomasius weiter, das „Suchtrisiko eines der kleinsten Übel“ sei. Viel schwerwiegender seien für ihn die psychischen Folgeschäden, wie Angst, Depressionen und Psychosen für die er auch zahlreiche Beispiele in seiner Arbeit als Kinder- und Jugendpsychiater hat.
Auch sein Gesprächspartner Prof. Dr. Lorenz Böllinger, den Sprecher des Schildower Kreises, einem Experten-Netzwerk für die Legalisierung von Drogen stimmt überein, dass Cannabis abhängig machen kann. Er sieht allerdings die „Ursachen dafür in der Drogenpolitik“, dass so viele Menschen Abhängig von Cannabis sind. Böllinger merkt an, es gebe weltweit trotz erhöhten Cannabis Konsums keinen Anstieg von Psychosen. Das Strafrecht habe keinen Einfluss auf den Konsum. Die Illegalität verhindere seiner Meinung nach viel mehr einen sinnvollen Konsum und eine sinnvolle Prävention, die „viel zu wenig“ Aufmerksamkeit bekomme. Von den 5 Mrd. €, die jährlich für die Drogenpolitik ausgegeben werden, gehen 80% in die Strafverfolgung und „Angst ist eine schlechte Voraussetzung“ für sinnvolle Aufklärung, so der Strafrechtler.
Alles soll bleiben wie es ist, oder?
Während Thomasius die aktuelle Drogenpolitik in Deutschland für richtig hält, entgegnet Böllinger, dass das Strafrecht keine Auswirkung auf den Konsum hat. Bei den Zahlen waren sich die beiden Professoren, wie in vielen Punkten, uneinig. Während Thomasius auf Daten verweist, nach denen der Cannabiskonsum in Deutschland im europäischen Vergleich sehr gering sei, meint Böllinger, „der Konsum hier ist genau so hoch wie in Holland“. Seiner Meinung nach ist „die Droge längst in der Gesellschaft angekommen“ und jeder weiß, wie man an die Droge kommt.
Es besteht Handlungsbedarf
In Deutschland gibt es jährlich 176.000 Festnahmen wegen Cannabis, dies sieht Strafrechtler Böllinger als ausreichenden Handlungsdruck. Man könne nicht wie von Thomasius vorgeschlagen die nächsten fünf Jahre abwarten und schauen was in Kanada passiert.
Eine kontrollierte Abgabe würde auch den Wirkstoffgehalt besser überprüfbar machen, als in der Illegalität. Er stellt sich einen strafrechtlich kontrollierten Markt mit „Beipackzettel“ vor. Thomasius entgegnete, dass Cannabis auch mit „Beipackzettel“ schädlich sei.
Wer schlau ist kann sich kiffen leisten
Der Konsum von Cannabis führt nach 3 Jahren zu einem Verlust von 10 IQ-Punkten so Thomasius. Dies sei bei Studierenden, die mit 130 starten und bei 120 enden noch verkraftbar, aber man stelle sich einmal Leute vor, die mit 90 anfangen und bei 80 rauskommen. „Man muss die die Gesellschaft davor schützen“, so Thomasius weiter. Ein effektiver Jugendschutz ist mit einer Legalisierung nicht vereinbar. Der Strafrechtler Böllinger blieb bei seiner Meinung, dass ein vernünftiger Konsum möglich sei und eine Liberalisierung der Drogenpolitik ein notwendiger Schritt ist.
So war man sich am Ende einig, dass man sich absolut nicht einig ist. Und auch nach der Veranstaltung blieb das Diskussionspotenzial bei den Interessierten hoch.
Fotos: Forum Scientiarum