Ein Tag in der Seifenmanufaktur

Wer das Abitur hat, muss einfach studieren? Handwerksbetriebe finden immer weniger Auszubildende, weil viele so denken. Dass ein Beruf im Handwerk aber ganz schön viele Seiten hat, findet man vielleicht erst heraus, wenn man es einmal ausprobiert. Unsere Redakteurin hat einen Nachmittag im Lagerhaus an der Lauter in Gomadingen verbracht und hinter die Kulissen einer Seifenmanufaktur geschaut. 

Ein alter Beruf erfährt neuen Aufschwung

Sie duftet und schäumt, ist mal flüssig, mal fest, und entfernt fast jeden Schmutz – die Rede ist von Seife. „Dass Seife seit einigen Jahren nicht nur industriell, sondern zunehmend handwerklich hergestellt wird, hat mit einem gestiegenen Gesundheitsbewusstsein und der Nachfrage nach Naturprodukten zu tun“, erklärt Chris Koch. Selbstgemachte Seife liege wieder im Trend, den kleinen Seifenmanufakturen gehe es gut, erklärt die Seifenmacherin. Ein Aufschwung für ein Handwerk, dessen Technik in seinen Grundzügen bereits vor 4500 Jahren auf einer Tontafel verewigt wurde – so alt ist das erste Seifenrezept der Sumerer.

Chris Koch ist Seifensiederin in der Seifenmanufaktur im Lagerhaus an der Lauter. Sie empfängt mich in ihrer holzgetäfelten Werkstatt, die Verkaufsraum und offene Produktionsstätte in Einem ist. Hübsch verpackte Seifenstücke aller Formen und Farben stapeln sich auf kleinen Tischen, es duftet süßlich. Eine Besuchergruppe drängelt sich um die Seifenstrangpresse, in der Mitte steht Chris Koch und erklärt das Kaltsiedeverfahren – das will ich verstehen, bevor ich meine eigene Seife herstelle.

Chris Koch stellt seit 25 Jahren leidenschaftlich Seife her. In die Seifenmanufaktur ist sie damals aber durch einen Zufall gekommen.

Wie wird Seife hergestellt?

„Um Seife herzustellen, braucht man erstmal Natronlauge und Fett“, erklärt die Fachfrau. Kaltsiedeverfahren nennt sich diese Technik, die im Grunde genommen gar nicht kalt ist. Denn zunächst werden Fette und Öle (Kokosfett, Olivenöl, Kakaobutter) in großen Edelstahltöpfen geschmolzen, anschließend wird Natronlauge erhitzt und untergerührt. „Sobald die Lauge ins Fett kommt, darf ich nicht mehr aufhören zu rühren. Sonst wird’s grießig“, erklärt Koch. Dieser Produktionsschritt findet nicht in der offenen Produktion im Lagerhaus, sondern in einer Seifensiederei in der Nähe statt. Zu aufwendig, zu gesundheitsschädigend ist die Prozedur. „Auf Mittelaltermärkten mache ich das noch selbst, da siede ich den ganzen Tag und trage dabei Kostüm“, sagt Chris Koch und lacht.

Nach einer halben Stunde des kräftigen Rührens beginnt die Verseifung, das ist die Veresterung der Fettsäureschichten. Zunächst wird die Masse breiig, dann sieht sie aus wie glatter Pudding. In Form gegossen ruht sie anschließend 24 Stunden (Restverseifung), bis die Seife zerkleinert und in Pellets-Form wieder ins Lagerhaus geschickt wird. Komplett fertig ist sie dann noch nicht. „Jetzt kommt erst die eigentliche Pflege dazu“, erklärt die Seifenmacherin. Sie gibt wohlriechende Öle und Düfte (zum Beispiel Avocado- und Mandelöle) hinzu und presst die Zutaten mitsamt den Seifen-Pellets durch die Seifenstrangpresse – natürlich in schöner Form (Herzchen, Viereck, Frucht, Quadrat). Fertig ist die Naturseife, die anschließend von Besuchern in kleine Seifenstücke geschnitten werden darf.

In Pellets-Form kommt die kleingeschnitten Seife wieder ins Lagerhaus. Dort wird sie gemeinsam mit Ölen und Naturfarben in die Seifenstrangpresse gegeben.

Glitzer-Seife selbst gemacht

Nun darf ich selbst Seife produzieren, allerdings nicht mit Natronlauge und Fett mit Kaltsiedeverfahren, sondern mit Glycerin. Ein einfaches Verfahren zur Seifenherstellung, prima zu Hause nachahmbar, das im Lagerhaus vor allem bei Kindergeburtstagen und Jungesellinnen-Abschieden zum Einsatz kommt. Dafür erhitze ich Glycerinplatten (gibt es in Bastelläden) auf 70 Grad, und befülle kleine Eiswürfelformen mit Mohn, Ölen, Blumenstückchen, Glitzer und zerkleinerten Wachsmalstiften. Das flüssig gewordene Glycerin gieße ich in die Form, warte 45 Minuten und fertig sind die kleinen Seifenstückchen. Der Kreativität sind hier natürlich keine Grenzen gesetzt. Chris Koch hat selbst schon Erdbeeren und blaue Sterne hergestellt.

Die Seifenherstellung mit Glycerin lässt sich auch einfach zu Hause nachmachen – der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt.

Kein Ausbildungsberuf

Für die Seifenherstellung mit Glycerin braucht es wahrlich keine Berufsausbildung, aber wie sieht es beim Kaltsiedeverfahren aus? „Der Beruf des Seifensieders ist in Deutschland kein offizieller Ausbildungsberuf“, erklärt Koch, „da rutscht man so rein“. Die Seifensiederin kam über Freunde ihrer Tochter in die Seifenmanufaktur, eigentlich ist sie gelernte Industriekauffrau.  „Als ich das erste Mal auf dem Mittelaltermarkt Seife gesiedet habe, dachte ich noch ,never ever, das ist nicht meine Welt‘, später habe ich dann aber die Liebe dazu entdeckt“. Einen langweiligen Arbeitsalltag gibt es ebenfalls nicht, er liegt irgendwo zwischen Mittelaltermärkten, Seifenherstellung und Kindergeburtstagen.

Direkt nach der Schule steigen wohl die Wenigsten in den Beruf des Seifensieders ein, ein Ausflug in die Manufaktur lohnt sich aber in jedem Fall.  So verlasse ich mit zwei Tütchen meiner Glycerin Seife das Lagerhaus an der Lauter.

Naturseifen in allen Farben und Formen, im Lagerhaus zum Verkauf angeboten.

Auch in der Bäckerei Wörner haben wir schon einen Tag hinter die Kulissen geschaut und miterlebt, wie Brote, Brezeln und Süßgebäck eigentlich gebacken werden. 

Fotos: Friederike Streib

 

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