Alle Wege führen zum Öko-Idealismus?

Zwischen Greta und dem Klimapaket liegen Welten. Aber die Klimakrise geht die ganze Welt etwas an. Nur gemeinsam kann sie überwunden werden. Doch was tun mit dieser Diskrepanz? Warum fällt es bei all den Fragen nach dem großen globalen „Wie?“ so schwer, das Handeln im Kleinen noch richtig wahrzunehmen?

Ein Kommentar zum Vortrag: „Global denken, lokal handeln“, der im Zuge der Blochwoche am vergangenen Mittwoch im Zimmertheater stattfand.

Greta Thunberg blickt die kleine Zuschauerrunde im Zimmertheater von der Leinwand aus mit scharfem Blick an. Im Ted-Talk von 2018 spricht sie davon, dass wir mit rapiden Maßnahmen handeln müssen – sofort. Sonst gibt es keinen Ausweg aus der bevorstehenden Klimakrise. Entweder überlebt die Zivilisation oder nicht – schwarz oder weiß. Wenn man ihr zuhört, die Proteste von Fridays for Future oder Extinction Rebellion beobachtet, scheint die Apokalypse bereits an der nächsten Straßenecke zu warten.

Fridays for Future sorgt weltweit mit Protesten dafür, dass man dem Thema Klimaschutz kaum noch entkommen kann.

Das Gefühl schleicht sich ein, dass die Klimakrise nur noch durch radikale Veränderungen und Öko-Idealismus zu verhindern ist. Gleichzeitig erscheint ein Tweet von Donald Trump auf dem Smartphone, in dem er sich die Klimaerwärmung wünscht, weil es ihm echt zu kalt ist..  Damit verabschiedet sich die Hoffnung, das Problem gemeinsam und global überhaupt noch lösen zu können. Doch zwischen diesen Polen steht noch ein Spieler, irgendwo zwischen Schwarz und Weiß: Kommunen, Organisationen, einzelne Menschen, die lokal handeln. Sie gehen oft unter in der globalen Diskussion. Ihre Taten werden als zu klein und im großen Bild als unwirksam wahrgenommen. Und so wirkten auch Tübingens Ziele und Errungenschaften, die Bernd Schott von der Stadt (Stabstelle Umwelt- und Klimaschutz) bei seinem Vortrag im Zuge der „Ernst und Karola Bloch“ Woche vorstellte, im Angesicht von Gretas Rede ein wenig ohnmächtig. Was nützt es schon, wenn das kleine Tübingen klimaneutral wird, während sich die Bundesregierung für ein Klimapaket auf die Schultern klopft, das mehr schlecht als recht ist?

Kleine Stadt mit großen Zielen

Unter dem Motto „Tübingen macht blau“ will man dem Klimaschutz mit Veränderungen im Energie- und Wärmesektor, der Infrastruktur und  in der Gebäudesanierung entgegentreten – das Problem so selbst in die Hand nehmen. Die CO2-Emissionen konnte man in den letzten 10 Jahren um fast ein Drittel verringern. Bis 2030 will Tübingen es schaffen, klimaneutral zu werden. Zu diesem Ziel gibt es zwar Ideen, wirklich konkrete Pläne und mutige Zukunftsvisionen bleiben aber aus. Die Stadt will erstmal energisch so weiter machen wie bisher, die CO2-Werte mit bewährten Methoden weiter senken. Eigentlich kein schlechter Plan, ist der erste Gedanke. Aber dann taucht da auch schon wieder Greta im Hinterkopf auf, die man bei jeder kleinen Bemühung für das Klima lautstark sagen hört „That’s not enough!“.

Bernd  Schott ist überzeugt, dass man das Thema Klimaschutz als Kommune selbst angehen und zum Mitmachen motivieren muss. Er ist der Meinung: „Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung wird uns im Klimaschutz keine Rückendeckung geben. Eher im Gegenteil.“

Aber ist es wirklich nicht genug? Kann man überhaupt noch genug für den Klimaschutz tun? Es wird jedenfalls immer schwieriger. Klar ist: Die polarisierende Klimadebatte auf globaler Ebene führt dazu, dass lokale Errungenschaften, mehr Fahrradwege und vegetarische Lasagne im Rathaus als unwirksamer wahrgenommen werden, als sie sind und vieles nicht radikal genug erscheint. Der Raum für einen Mittelweg zwischen Öko-Idealismus und Realismus schwindet. Das Grau zwischen Schwarz und Weiß, der Kompromiss, der wichtiger Lebensbestandteil unserer Demokratie ist, wird fast unmöglich. Zu groß wird der Graben zwischen den Meinungen.

„Niemand ist zu klein für einen Unterschied“

Ein bisschen mehr Geduld und Einigungswillen von der einen und ein bisschen mehr Mut und Vision von der anderen Seite würden der Debatte gut tun. Dann würden kleine Schritte vielleicht ein bisschen mehr Anerkennung finden und zu größeren Sprüngen ermutigen. Beim Blick aufs große Ganze sollte nicht vergessen werden, dass „Etwas“ mehr als „Nichts“ ist und nicht jeder alles schaffen muss und kann. Vielleicht scheinen dann auch Tübingen und seine Klimaschutzaktionen neben Gretas Reden nicht mehr so klein und andere Wege neben dem Öko-Idealismus möglich, um etwas zu verändern. Was Greta wohl zu Tübingen und seinem Klimaschutz sagen würde? Vielleicht genau das, was sie 2018 bei der Klimakonferenz in Kattowitz sagte, nämlich, „dass man nie zu klein dafür ist, einen Unterschied zu machen.“

Fotos: Friederike Streib, Daniel Böckle, Thomas Dinges

 

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