24 internationale Studierende treffen auf 24 Tübinger*innen: Da ist Rummel vorprogrammiert. Unser Autor hat sich auf das Buddy-Programm, organisiert von International & European Studies, eingelassen und berichtet von seinen Erfahrungen. Eine Reportage über Kulinarisches und Kulturelles, sowie schwäbische Eigenheiten.

Tübingen ist eine sehr internationale Stadt und damit eher eine Ausnahme im Schwabenländle, wo man sonst doch eher skeptisch gegenüber „Neigschmeckten“ ist. Um Menschen aus aller Welt den Start in Tübingen zu erleichtern, hat das IES ein Programm organisiert, das es internationalen Studierenden ermöglichen soll, Tübingen mit „Locals“ kennenzulernen. Ich selbst war über zwei Freunde auf das Angebot aufmerksam geworden und beschloss, zusammen mit ihnen daran teilzunehmen.

Das Buddy-Programm

Die Idee des Programms, das drei bis vier Mal im Jahr angeboten wird, ist simpel: Studierende aus der ganzen Welt kommen für einen Monat ins schöne Tübingen, um an Seminaren und Deutschkursen teilzunehmen und nebenbei die Stadt zu entdecken. Ein Schnupperkurs Deutschland sozusagen, der auch Ausflüge zum Bundestag, dem EU-Parlament in Straßburg oder einer deutschen Backstube einschließt. Tübinger Studierende werden den Internationalen als Buddies zugeordnet und erleben mit ihnen die großen und kleinen Schwierigkeiten des ungewohnten Alltags in einer neuen Umgebung.

Die internationalen Studierenden reisten im Rahmen des Programms nach Berlin, Straßburg und in die Alpen.

Als meine Bewerbung also angenommen wurde bekam ich zwei Wochen vor Beginn des Programms die Kontaktdaten von Shengfeng aus China. Als die Internationalen dann Anfang Januar in Tübingen ankamen, erzählte mein Buddy mir, sie studiere Wirtschaft. Mit zwei riesigen Koffern war Shengfeng – die bald nur noch Sara genannt wurde – in Tübingen angekommen und richtete sich in einem Wohnheim auf der Wanne ein.

Gleich von Beginn an hatten wir Tübinger*innen eine gute Zeit mit den internationalen Studierenden: Als wir auf der Suche nach etwas zu Essen ein gutes Stück durch die Stadt gelaufen waren, wurde ich gefragt, warum es denn in hier keine ‚Subway‘ gäbe. Etwas verdutzt antwortete ich, dass doch am Bahnhof ein großer Subway sei, dieser aber zur Mittagszeit recht voll sein wird. Als dann alle in Gelächter ausbrachen wurde mir klar, dass es wohl nicht um Fastfood ging.

Von türkischen Hamburgern und anderen Verirrungen

Die Veranstaltungen des Programms selbst starteten jedoch erst mit einem gemeinsamen Frühstück. Am Frühstückstisch hatten wir in kleineren Gruppen die Möglichkeit uns kennenzulernen, zu essen oder schon die ersten Ausflüge zu planen. Bei der Begrüßung zeigte eine der Organisatorinnen des Programms, wie man mit einer „typical german Pretzel“ zu verfahren hatte: Sie schnitt den Bauch des Gebäcks auf, beschmierte ihn mit Butter und präsentierte das Resultat mit den Worten „now you can put Nutella on it“. Als Sara und ich uns daraufhin mit ekelverzerrtem Gesicht anschauten, bemerkte ich, dass wir uns wohl gut verstehen werden. Und dass sich über Geschmack wohl streiten lässt.

Das Frühstück im Gemeindehaus bot Gelegenheit, sich kennenzulernen oder Brezeln mit Nutella zu verschandeln.

Interessant zu sehen war aber vor allem, wie man selbst einen anderen Blick auf die eigene Kultur bekommt, wenn man mit Menschen zusammenkommt, die diese gerade kennenlernen: Da wird der Döner schon mal zum „türkischen Hamburger“. Ganz Unrecht hatte Sara damit wohl nicht, wohingegen mir „schwäbische Spaghetti“ als Bezeichnung für Spätzle zu weit ging – da hört’s dann wirklich auf!

Die goldgelbe Leckerei der schwäbischen Hochkultur begleitete uns dennoch durch den gemeinsamen Monat. Als wir den Geburtstag von Alex, dem australischen Buddy einer meiner Freunde, in Tübingen feierten, kam das wohl herausragendste Erzeugnis deutscher Ingenieurskunst zum Einsatz: Die Spätzlespresse. Dabei sorgte wohl nicht nur der sperrige Name, sondern auch die Bedienung des befremdlichen Küchenutensils beim Geburtstagskind für Staunen. Ein „Kulturschock“ à la Spätzlespresse quasi.

Tübingen warum bist du so hügelig?

Der interkulturelle Austausch beschränkte sich jedoch nicht nur auf Kulinarisches. Schnell kamen wir Tübinger*innen mit den Internationalen auch über Politisches, Persönliches oder Geschichtliches ins Gespräch. Der Australier Robert hatte ein Faible für politische Diskussionen, was mich als Politikstudent natürlich mit Freude erfüllte. Mit Sara gestaltete sich das zwar schwieriger, dafür tauschten wir uns über Familiäres und Rollenbilder in Deutschland und China aus. Selbst Landschaft und Natur wurden natürlich mit der heimischen verglichen, was Sara bei einem Spaziergang durch die Stadt die Aussage abrang, dass Tübingen ziemlich hügelig sei. Warum wir dabei anfingen zu lachen und zu singen verstand sie erst, nachdem wir ihr die inoffizielle Tübinger Hymne zeigten.

Gesungen wurde auch am Interkulturellen Abend, eine der letzten Veranstaltungen im Rahmen des Programms. Ein chinesischer Student führte uns seine Version eines chinesischen Hits vor, gesungen durch das Handymikrofon, welches an alte PC-Boxen angeschlossen war. Besser gefiel mir dagegen das Video, das uns der indische Buddy eines Freundes vorführte: Ein professioneller indischer Volkstanz mit knallbunten Kostümen, Musikinstrumenten und viel Körpereinsatz. Zum Schluss erklärte er zu unserem Erstaunen, dass die Farben für verschiedene Regionen des Landes stehen und dass er selbst im Video tanzend zu sehen war. Obwohl der Vortrag zweier Brasilianerinnen über ihr einzigartiges Heimatland auch interessant war, konnten der Tanzshow nur die Guaca-Maultaschen das Wasser reichen: gebratene Maultaschen mit Guacamole serviert, die geniale Erfindung eines Tübinger Studenten.

Auch wenn während der vielen Kurse und Exkursionen der Internationalen (an denen die Tübinger Buddies leider nicht teilnehmen durften) nicht immer viel Zeit blieb um gemeinsam etwas zu unternehmen, war die Teilnahme an dem Programm eine schöne und wertvolle Erfahrung. Zwischen den Problemchen, die der ungewohnte Alltag der Internationalen mit sich bringt, ob ausgefallene Heizung oder verlorener Schlüssel, bleibt doch immer Zeit nette Leute kennenzulernen, feiern zu gehen und die eigene Kultur einmal durch die Augen eines „Neigschmeckten“ zu sehen.

Das Buddy-Programm findet mehrmals im Jahr statt. Voraussetzungen um Buddy zu werden sind nur, dass man an der Universität Tübingen studiert und über Englischkenntnisse verfügt. Bis zu 4 ECTS-Punkte können in dem Programm erworben werden. Anmelden kann man sich für das Programm im Januar noch bis Freitag 29. November,  hier.

Bilder: IES 

Empfohlene Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert