Es ist Abend. Die Mensa Morgenstelle thront dunkel und geschlossen über der Stadt. Doch in der Küche brennt noch Licht: Rund 20 Studierende trafen sich dort am Dienstag nach Betriebsschluss, um die hohe Kunst des Spätzle-Machens zu lernen.
Der regional-schwäbische Kochkurs fand im Rahmen der „Schwäbischen Willkommenswoche“ statt, angeboten vom Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim. Dass es für die Herstellung der süddeutschen Pastavariante allerdings drei verschiedene Macharten gibt, das dürfte dem ein oder anderen bis zu diesem Termin unbekannt gewesen sein. Viele der Teilnehmer waren gekommen, weil sie noch nie Spätzle gemacht haben. Das mag daran liegen, dass sie entweder nicht aus der Region kommen, so wie beispielsweise Louisa und Jan aus Sachsen-Anhalt. Oder ihnen die Zubereitungsart zu aufwendig ist.
„Du bisch mei Spätzle“
Vinzent stammt aus München und beginnt in Tübingen gerade sein Studium. Er kam, um neue Leute und die Essenskultur kennenzulernen. „Ich geb mir das voll – das Schwäbische.“, sagte er und meint damit das Eintauchen in die Nachbarkultur seines Heimatbundeslandes. Wolfgang Hospach, Mitarbeiter bei der Planung Hochschulgastronomie, leitete mit einigen Erläuterungen zum Wort „Spätzle“, Hinweisen zur Teigherstellung und Eigenheiten der ungewöhnlichen Nudelart den Abend ein. Für ein paar der Anwesenden dürfte die schwäbische Liebkosung „Du bisch mei Spätzle“ bereits den ersten AHA-Effekt ausgelöst haben. Ein „Spätzle“, damit kann nämlich auch eine Person gemeint sein, die man echt gerne hat. Und dann ging’s auch schon los in die geräumige Großraumküche der Mensa Morgenstelle. Die angehenden Köche trugen alle weiße, weit geschnittene Kochkittel und Hütchen, um die Haare aus dem Gesicht zu halten.
Überdimensionale Knoblauchpresse
Schritt Eins auf dem Weg zu echt schwäbischen „Kässpätzle“ ist, klar, die Herstellung eines Teiges. Und das ist echte Handarbeit. Mit einem langen Kochlöffel „schlugen“ die Studierenden den Teig so lange, bis er Blasen warf und schmatzte. Dies geschah alles unter den Augen drei erfahrener Mensaköche, die die Anwesenden an diesem Abend in die Kunst des Spätzle-Machens einwiesen. Anschließend ging es dann ans Schaben, Reiben oder Pressen – je nach Vorliebe, Muse und Muskelkraft. Letzteres bedurfte es tatsächlich beim zweiten Schritt des Herstellungsprozesses, und zwar beim Bedienen der Spätzle-Presse. Für alle Nicht-Schwaben oder Kochmuffel: Eine Spätzle-Presse kommt wie eine überdimensional große Knoblauchpresse daher, in die der Teig eingefüllt und dann durch kleine Löchlein ins siedende Wasser gedrückt wird. Schwimmen die Spätzle oben, können sie mit einer großen Kelle abgeschöpft werden.
Muse bedurfte es beim Schaben – der „schwierigsten Variante“, also sozusagen der Königsdisziplin. Hierbei wird der Spätzle-Teig mit Hilfe eines kleinen Brettchens und eines langen Messers ins ebenfalls siedende Wasser geschabt. Diese Variante eigne sich besonders dann, wenn Verwandte oder Freunde aus dem Nicht-Schwabenländle beeindruckt werden wollen, so fachsimpelten die Studierenden. Herr Hospach warf ein: „Ein guter Schaber macht aus jedem Teig gute Spätzle.“ Zum Abschrecken wirft man die Spätzle einfach in kaltes Wasser. Diejenigen, die gerade nicht eifrig pressten, rieben oder schabten, führte Herr Hospach noch vor, wie man Zwiebeln in möglichst kleine Würfel hackt. Die sind nämlich notwendig, um einen Zwiebelsud herzustellen – was den „Kässpätzle“ dann ein fein-würziges Aroma geben soll.
Fantasievolle Formen
Bevor die fertigen Spätzle weiterverarbeitet wurden, begutachteten die Studierenden noch ihre Ergebnisse und waren erstaunt über die teils sehr verschiedenen Formen: Knöpfle, also die geriebenen, waren klein und rund. Die geschabten Spätzle hatten teils sehr fantasievolle Formen. Und die gepressten ähnelten wohl am meisten italienischen Spaghetti. Durch das Hinzufügen von Käse und den zuvor gehackten Zwiebeln, wurden aus den vielen verschiedenartigen Spätzle dann letztendlich die bekannten schwäbischen „Kässpätzle“.
Und die ließ sich die Kochcrew dann bei Bier, Wein und Apfelschorle zum wohlverdienten Ausklang schmecken. Herr Hospach war mit der Aktion zufrieden, die auch dazu gedacht war, Berührungsängste zwischen Studierenden und „der Mensa“ abzubauen. Ein Abschiedsgeschenk gab es dann auch noch: eine Packung Spätzle (wenn es mal schnell gehen soll) und das Spätzle-Rezept in gedruckter Form. Und so dinierten die Köche in der zu dieser Zeit sonst so dunklen und mucksmäuschenstillen Mensa, mit Blick über die Stadt.
Fotos: Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim / Simon Leimig