„Foxes are sly. Everyone knows that. Just because you can’t see them – doesn’t mean they’re not there.“ Eine bröckelnde Wirtschaftsstruktur, ein totalitärer Staat, Paranoia. In Dawn Kings Stück Foxfinder, inszeniert von der Anglo-Irish Theatre Group Tübingen, wird der Fuchs zum Staatsfeind erklärt.

Zu einem Hof irgendwo in einem ländlichen Teil Englands öffnet sich die Bühne des Brechtbautheaters. Ein einfacher Holztisch, eine Kommode, ein Gewehr an der Wand. Etwas herunterkommen wirkt die Einrichtung und spiegelt den Gemütszustand von Judith und Samuel Covey wieder (Julia Nörr und Hannes Hornbacher). Seit März regnet es und die Ernte ist zerstört, derselbe Monat, in dem die Katze davonlief und ihr vierjähriger Sohn in einer Pfütze ertrank. Nachdem Samuel endlich die Depression zu überwinden scheint, die ihn seit dem Tod seines Sohnes plagt, taucht William Bloor (Lukas Schädler), der Foxfinder, auf, der den Zustand der Farm überprüfen soll.

Was genau die Foxfinder sind, bleibt im Dunkeln. Es wird nur bekannt, dass sie für die Regierung arbeiten und dann gerufen werden, wenn Farmen ihre Quote nicht erfüllen – Und natürlich jagen sie den Fuchs.

Samuel Covey (Hannes Hornbacher) und William Bloor (Lukas Schädler)
Samuel Covey (Hannes Hornbacher) und William Bloor (Lukas Schädler).

„The absence of the beast is another sign of its presence.“

In Kings Stück ist der Fuchs der Inbegriff des Bösen. Ein Sündenbock, wie er in allen totalitären Systemen zu finden ist. So kann das Biest, wie dieser im Stück genannt wird, bis zu zwei Meter groß werden, Blutbäder unter Nutztieren anrichten und durch magische Kräfte die Menschen dazu manipulieren, sich zu versündigen. Dass seit Jahren niemand mehr einen Fuchs gesehen hat, bedeutet für Bloor und seine Brüder allerdings nicht, dass er nicht existiert und er überzeugt auch Samuel, dass der Fuchs für den Tod seines Sohnes verantwortlich sei.

Die Art, wie Bloor sich in der Farm einnistet, die Familie überwacht und Nachbarn wie Sarah Box (Eva Schwendemann) gegeneinander ausspielt, erinnert an die Stasi-Überwachung der DDR und die Judendenunzierung im Nationalsozialismus. Sogar das Fuchsemblem auf Bloors Uniformjacke ist in seiner schwarz-roten Farbe an ein NS-Abzeichen angelehnt. Dabei ähnelt der Foxfinder mit seiner Selbstgeißelung und seinem zölibatären Leben am meisten den Inquisitoren der katholischen Kirche. Nur dass Gott durch Bürokratie ersetzt wurde.

Sarah Box (Eva Schwendemann) und Judith Covey (Julia Nörr)
Sarah Box (Eva Schwendemann), die Nachbarin, und Judith Covey (Julia Nörr).

„Does he make you orgasm?“

Das Stück lässt sich als ein klassisches Lehrstück verstehen. Die Charaktere, trotz ihrer symbolischen Bedeutung, handeln berechenbar und dienen mehr dazu, die Botschaft der Handlung zu vermitteln als selbst eine Charakterentwicklung zu erfahren. Der Kontext des Stücks, dass eine Gesellschaft mehr von den Feindbildern bedroht wird, die sie sich schafft, als von den Feinden selbst, wird zweifelsohne deutlich. Wer allerdings bereits etwas in Richtung George Orwell und sein 1984 oder Max Frischs Biedermann und die Brandstifter gelesen hat, wird keine Überraschung erleben.

Dieser tristen Version der englischen Agrarwirtschaft dennoch etwas Humor abzugewinnen, muss den Schauspielern dafür umso höher angerechnet werden. Durch hervorragendes Timing und mit britischer Trockenheit lieferten sie sich stakkatoartige Wortduelle. Besonders Bloors taktlose Befragung über das Privatleben der Coveys – wie viel Sex sie denn hätten, in welcher Stellung und ob es denn auch gut sei – entlockten dem Publikum mehr als nur einen unfreiwilligen Lacher.

„I can’t be more normal without acting like a lunatic.“

Mit Foxfinder zeigt die Anglo-Irish Theatre Group erneut, dass sie sowohl Drama als auch Komödie beherrschen. Nach Sketches against Humanity und Butterflies also have nightmares ist dies ihre dritte Produktion in diesem Jahr.

Wer sich jetzt selbst einen Eindruck über Foxfinder verschaffen möchte, kann dies noch bis Freitag den 3. Juni tun, sollte aber auf jeden Fall beachten, dass das Stück vollständig auf Englisch aufgeführt wird. Der Eintrittspreis für Studierende beträgt 5 Euro.

Fotos: Robin Graber

 

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