Ende letzten Monats verkündigte die Uni Tübingen, welchen Einfluss die Ablehnung des Rahmenvertrages der VG Wort auf die Lernplattform Ilias hat – alle Inhalte, die bisher unter den §52a UrhG fallen, müssen bis zum 31.12.2016 gelöscht werden. Warum man jetzt trotzdem nicht kapitulieren sollte.
Die Entwicklung des Rechtstreits
Die VG Wort hatte, wie in einem vorangegangenen Artikel erwähnt, den Antrag auf eine Einzelerfassung von Werken gestellt, die im universitären Kontext in Benutzung sind. Bis dato konnten diese dank einer Pauschalzahlung abgerechnet werden. Nun erreichte die neue Regelung einen Rahmenvertrag, der verlangte, dass die Texte ab dem 1.1.2017 mit einer Einzelanmeldungsmaske in das System der VG Wort eingespeist werden müssen – ein Arbeitsprozess, der zeitintensiver und teurer werden würde, als die bisher übliche Praxis.
Die Baden-Württembergischen Hochschulen stellen sich quer
Lange schien die Verhandlung zwischen den verhärteten Standpunkten aussichtslos – wie erwartet kam dann die Meldung der Universität Tübingen, dass der abgelehnte Beitritt zum Rahmenvertrag die Möglichkeiten der E-Learning-Plattform erheblich einschränkt: Auf Ilias bereitgestelltes Material aus gedruckten Büchern, das den Veranstaltungsinhalt begleitet, muss bis zum 31.12.2016 komplett gelöscht werden – schon fast ironisch, dass in Zeiten stetig steigender Digitalisierung, jetzt wieder mehr Papier in die Lehre einkehrt.
Dr. Renke Siems, Fachreferent für Sozialwissenschaften und Leiter der Abteilung Benutzung der Universitätsbibliothek Tübingen, empfiehlt hierbei den Lehrenden vor allem die Vielzahl an Open-Access Werken:
„Durch die Open-Access-Bewegung wurde in den vergangenen Jahren auch eine sehr große Menge an elektronischen Dokumenten frei zugänglich, die einschlägige Suchmaschine BASE verzeichnet mittlerweile über 100 Millionen Einträge. Auch diese Dokumente können verwendet und verlinkt werden.“
Es bestünde auch die Möglichkeit des Erwerbs eines E-Books, das sich dann ebenfalls in der digital gestützten Lehre einsetzen lässt. Für den Fall der Literaturquellen, die ausschließlich in Papierform vorliegen, müssen schließlich Semesterapparate, also Kopiervorlagen, zur Verfügung gestellt werden. Wichtig ist, den Lehrkräften nahezulegen, dass solche Kopiervorlagen mehr von Interesse sind, als der bloße Verweis auf die Literaturquelle – um dem apokalyptisch angedeuteten Sturm auf die Bücher und Drucker der Universitätsbibliothek gegenzulenken.
Wissenschaftliches Embargo?
Selbst wenn Studierende und Lehrkräfte der Universitäten sich den veränderten Bedingungen beugen müssen, gilt die Neuerung mit kritischen Blick zu betrachten. Alexander Salomon, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, sagte der Stuttgarter Zeitung, es müsse ein „wissenschaftfreundlicheres Urheberrecht“ vorhanden sein. Falls durch die Arbeitsüberforderung behandelte Stoffe nicht mehr ausreichend beleuchtet werden können, bedeutet das auch ganz klar eine Minderung der Lehrqualität. Zumal das Arbeiten an und mit Texten vor allem in sozial- und geisteswissenschaftlichen Gebieten die Grundlage vieler Seminare darstellt.
Fazit für Studierende: Mehr Kommunikation mit den Lehrkräften, um zu verdeutlichen, wie hoch der individuelle Anspruch auf gleichbleibenden Bildungsinhalt ist. Denn wenn die VG Wort damit einen Konflikt losgetreten hat, liegt es definitiv auch an den Studierenden, laut Stellung zu beziehen und die Verantwortung nicht komplett den Landeshochschulkonferenzen zu übertragen.
Fotos: Felix Müller.