Mr. Tagesgericht: Der Mann, der die Mensa berühmt macht

Ein Facebook-Auftritt über die Tübinger Mensa? Klingt nicht sexy, ist es aber! Keine Seite wächst im Uni-Umfeld derzeit so schnell wie die, die der Tübinger Student Felix König gegründet hat. Kupferblau hat den Macher von „Das Tagesgericht“ getroffen.
Der Ort, an dem die Magie der aktuell erfolgreichsten Social-Media-Seite in Uni-Tübingen ihren Ursprung hat, hat rein gar nichts Magisches an sich. Kahle Fassade, Beton, Flachdach: Die Mensa Wilhelmstraße – 1966 erbaut – ist keine Schönheit. Und trotzdem ist sie binnen weniger Monate zu einem viralen Hit geworden, dem auf Facebook inzwischen über 1.100 Personen folgen. Was verschafft einer Uni-Kantine, die die drittteuerste in Deutschland ist, aber geschmacklich außerhalb der Top100 liegt, einen solchen – wie soll man es nennen? – „Sex-Appeal“? Verantwortlich dafür ist eine schonungslos-bissige, aber schlichtweg gut gemachte Satire.
Satire, die jeder Tübinger Studierende versteht
Der Mann, der „Das Tagesgericht – Zeugen der Mensa Tübingen“ gegründet hat, wirkt auf den ersten Blick nicht so, wie man sich einen digitalen Influencer vorstellt. Unscheinbares Äußeres, sachliche Art – und kein Smartphone, das im Minutentakt auf dem Tisch ist: Felix König, 21 Jahre alt und Lehramts-Student, ist eher ein unauffälliger Typ. Ein paar Kommilitonen wüssten, dass er die Facebook-Seite betreibe, aber sonst hätte ihn bislang selten jemand darauf angesprochen, sagt er. Wer mit dem Politik- und Geschichtsstudent über sein Projekt spricht, der merkt allerdings schnell: Felix weiß, was er da tut. „In erster Linie will die Seite unterhalten“, sagt er. „Und die Mensa bietet viel Unterhaltungspotential.“
„Das Tagesgericht“ trifft den Nerv der Zeit. 1,6 Millionen Essen laufen jährlich in Tübingen übers Band. Die Mensa vereint die Studierendenschaft – im Positiven wie im Negativen. Denn sie ist Treffpunkt und Mittagsroutine – ohne ein echtes Highlight zu sein. Sie ist ein Hungernotnagel zum kleinen Preis, aber teils auch ein geschmackliches Wagnis. Die Studis führen eine Hassliebe zur Mensa, und Felix König erkennt das früh. Die Idee zu einer Satire-Seite hat er schon vor einigen Jahren: „Es gab an der Uni zwar Medien, Uni-Radio oder Spotted, aber nichts Satirisches. Die Mensa hat sich dafür gut geeignet.“ Auch, weil Felix unter der Woche fast täglich dort isst und die vielen (amüsanten) Abläufe der Kantine besser kennt als jeder andere. Schmunzelnd sagt er: „Man fragt sich schon irgendwann, was in der Speisewürze eigentlich drin ist, und warum der Puszta-Spieß jedes mal anders geschrieben wird.“ Im Januar 2017 entsteht aus diesem Ansatz „Das Tagesgericht“.
Blödeleien, Anmachsprüche und Trump-Memes
Aus einer Seite, die anfangs hauptsächlich Essens-Bilder postete, ist mit der Zeit ein Satire-Projekt geworden, das am laufenden Band Memes ausspuckt. Die Blödeleien über Mensa-Manfred, Fruchtkaltschalen und den täglichen „Schnodder“ auf dem Tablett haben dabei eine globale Dimension erreicht: Als Trump über seinen Sexismus-Skandal stolpert, postet das Tagesgericht ein Bild des US-Präsidenten mit dem Slogan: „Grab them by the Puss-ta“. Zur Bundestagswahl wird ein eigener Stimmzettel angeboten – die Kandidaten: fiktive Mitarbeiter und traditionelle Speisen – und die Mensa-Anmachsprüche gehen derart durch die Decke, dass Felix König gleich fünf Teile davon publiziert. Inzwischen ist die Partizipation der Studierenden so groß, dass auf der Seite nahezu täglich Nachrichten von Studierenden eingehen, die Fotos von ihrem Essen schicken. Den Macher überrascht das: „Mit dieser Beteiligung hätte ich nicht gerechnet. Aber das zeigt, wie sehr die Mensa die Leute umtreibt“, so Felix.
„Die Mensa ist besser als ihr Ruf“
Die Ansätze für seine Posts entwickeln sich oft im Gespräch mit zwei Freunden, die ihm als Ideengeber zur Seite stehen; für die Umsetzung sorgt König aber alleine. Was als Nächstes kommt: Mensa-Bäbber? „I love Puszta“-Shirts? Felix lacht: „Ich weiß es nicht. Es gibt keine Agenda. Wir machen, was uns eben einfällt.“ Beschwert hat sich bei ihm übrigens noch niemand über seine Mensa-Satire. Weder im Web („es gibt auf der Seite keine Hass-Kommentare“), noch im Real Life. Eine vernichtende Kritik, sagt Felix König, liege ihm ohnehin fern. „Es ist nicht mein Ziel, auf die Mensa einzuhauen – und es entspricht auch nicht meiner Meinung“, so der Satiriker, der die Qualität des Essens für durchschnittlich hält: „Die Mensa ist nicht so schlecht wie ihr Ruf.“
Und so wandelt die Seite irgendwo zwischen Kantinen-Klamauk und unbezahlter Werbung für die universitären Essenseinrichtungen. Denn wer nicht täglich den Speiseplan der Mensen checkt, der bleibt dank des Tagesgerichts ganz sicher auf dem Laufenden, was so vom Förderband rollt. Gewürzt mit einer Prise scharfem Humor!
Hier geht’s zur Facebook-Seite von „Das Tagesgericht“.
Foto: Joshua Wiedmann.

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