„Jetzt geht’s steil bergauf!“

60 Jahre CDU Regierung haben sich auch an unserer Universität bemerkbar gemacht. Wie es jetzt weitergeht diskutieren Dominic Budisantoso (Liste für Information und Organisation), Daniel Gottschall (Juso Hochschulgruppe), David Laehnemann (Fachschaften Vollversammlung), Jan Oliver Neidhardt (Grüne Hochschulgruppe) und Dennis Schmidt (Ring Christlich-Demokratischer Studenten).

Von Hannah Steinhoff

Baden-Württemberg hat jetzt eine grün-rote Regierung. Was ändert sich an unserer Uni?

Daniel (Jusos): Die Auswirkung, die mit Abstand am meisten spürbar für die Studierenden sein wird, ist die Abschaffung der Studiengebühren. Ich glaube, dass da ein großer Schritt in die richtige Richtung getan wurde, um den Zugang zur Hochschule zu erleichtern.
Dennis (RCDS): Wir haben die Studiengebühren immer vertreten. Wir würden ein reformiertes Modell mit einem geringeren Beitrag präferieren, das dafür einen größeren Teil der Studenten abdeckt. Die Studenten tragen eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, der sie sich nicht entziehen sollten, indem sie den Landeshaushalt belasten.

Was bedeutet die Abschaffung der Studiengebühren für die Studierenden?

Dominic (I&O): Für die Studierenden sind es gut 100 Euro weniger Ausgaben im Monat, wenn die Studiengebühren wegfallen.
Jan (GHG): Jedenfalls für die Studierenden, die tatsächlich noch Gebühren bezahlt haben. Es war sowieso eine Farce, von allgemeinen Studiengebühren zu reden – weniger als die Hälfte der Studierenden hat zuletzt Studiengebühren gezahlt, der Rest war ausgenommen.

… und für die Finanzen der Uni?

David (FSVV): Laut Koalitionsvertrag bedeutet das für die Finanzen der Uni erstmal weiter nichts, da die Gelder eigentlich 1:1 ersetzt werden sollen. Es gibt natürlich viele Fragezeichen dazu, zum Beispiel ob die Gelder nach ähnlichen Kriterien verteilt werden, wie bisher.
Daniel: Die Studierenden konnten die Verwendung der Studiengebühren besser nachvollziehen als die Finanzierung zuvor. Diese Strukturen sollen erhalten bleiben – das ist eine gute Sache.

Laut Koalitionsvertrag soll der AStA wieder zu einer Verfassten Studierendenschaft werden. Was ändert sich an unserer Uni,wenn der AStA wieder ein hochschulpolitisches und allgemeinpolitisches Mandat hat?

Dominic: Der AStA könnte sich endlich auch zu politischen Themen äußern.
David:
Außerdem wurde bisher alles, was der AStA beschlossen hat, formal vom Rektorat vollzogen. Alle Beschlüsse waren vom Gutdünken des Rektors abhängig.
Jan: In 14 anderen Bundesländern läuft das Semesterticket über den AStA, das ging bisher in Baden-Württemberg nicht. In Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gilt das Semesterticket zum Beispiel für das ganze Bundesland. Unser Semesterticket ist gemessen am Wirkungsradius extrem teuer. Das ist etwas, was eine Verfasste Studierendenschaft ändern kann, weil sie vertragsfähig ist.
Daniel: Ein wirklich wichtiger Punkt ist auch die Finanzautonomie. Die verfasste Studierendenschaft erhebt eigene Gebühren und ist nicht von Universität oder Politik abhängig.
Dennis: Aber diese Finanzautonomie bedeutet, dass der AStA Zwangsgebühren erheben kann, die von den Studierenden gezahlt werden müssen. Das lehnen wir ab, ebenso wie ein allgemeinpolitisches Mandat des AStA.

Im Koalitionsvertrag ist die Rede von „nachhaltiger Wissenschaft“ statt
„unternehmerischer Hochschule” – wie lässt sich das auf Tübingen übertragen?

David: In Tübingen sieht man das Leitbild der unternehmerischen Hochschule, das 2005 ausgerufen wurde, vor allem am Hochschulrat der Uni. Der besteht zur einen Hälfte aus internen Mitgliedern der Universität, zur anderen aus externen Partnern, die größtenteils aus der Wirtschaft kommen.
Daniel: Dieses Gremium trifft alle endgültigen Entscheidungen, alle Vorschläge müssen vom Hochschulrat abgesegnet werden. Eigentlich ist es ein Abnickgremium, dem der Rektor vorschlagen kann, was er will.
David:
Da ist die nachhaltige Hochschule ein wesentlich schöneres Leitbild. Die
Universität soll ausreichend finanziert sein und sich nicht nach wirtschaftlichen Interessen richten müssen. Stattdessen kann sie sich auf Basisforschung konzentrieren.
Jan:
Beteiligung von Unternehmen an der Universität ist auch nicht unbedingt schädlich, es muss nur in einem klaren Rahmen geschehen und darf die Autonomie der Forschung nicht beeinträchtigen.

Laut Koalitionsvertrag wird ein Frauenanteil von 40 % in allen Hochschulgremien angestrebt – ist das an unserer Uni überhaupt umsetzbar?

Daniel: Es ist auf alle Fälle notwendig, denn es studieren mehr Frauen als Männer. Wenn man sich aber die oberen Sprossen der Karriereleiter anguckt, werden es immer weniger. Deswegen sollte man diese 40 % für die Hochschulgremien ruhig festlegen, in vielen Fachbereichen ist das auf jeden Fall umsetzbar.
Jan:
In einigen Fächern wird es aber schwer, wenn es keine weiblichen Professoren gibt. Daher muss die Karriereleiter an der Uni geschlechtergerechter werden.
Dominic:
Ich denke, für die zentralen Gremien und die Wahlmitglieder könnte man so eine Quote sofort einführen und es würde auch funktionieren. Aber wenn man 40 % Dekaninnen haben wollte, wäre das nicht möglich.
Dennis:
Ich bin der Meinung, dass diese Art von Quote die komplexe Realität nicht wiedergeben kann. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das sich so nicht lösen lässt.
David:
Aber man kann Anreize schaffen, die dazu beitragen. Zum Beispiel durch eine Quote.
Jan:
Allgemein muss die Arbeitssituation an Hochschulen familienfreundlicher gestaltet werden. Bis man seine Professur bekommt, hangelt man sich von einem prekären Arbeitsverhältnis zum nächsten. Das muss sich ändern, damit mehr Frauen ans obere Ende der Karriereleiter gelangen.

Ein großes Thema in dieser Ausgabe der kupferblau ist die Exzellenzinitiative. Wie lassen sich die Pläne des Rektorats mit den Bedürfnissen der Studierenden verbinden?

Dennis: Die Exzellenzinitiative hat drei große Schwachpunkte: Sie konzentriert sich nur auf die Forschung und vernachlässigt die Lehre. Außerdem hat man den Eindruck, dass der Rektor in den letzten fünf Jahren nur damit beschäftigt war, Tübingen exzellent zu machen. Und zuletzt ist das Problem, dass man dieses Modell von Unis wie Harvard und Yale nicht auf das deutsche Hochschulsystem übertragen kann.
David:
Wenn die Universität ausreichend finanziert ist, kann es durchaus sinnvoll sein, Leute mit großem Potenzial zu fördern, deren Wissen dann der Allgemeinheit nutzt.

Stehen unserer Uni ausreichend Mittel für so eine Zusatzförderung zur Verfügung?

Daniel: Die Universität hat in meinen Augen fast keinen Handlungsspielraum. 2011 weist die Uni wieder ein Defizit auf und muss auf Rücklagen zurückgreifen. Die Instandhaltung der Bausubstanz wurde viel zu lange vernachlässigt. Der Uni fehlt Geld.
David:
Das kann man sehr gut daran sehen, wie die Uni sich Raum für die Exzellenzinitiative geschaffen hat. Da wurden in allen Bereichen der Uni Rasenmäherkürzungen vorgenommen.
Dominic:
Dazu gehört auch die Stellensperre. Es ist inzwischen gang und gäbe, dass Stellen bis zu zwei Jahre lang unbesetzt bleiben.
David:
Die Uni hat also eigentlich nicht den Spielraum, bestimmte Fachgebiete zu fördern – nur auf Kosten anderer Bereiche.


Wie zufrieden seid ihr mit dem Interesse der Studierenden an der Hochschulpolitik?

David: Ich denke, dass mit der Einführung der Verfassten Studierendenschaft mehr Interesse kommen wird, weil der AStA dann auch mehr Entscheidungsmöglichkeiten hat.
Dominic:
Außerdem hat sich die Lage nach der Umstellung auf Bachelor und Masterstudiengänge wieder normalisiert und die Studierenden finden wieder Zeit dafür, sich politisch zu engagieren.
Jan: Wir sind zuversichtlich: Jetzt geht’s steil bergauf!

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