Professorin Dr. Ellen Widder arbeitet am Mittelalterlichen Seminar der Philosophischen Fakultät. Im Gespräch erzählt die Historikerin von ihrer eigenen Studienzeit und weshalb sie keinen Fernseher besitzt.
Kupferblau: Guten Tag Professorin Widder, wie trinken Sie Ihren Kaffee am liebsten?
Professorin Widder: Traditionell trinke ich meinen Kaffee schwarz, aber in gemütlicher Runde auch gerne einen Milchkaffee.
Sie haben an der Uni Münster die Fächer Geschichte, Geographie, Pädagogik und Kunstgeschichte auf Lehramt studiert. Hatten Sie vor, Lehrerin zu werden?
Ich wollte nicht an die Schule. Tatsächlich, wenn ich aus dem Nähkästchen plaudern darf, lag mein Interesse in der klassischen Archäologie. Im fünften oder sechsten Semester kam ein Aspekt mit dazu, der etwas mit Vernunft zu tun hatte. So verbesserte das Lehramt meine beruflichen Chancen, da der Abschluss mir ermöglichte auch später im Archiv zu arbeiten.
Welche Dinge haben Ihnen als Studentin gefehlt?
Auf der einen Seite fehlt einem alles, aber auch nichts, weil man es in seiner Studienzeit nicht anders gewöhnt ist. Ich habe es als Reichtum empfunden, sich eine Flasche Wein unter Freunden zu leisten. Heute würde ich nicht mehr auf den Zugang zu Wissen verzichten können.
An welchem Ort haben Sie in Ihrer eigenen Studienzeit am liebsten gepaukt?
Der eigene Schreibtisch hat etwas Verlockendes — er steht in einer Umgebung, die die eigene ist. Das ist einerseits ein Gefühl von Wohlbefinden, man kocht sich Kaffee oder Tee und macht dies und das. Es hat aber auch Nachteile, weil man sich ständig ablenkt.
Schauen Sie in Ihrer Freizeit gerne mal Geschichtsdokumentationen oder bleiben Sie lieber beim Tatort?
Ich habe keinen Fernseher. Das liegt nicht nur daran, dass im Fernseher nur Schund läuft, sondern weil ich am besten am Nachmittag und am Abend arbeiten kann. Wenn ich also nach Hause komme und mir die Tagesthemen anschaue, ist der Abend gelaufen. Deshalb ist es einfach eine Vernuftsmaßnahme, keinen Fernseher zu besitzen. Trotzdem schauen mein Mann und ich ab und zu DVDs. Im Moment gerade ist es „The Wire“ von David Simon, das finde ich unheimlich spannend.
Ihre Forschung deckt ein breites Spektrum ab: unter anderem auch Stadtgeschichte des Mittelalters. Können Sie durch Altstädte gehen und das noch genießen?
Heute war so ein Tag — es war zehn Uhr morgens, die Sonne schien und ich bin durch Tübingen spaziert und dachte mir: Ich brauche ein Croissant, einen Kaffee und einen schönen Ort. Also habe ich mir einen Cappuccino im Silberburg Café bestellt, davor ein Croissant gekauft, mich auf ein Bänkchen gesetzt und hatte den Gedanken: Es gibt nichts Schöneres.
Wie muss der ideale Student sein, der zu Ihnen ins Seminar kommt?
Geschichte ist nicht Jura und Betriebswirtschaft. Wenn man mit Geschichte leben möchte, muss man sich darauf einlassen. Die Grundvoraussetzung ist, dass man sich engagiert. Geschichte ist eine Wissenschaft, die mit Texten arbeitet, und das Lesen der Literatur erfordert Zeit. Man hat natürlich die Freiheit, die Texte nachts um zwei Uhr zu lesen, aber man muss es machen. Dann würde ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass man im Studium etwas lernt.
Zum Schluss, Professorin Widder: Hätten wir heute auch über etwas Anderes sprechen können? Gab es einen Plan B?
Ich wollte Medizin studieren, aber das wäre vielleicht nicht das Richtige für mich gewesen. Was ich mir darüber hinaus überlegt hatte, aber das hatte man mir relativ früh ausgeredet, war ein Studium der Botanik. Diese Idee hätte aber ein Studium der Biologie bedeutet und das ist reine Genetik. Mit dem Bild, das mir von der Botanik vorschwebte, hätte ich mein Studium schon dreihundert Jahre früher beginnen müssen. Ich kann mir heute noch vorstellen, dass ich einen anderen Weg eingeschlagen hätte, aber es ist kein Nachteil, für mehrere Berufe geeignet zu sein. Dass ich ausschließlich Historikerin hätte werde können, würde ich sofort mit “Nein” beantworten.
Das Interview führte Ann-Kathrin Knupfer