In mehr als 500 Jahren hat die Uni große Köpfe hervorgebracht. Vor der Kneipe „Boulanger“ in der Collegiumsgasse räumt Stadtführerin Bachmann aber mit einem Mythos auf: „Hegel, Hölderlin und Schelling wohnten damals zwar auf einem Zimmer. Ob der Boulanger ihre Stammkneipe war, wie oft behauptet wird, ist aber nicht erwiesen.“
Dass Goethe sich erbrach, wie es das häufig fotografierte Schild neben der Stiftskirche behauptet, ist nicht ganz sicher.
„Er war aus Geschäftsgründen in Tübingen, musste länger bleiben als geplant, es regnete und er fand die Stadt abscheulich. Den Rest erzählt das Schild“, sagt Bachmann und läuft mit der schmunzelnden Truppe in Richtung Neue Aula.
Das heutige Univiertel in der Wilhelmstraße wurde im 19. Jahrhundert gebaut, doch die Bücher mussten sich die Studierenden – es waren nur Männer – damals noch auf dem Schloss besorgen. Erst 1912 wanderte die Bibliothek an ihren heutigen Standort. Rund 50 Jahre später fand ein noch größerer Umbau statt, der bis heute das Stadtbild prägt: Die medizinische Fakultät zog mitsamt Kliniken auf den Schnarrenberg. Es entstand die Trennung in Berg und Tal. Doch nicht nur die räumliche Trennung von Geistes- und Naturwissenschaften ist heute typisch für Tübingen. „Es gibt keinen zentralen Campus. Die Gebäude stehen überall in der Stadt verteilt“, erklärt Bachmann der Touristengruppe.
Reise nach Jerusalem
Die eineinhalb Stunden Geschichtsunterricht sind fast vorbei. Die Gruppe steht vor der Neuen Aula und betrachtet die gepflasterte Palme auf dem Boden. „Sie ist das Universitätslogo, weil es das persönliche Wappen von Eberhard war. Der ist nach Jerusalem gepilgert und hat sich das zu eigen gemacht“, sagt Bachmann abschließend. Ihr bunter Schal baumelt über der Bepflasterung.
Die Gruppe ist in der Gegenwart angekommen, hat rund 500 Jahre Stadtgeschichte gehört, die gleichzeitig auch Universitätsgeschichte ist. Von einem bärtigen Adeligen mithilfe seiner Mutter gegründet prägt der dezentrale Campus heute das Tübinger Stadtbild. Beide gehen eine Symbiose ein. Tübingen, die „kleine große Stadt“, liebt seine Uni.
Noch mehr Fotos: Links ein historisches, rechts das aktuelle – mit Ausnahme des letzten Paars. Ein Klick auf „Info“ liefert weitere Beschreibungen.
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Danke an Frau Bachmann für die Stadtführung und den Tee danach. Die schwarz-weiß Fotos wurden im Archiv des Schwäbischen Tagblatts gefunden. Die Farbfotos und das Video stammen von Julia Klaus, bis auf das Bild von Graf Eberhard (gefunden im Uni-Archiv).
Noch mehr Facetten von Tübingen folgen: Schwäbisch für „Reigschmeggde“, die Uni und die Bio-Branche, eine Glosse zur Kehrwoche. Coming soon!