Das LTT feierte vergangenen Samstag den Start in die neue Spielzeit, zu dem sich das Publikum zwischen den Erfolgsproduktionen „Tschick“ und „Wie im Himmel“ entscheiden durfte. Im Anschluss überschlug sich das gesamte Ensemble in im „Nachtschicht -Spezial“ in sympathischen bis skurrilen Inszenierungen. Das schwedische Musikdrama „Wie im Himmel“ handelt davon, der Macht der Musik auf den Grund zu gehen.
Daniel Daréus scheint alles zu haben, was sich ein Musiker wünschen kann: Er hat als angesehener Dirigent weltweiten Ruhm und Ansehen erlangt. Nachdem er während eines Auftritts einen Herzinfarkt erleidet, beschließt Daréus sich in eine unscheinbare Dorfgemeinde zurückzuziehen. Doch wie sich im Laufe des Stückes zeigt, war sein Zusammenbruch nicht nur ein Zeichen körperlicher Schwäche, sondern auch symptomatisch für seine innere Zerrissenheit.
„Musik ist das Einzige, was ich kann.“
Als neuer Kantor des Kirchenchors der Gemeinde stößt er auf Verwunderung seitens der ihn anhimmelnden Menschen, wie er sich bewusst für ein nichts versprechendes Leben entscheiden kann. Doch gerade in der Einfachheit des Daseins versucht er seine persönliche Erfüllung zu finden, während Musik als Schlüssel für seine Suche dient. Zunehmend lernt er die Menschen besser kennen, indem er ihnen beibringt, die Musik aus sich herauszuholen. Neben fröhlichen Gesängen entfesselt die neugewonnene Selbstwahrnehmung jedoch auch alte Wunden und unterdrückte Gefühle. Die folgenden heftigen Auseinandersetzungen in der Gemeinde sind ein Sinnbild für menschliche Unzulänglichkeiten, die jedoch die Wahrheit ans Licht bringen.
„Wie ist es, wenn man jemanden mag?“
Letztlich entwickelt sich unbewusst gegenseitiges Vertrauen, das die Gruppe dazu bringt, Mut zu fassen und ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Indes hilft die junge, lebensfrohe Lena Daréus Fahrradfahren zu lernen – eine Verbildlichung für die ihn lähmende Unfähigkeit zu lieben. Doch Lena schafft es mit ihrem Lebensmut den unnahbaren Daréus aus der Reserve zu locken. Das zunächst banal scheinende Dorfleben schafft es die innere Blockade in Daréus zu lösen und somit der langersehnten wahren Schönheit der Musik näher zu kommen.
Jeder Figur verkörpert ein bestimmtes Schicksal, welches von jedem Schauspieler mit sehr hoher Bühnenpräsenz und Authentizität auf die Bühne gebracht wird. Was den Zuschauer mit Empathie erfüllt, ist vermutlich die offene und ehrliche Inszenierung von menschlichen Schwächen. Der Zuschauer kann die sich entwickelnde zwischenmenschliche Wärme miterleben. Dass es das einfache Leben und grundlegende menschliche Werte sind, die am Ende der Geschichte stehen, bildet ein harmonisches Schlussbild. Zudem war es die Untermalung mit lebensfrohen musikalischen Elementen, wofür das Ensemble zurecht mit minutenlangen Standing-Ovations bejubelt wurde.
Theaterabend deluxe
Im Anschluss an das Stück durften sich die Zuschauer an einem „Nachtschicht-Spezial“ erfreuen, in dem sich das gesamte Ensemble des LTTs in fantasievollen Inszenierungen präsentierte. Für jeden Geschmack wurde etwas geboten: Von verblüffenden Karten-Zaubertricks bis hin zu feministischen Bewegungen. Neben kunterbunten Klamotten und sowohl geistreich als auch bizarren Auftritten, boten die Schauspieler auch etwas für die Ohren. Unter anderem gab es ein Gitarrensolo der besonderen Art über Identitätssuche und die damit verbundenen Krisen. Mit dieser Thematik wurde zugleich auf einige Stücke der neuen Spielzeit eingestimmt.
Nach dem ohnehin gelungenen Abend konnten Theaterliebhaber mit einem kühlen Bierchen und dem LTT-Techniker alias DJ Pudding in geselliger Runde in die neue Spielzeit tanzen.
Das LTT startet mit zahlreichen Premieren in den ersten Monat der Spielzeit – unter anderem mit „Nathan der Weise“ am 30.09.16 und „Geächtet“ am 01.10.16. „Wie im Himmel“ gibt es nochmals am 20.10. und am 05.11. zu sehen.
Titelbild: David Graeter/LTT.