Im Silicon Valley wird unsere Zukunft programmiert – das stellt Claus Kleber in seinem Film „Schöne neue Welt“ fest. Am Dienstag war der Moderator im Kino Museum zu Gast, um mit Experten über die technologische Zeitenwende und ihre Folgen zu diskutieren. Über einen Abend zwischen Faszination und Beklemmung.

Wenn Claus Kleber etwas „unheimlich“ findet, heißt das einiges. Der 61-Jährige hat in vier Jahrzehnten als Journalist über Tragödien wie 9/11 berichtet, Atombombenbauer getroffen und hautnah den Hunger in der Dritten Welt erlebt. Für seine neueste Dokumentation schaute Kleber gemeinsam mit der Filmemacherin Angela Andersen in die Labore der Silicon-Valley-Innovatoren – und entdeckte eine Welt der grenzenlosen Möglichkeiten. „Es war wie für einen Moskito beim Stich in die Arterie: Wir waren berauscht von dem, was wir gesehen haben“, so Kleber. Doch was im Rausch bejaht wird, heißt der nüchterne Menschenverstand noch lange nicht gut – das wurde deutlich, als Kleber am Dienstag im Kino Museum von seiner Reise in die „Schöne neue Welt“ berichtete. Der Film zeigt Zukunftsentwickler wie Sebastian Thrun, einen deutschen Stanford-Professor, der den Menschen digitalisieren will. Seine Erlebnisse, seine Aussagen, seine Gedanken – alles soll erfasst und jederzeit abrufbar werden. „Der findet das faszinierend “, sagt Kleber. „Ich finde das eher unheimlich.“

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Journalist, Moderator, Württemberger – der in Reutlingen geborene Claus Kleber ist in Tübingen studierter Jurist.

Ein digitales Gedankenarchiv? Keine Utopie!

Ob faszinierend oder unheimlich – daran schieden sich unter den 700 Anwesenden im Kino Museum die Geister. Klebers Dokumentation wirkt wie ein Science-Fiction-Streifen, der ständig absurde Technologien vorführt, wie sie eigentlich nur aus einer anderen Galaxie stammen können – meint man. Tun sie aber nicht. Weder die Gentechnik der Firma Doudna, die jetzt schon die DNA von Viren umbauen kann, noch das selbstfahrende Auto, das quasi marktfertig bei Google in der Garage steht. Astro Teller, der Chef der Google-Forschungsabteilung, ist einer dieser Futuristen in Klebers Film, deren technologischer Ehrgeiz bisweilen verstörend sein kann. Er sagt: „Wir müssen uns als Gesellschaft an radikale Veränderungen gewöhnen, anstatt sie auszubremsen.“

Steuerberater, Anwalte, Ärzte – bald überflüssig?

Doch was bedeutet das für die breite Gesellschaft? Das diskutierte Kleber im Anschluss an die Film-Vorführung mit einer Experten-Gruppe. Für Markus Schmidt vom Technik-Riesen Bosch steht fest: „Zwischen 2020 und 2030 werden wir komplett selbstfahrende Autos erleben.“ Ein technologischer Segen? Nicht unbedingt – denn das autonome Fahren dürfte nicht nur Taxifahrer obsolet machen. Die Produktion wird von Beginn an maschinell ablaufen und ein Drittel weniger Arbeitskräfte benötigen. Im Mechatroniker-Bereich könnten ganze Berufszweige eingehen. Und nicht nur dort: „Viele Jobs, die mit dem Erfassen und Auswerten von Informationen zu tun haben, werden in Zukunft überflüssig werden“, sagt Claus Kleber. Steuerberater, Anwälte, Bibliothekare, Diagnose-Ärzte.

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Susanne Biundo-Stephan (li.) und Claus Kleber während der Diskussion im ausverkauften Saal des Kino Museum.

„Die Verantwortung wird immer beim Menschen liegen“

So düster diese Vision klingt: Sie ist vor allem ein Appell an die Wandlungsfähigkeit des Menschen. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich Berufe häufiger verändern als früher“, so Bosch-Mann Markus Schmidt. Doch was heißt das für die Machtverhältnisse im 21. Jahrhundert? Hecheln wir dem Fortschritt bald nur noch hinterher? Sind wir es, die irgendwann den Maschinen zuarbeiten – und nicht umgekehrt? Prof. Dr. Susanne Biundo-Stephan, Direktorin des Instituts für Künstliche Intelligenz in Ulm, gibt Entwarnung: „Die Verantwortung wird immer beim Menschen liegen. Künstliche Systeme werden nicht die Welt beherrschen.“ Worauf es ankommen wird, ist aber, mit der Zeit zu gehen. Eine Ausbildung und dann nie wieder lernen? „Vergessen Sie’s“, sagt Markus Schmidt. „Wir werden uns alle fünf oder zehn Jahre weiterbilden müssen.“

In den Denkfabriken des Silicon Valley wurde die Schnelllebigkeit der neuen Welt schon erkannt – und zu einem Geschäftsmodell entwickelt. Stanford-Guru Sebastian Thrun gründete 2012 die erste Internet-Universität der Welt; dort können sich Studierende online über sogenannte „Nano-Degrees“ fortbilden. Klingt nach übertriebenem Entwicklergeist made in USA? Vielleicht. Aber man sollte sich nicht wundern, wenn diese Strömungen auch bald bei uns ankommen.

Film-Tipp: „Schöne neue Welt: Wie Silicon Valley unsere Zukunft bestimmt“ – abrufbar über die ZDF Mediathek: https://www.zdf.de/dokumentation/dokumentation/schoene-neue-welt-120.html
Die Podiumsdiskussion im Re-Live: https://www.youtube.com/watch?v=1SrvVEfyQso
Fotos: Marko Knab

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1 Kommentar

  1. Ich finde das soweit ja alles ganz plausibel und nachvollziehbar. „Man kann sich dem Fortschritt nicht in den Weg stellen.“ – erinnere ich mich an ein Filmzitat eines neulich geschauten Filmes. Trifft für die hier produzierten Zukunftsvisionen sicherlich zu.

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