Modulhandbuch der außeruniversitären Malifikationen oder von der Kunst ein Student zu sein – asozial, faul, (ein)gebildet.

Vorwort

Es sei dieses Modulhandbuch angeraten zuallererst jenen, die sich aus Gründen (aus welchen, wisst ihr selbst besser), entschlossen haben, in einer schnelllebigen, hippen, kreativen, immer wieder überraschenden Stadt lieber nicht zu studieren und stattdessen nach Tübingen gezogen sind. Wer schon andernorts ein paar Hochschulsemester gesammelt hat, dem ist eigentlich nicht mehr viel beizubringen. Ihr seid mit großer Wahrscheinlichkeit schon desillusioniert genug, euch dem Fatalismus geschlagen zu geben. Lehnt euch einfach zurück (wenn ihr es nicht schon getan habt ihr faulen Säcke) und genießt die Show.

Somit bleibt mir noch die, mit dem sprachgewordenen Pendant ihrer naiven Lebensfreude betitelten, „Erstis“ zu adressieren. Statistisch gesehen (vermute ich, bin zu faul nachzuschauen), seid ihr vom „Worken“ in Australien frisch zurückgetravelt ins schwäbische Outback oder habt sonst wo nach euch selbst gesucht und dabei zumindest zwei Spanierinnen und einen Engländer gefunden, die, auf der Suche nach sich selbst, euch gefunden haben. Da man an der Uni einiges lernen kann, wofür man in Klausuren Punkte bekommt, empfehle ich nachfolgend einige Veranstaltungen, für die euch niemand einen Lachsmiley ins Heft malen wird, die aber Qualifikationen wie Müßiggang und Wichtigtuerei vermitteln.

Vorlesung: Angewandte Kombinatorik im Nudeltopf

In der Bedürfnishierarchie ganz unten angefangen, kann wohl davon ausgegangen werden, dass der/die Leser*in des eigenständigen Schlafens und Atmens mächtig ist, fraglicher Punkt bleibt also noch das Essen. Als Grundnahrungsmittel des gemeinen Studenten sind zu nennen: Nudeln, Tomatensoße. Berechnen wir die möglichen Kombinationen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass es derer zwei gibt: Tomatensoße auf Nudeln und Nudeln auf Tomatensoße. Es wird schnell klar, die Mathematik ernüchtert und ist damit im Kampf gegen den nüchternen Magen kontraproduktiv. Sie wird deshalb ergänzt um den kulturtheoretischen Ansatz des Proseminars:

Der Dönerspieß – Eine Allegorie auf die ständig um sich selbst rotierende Gesellschaft?

Analysiert und diskutiert werden soll hier insbesondere die kameradschaftlich-kannibalische Beziehung zwischen Student und gefülltem Fladenbrot, die besonders im Morgengrauen dem vergifteten Magen den Schmerz der vergangenen Nacht lindert. Als Lektüre ist anzuschaffen das Traktat Speisekarte des Philosophen Aksaray.

Kolloquium: Epistemologie für Erkenntnisfaule

Lasst es euch gesagt sein von einem, der wissen sollte, wie man wirkt, als ob man etwas weiß: dieses Kolloquium bereitet ideal vor, auf die Gretchenfrage nach den Berufsaussichten des gewählten Studiengangs: „Und was macht man dann damit?“. Durchgenommen werden Begriffe wie pejorativ (das heißt abwertend, das heißt bäh!), die es ermöglichen die finanzierende Verwandtschaft in kürzester Zeit optimal zu verwirren und ihren Erkenntnisdrang nachhaltig zu dämpfen. Studierende selbsterklärender Studienfächer sind von der Teilnahme befreit (Beispiel: Zahnmedizin).

Vorlesung: Rein oder Nicht-Rein? Existentialismus im Spätwerk von Meister Proper

Für diese Vorlesung sind einige studienbegleitende Leistungen zu erbringen, die auf das Abschlussprojekt saubere WG-Küche vorbereiten. Zunächst sollte in der Gruppe ein 15-seitiger Putzplan aufgestellt werden, der das Putzdesign erschöpfend begründet. Bezüglich des selbstständig zu erledigenden Geschirrspülens ist anzumerken: Einweichen (!) gilt als Betrugsversuch und kann mit Klodienst geahndet werden. Für die persönliche Hygiene gelten die üblichen Bestimmungen. Das Tutorium Gesichtshaarpflege ist für männliche Studierende rasurrelevant. Wer Interesse für die Ideengeschichte der Reinigungslehre hat, kann sich im Proseminar: Haja vs Hanoi – Die Dialektik des schwäbischen Geistes weiterbilden, wo unter anderem das Ritual der Kehrwoche erläutert wird.

Feldforschung: Culture & Celebration – Empirical Clubhaus-Studies

Wagen Sie sich in diesem Modul heraus aus der theoretischen Partyplanung im Whatsapp-Chatroom und hinein in die zahlreichen Clubs, nein Szenelokale, nein auch nicht… in die zahlreichen Kellerbars, wo das Tübinger Nachtleben pulsiert. Eine Warnung vorweg: um zu bestehen werden Sie einige Nachtschichten einlegen müssen, zudem können die fortgeschrittenen Inhalte nur in Partner- bzw. Gruppenarbeit bewältigt werden. Zum Schluss möchte ich noch Johann Wolfgang von Goethes Aufruf zitieren, den er 1797 aus einem Tübinger Fenster kotzte: „Genießt den Bierkeller, so lange es ihn noch gibt. Er ist eine Lokalität, deren Ambiente in Zweckmäßigkeit nur ihrem Namen gleichkommt. Außerdem merkt euch: High auf dem Mensadach kommt ihr New York so nah, wie nirgendwo sonst in Tübingen!“

Der Autor möchte anmerken, dass, auf halbem Wege vom Kopf auf das Papier, ein dreister Erzähler sich seines Texts bemächtigte und er deshalb seine Hände in Unschuld wäscht. Der dreiste Erzähler wäscht sich kaum und kann ab und an lamentierend auf der Wilhelmstraße, eine Fahne von Schnaps und Schadenfreude nach sich ziehend, angetroffen werden, wo er den Hoffnungen fremder Leute nachstellt. Boris Palmer empfiehlt eine Armlänge Abstand.

 Foto: Felix Müller.

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