Tübinger Geschichten: Sprachhaus am Nonnenhaus

Entspannt auf der Neckarmauer, als barfuß verschrien, weltoffen und traditionell – das ist Tübingen, wie wir es kennen und lieben. Heute: das stille Örtchen der frommen Frauen.

Das Nonnenhaus ist schon an sich ein ganz interessantes Gebäude: Es ist eines der größten Fachwerkhäuser Tübingens und im Mittelalter haben tatsächlich einmal Nonnen darin gewohnt, genauer gesagt Beginen, die sich vor allem karitativen Aufgaben widmeten. Schön und gut.

Was das Nonnenhaus dann aber auf andere Weise spannend macht, ist dieser schmale Anbau, der bis zum Ammerkanal reicht und unter dem vermutlich jeder von uns schon zig Male durchgelaufen ist. „Sprachhaus“ genannt (warum auch immer), soll er der Abort der Nonnen gewesen sein. Mit anderen Worten: Die haben einfach von da oben in den Ammerkanal ge…? Ja wie, war da dann ein Loch? Und dadurch fiel es runter? Genau. Und tatsächlich waren solche Aborterker im Mittelalter keine Seltenheit, häufig zum Beispiel auf Burgen anzutreffen. Ist ja auch irgendwie praktisch: aus den Augen, aus dem Sinn – und ganz besonders, wenn ein Kanal darunter fließt. Dabei macht seine Lage das Exemplar am Nonnenhaus nicht gerade zu einem stillen Örtchen. Ob es das damals eher war…? Vielleicht wurde der Ort ja gerade aufgrund seiner Funktion gemieden und erst als sich eine Geigenbauwerkstatt darin niedergelassen hat, wodurch sanftere Töne erklangen, wieder zum hoch frequentierten Durchgang.

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