Free education: Laut gegen Studiengebühren

Gegen die geplante Einführung der Studiengebühren für internationale Studierende und das Zweitstudium in Baden-Württemberg sind am Freitagnachmittag zahlreiche Studierende in Stuttgart auf die Straße gegangen.

„Wir sind hier, wir sind laut – weil man uns die Bildung klaut!“ Die grün-schwarze Landesregierung plant, Studiengebühren für internationale Studierende von außerhalb der EU und für alle Studierende, die ein Zweitstudium beginnen, einzuführen. 1500 Euro sollen dabei für die internationalen, 650 Euro für im Zweitstudium Studierenden anfallen. Außerdem ist eine allgemeine Anhebung des Semesterbeitrags um 10 Euro geplant.

Dagegen gingen zahlreiche Studierende aus Stuttgart, Tübingen, Heidelberg, Freiburg und anderen Städten auf die Straße. Die Landesastenkonferenz, die alle Studierendenvertretungen in Baden-Württemberg umfasst, und das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren riefen für eine Kundgebung auf den Stuttgarter Kronprinzenplatz, direkt beim Wissenschaftsministerium. Dort sitzt die grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, aus deren Feder die Pläne stammen. Sie war für eine Rede auf der Kundgebung angekündigt, erschien dann aber doch nicht.

„Mit den Studiengebühren wäre ich obdachlos“

Die Polizei geht von ungefähr 250 Demonstranten aus, die Veranstalter schätzen die Zahl auf 400. Shaatong, der Kunst an der Kunstakademie in Stuttgart studiert, ist einer von ihnen. Er kommt aus China und ist zum Zweck des Studiums nach Baden-Württemberg gekommen. Auch wenn die Gebühren ihn selbst nicht mehr betreffen, da diese erst für das Wintersemester 2017/18 gelten sollen, erschrickt er vor den Konsequenzen, die diese für internationale Studierende haben werden: „Ich habe jetzt bereits drei Nebenjobs um meinen Lebensunterhalt zu finanzieren… mit den Studiengebühren wäre ich obdachlos.“

Die hohen Bürden für internationale Studierende wurden auch von vielen Rednern auf dem Podest aufgenommen. So sagte Kurt Stiegler vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren: „Frau Bauer hat keine Ahnung von der Lebenswirklichkeit ausländischer Studierender.“ Und auch Cendrese Sadiku von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft meinte: „Wer Internationalität an den Universitäten will, kann keine Studiengebühren fordern. Die Einführung der Studiengebühren ist ein Armutszeugnis für ein finanziell starkes Bundesland.“ Auch die Jusos aus Heidelberg sagten durch die Einführung von Studiengebühren eine drastische Abnahme des internationalen Austauschs an den Universitäten voraus.

Nach einer Schweigeminute für freie Bildung um 13 Uhr wurden die Demonstranten wieder laut und bejubelten den SPD-Landtagsabgeordneten Andreas Stoch, der sich mit den Demonstranten solidarisierte. „Ich hätte nie geglaubt, dass wir jemals wieder gegen Studiengebühren auf die Straße müssen“, meinte er und bezeichnet die Pläne der grün-schwarzen Landesregierung als Schande für Baden-Württemberg. Gleichzeitig sei die Einführung der Studiengebühren für internationale Studierende ein „gefährliches Spiel“, da man dadurch rechte Argumente bediene.

Zweitstudium macht man nicht aus Jux und Tollerei

Johannes Müller lauschte gemeinsam mit den anderen Demonstranten den Beiträgen der Redner. Er reckte dabei sein Schild „Bildung ist keine Ware“ in die Höhe. Er studiert im dritten Mastersemester Luft- und Raumfahrttechnik an der Uni Stuttgart. Für ihn fühlt es sich so an, als ob durch die Pläne der Wissenschaftsministerin die Studiengebühren durch die Hintertür wieder eingeführt werden. Bezüglich des Zweitstudiums meint er, dass Menschen dies aus ernsthaften Gründen für ihren beruflichen Werdegang auf sich nehmen, „nicht aus Jux und Tollerei“. Auch Isabell Albert von der IG Metall steht dafür ein, dass ein Zweitstudium eine Reaktion auf gestiegene Anforderungen im Arbeitsleben sei. „Statistisch gesehen wird jeder von uns siebenmal den Job wechseln. Deshalb ist die Einführung von Studiengebühren ein Schritt in die falsche Richtung auf einem sich verändernden Arbeitsmarkt.“

Den Abschluss machte eine „open stage“, wobei jeder die Möglichkeit bekam, sich Gehör zu verschaffen. Diese Gelegenheit nutzte unter anderem eine Professorin für Agrarwissenschaften der Subtropen an der Universität Hohenheim und schilderte die Bereicherung durch die internationalen Studierenden, gerade aus Ländern wie zum Beispiel Pakistan, Afghanistan, Ghana und Brasilien, die allesamt durch die Einführung der Studiengebühren betroffen wären und dann eventuell nicht mehr zum Studium nach Baden-Württemberg kommen würden.

Im Anschluss zogen die Demonstranten durch die Stadt zum Hauptbahnhof und machten durch Slogans wie „No border, no nation – free education“ und „Bildung ist ein Menschenrecht, für Menschenrechte zahlen wir nicht“ auf sich aufmerksam.

Die Veranstalter kündigten weitere Veranstaltungen an. Über die Termine könne man sich zu gegebener Zeit auf der Website der Landesastenkonferenz (LAK) informieren.

Der Stuttgarter Student Michael Czechowski stellte auf der „open stage“ die Plattform buntebildung-freiebildung.de vor, die er für den Austausch und die Vernetzung gegen die geplante Einführung der Studiengebühren ins Leben gerufen hat.

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