Horst Köhler: „Ich habe einen Traum“

200 Jahre Wirtschaftswissenschaft in Tübingen – ein Jubiläum, das vermutlich an dem ein oder anderen vorbei gegangen wäre, wenn die Fakultät zu diesem Anlass nicht Bundespräsident a.D. Horst Köhler eingeladen hätte. Gestern Abend stellte er seine Vision für die Weltwirtschaft vor.

Wenn nicht nur WiWis zu einem Vortrag über die Zukunft der Wirtschaft gehen, dann muss das einen besonderen Grund haben. Dieser Grund hieß am Donnerstagabend Horst Köhler. In der Neuen Aula zeigte der Honorarprofessor und Ehrensenator der Universität den Zuhörern auf, vor welchen Herausforderungen die Wirtschaft steht und was es braucht, um diese zu meistern.

„Meine Schwabenehre verbietet mir einfache Antworten“

Dass unsere Zeit eine komplexe ist, macht der ehemalige Bundespräsident gleich zu Anfang seiner Rede deutlich. Dass dies aber nicht bedeuten darf, aus Überforderung nach einfachen Antworten zu suchen, betont er mit gleichem Nachdruck. Dasselbe gilt auch für die Weltwirtschaft. Wer nach Lösungen sucht, muss global denken. Damit spielt er auf die nationalistischen Tendenzen an, die momentan sowohl in den USA, als auch in Deutschland oder Frankreich zu beobachten sind.

Eine Zukunft mit Wohlstand brauche Umdenken. Dabei spiele vor allem die Entwicklung Afrikas eine Rolle, so der ehemalige Bundespräsident.

Lösungen müssen global sein

Problembewusst, aber optimistisch blickt der promovierte Wirtschaftswissenschaftler in die Zukunft. Die Zeit, in der wir heute leben, könnte rückblickend als Zeitenwende betrachtet werden, wenn wir Probleme wie Bevölkerungswachstum, planetare Grenzen und Digitalisierung richtig angehen. Wie wichtig dabei die globale Zusammenarbeit ist, macht er immer wieder deutlich. Ansätze wie die Sustainable Development Goals empfindet er als mutig und richtig. Mit Bezug auf diese Ziele erläutert der Ehrengast seinen Traum einer Wirtschaft, die nach einem neuen Paradigma der Zusammenarbeit und Rechenschaftspflicht funktioniert. Dabei müsse vor allem der afrikanische Kontinent mit einberechnet werden. Nur wenn Verteilungsfragen neu überdacht würden, könne Wohlstand aufrechterhalten werden.

„Wenn wir Frieden wollen, darf niemand zurückgelassen werden.“

Kapitalismus und Gerechtigkeit?

So richtig viele der Beobachtungen sind, die Horst Köhler an diesem Abend macht – es bleibt doch die Frage, wie realistisch die Verwirklichung der Ansätze ist. Es steht außer Frage, dass ein ökologisches Umdenken die Grundlage für die Zukunft aller Menschen ist, aber es ist wohl auch Fakt, dass Marktwirtschaft und Verteilungsgerechtigkeit häufig schwierig zusammen funktionieren. Es braucht wohl einen gewissen Idealismus, ein Fragen nach dem Sinn und nicht nur nach Wachstum, wie der engagierte Ex-Politiker an diesem Abend appelliert. Besonders diejenigen, die in Wohlstand leben, sind in der Verantwortung und Lösungen müssen jetzt diskutiert werden, auch das wird an diesem Abend klar.

Fotos: Paul Mehnert.

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