Unter dem Motto „Die PsychotherapeutInnen in Ausbildung sind am Boden!“ demonstrierten am Samstag etwa 40 Studierende der Psychologie für mehr Arbeitsschutz und eine angemessene Bezahlung während der Ausbildung. Sie sammelten Unterschriften und wollen, dass die Politik in der neuen Legislaturperiode sich ihrer Probleme annimmt.
Samstagmittag, die Altstadt wimmelt von Menschen, in Cafés unterhalten sich Studierende über anstehende Klausuren und durchzechte Nächte. Touristen knipsen Bilder und betrachten die Stocherkähne, die auf dem Neckar dahintreiben. Doch nicht überall ist die Stimmung von Zeitvertreib und Genuss geprägt. Am Zinser-Dreieck ruft eine junge Studentin: „Weil die Ausbildung uns fertig macht, legen wir uns jetzt auf den Boden, damit das auch alle mitbekommen!“. Etwa 40 Studierende der Psychologie protestieren gegen die Bedingungen einer Ausbildung zur PsychotherapeutIn. Sie wollen eine Neufassung des Psychotherapeutengesetzes. Unter dem Motto „Kein Geld fürs Sofa – Die PsychotherapeutInnen in Ausbildung sind am Boden!“ verteilen sie Flyer und sammeln Unterschriften.
Auf einem roten Sofa, das die Studierenden auf die Fußgängerzone gestellt haben, steht: „PatientInnen auf der Couch, PsychotherapeutInnen auf der Straße“. Sie wollen auf die schlechten Ausbildungsbedingungen und die finanzielle Unsicherheit aufmerksam machen, der viele PsychotherapeutInnen während ihrer Ausbildung ausgesetzt sind. 1800 Arbeitsstunden müssten die angehenden PsychotherapeutInnen für ein Gehalt von etwa 50 Cent pro Stunde arbeiten, sagt Antonia Seitz, Mitglied der Fachschaft Psychologie. Parallel zu diesem Vollzeitjob müssen die Auszubildenden Unterrichtstunden besuchen und in der Lage sein, ihre Wohnung zu bezahlen.
Auszubildende müssen mehr Verantwortung übernehmen als ihre Fähigkeiten erlauben
Wegen des Praktikantenstatus finden sich angehende Psychotherapeuten in prekären Arbeitsverhältnissen wieder. Viele haben mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Während der Ausbildung haben die Studierenden nur einen bedingten Rechtsstatus, keinen Mutterschutz und keinen Anspruch auf Krankheitsvertretung. Eine Arbeitsversicherung müssten die meisten selbst bezahlen, sagt eine Studentin. Da an den Unikliniken erheblicher Personalmangel herrscht, fehlt es unter anderem an Anleitung und Hilfestellung. Auszubildende müssten teilweise mehr Verantwortung übernehmen als ihre Fähigkeiten erlauben würden, berichtet Hannah Lönneker, die im achten Semester Psychologie studiert.
In einem Positionspapier des Konferenzrats der Psychologie-Fachschaften-Konferenz sind die zentralen Forderungen der Studierenden und Auszubildenden zusammengefasst: „Wir fordern schriftliche Verträge, die den arbeitsrechtlichen Standards entsprechen und in denen unter anderem eine angemessene Vergütung, die Dauer und eine zeitliche Gliederung der praktischen Tätigkeit festgelegt sind. Rechte, Pflichten, Aufgaben und Erwartungen an die PsychotherapeutInnen in Ausbildung sollen im Arbeitsvertrag transparent dargestellt werden“.
Zunehmende Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen ist ein Problem, mit dem sich nicht nur Studierende, sondern ein immer größer werdender Teil der Gesellschaft, auseinandersetzen muss. Das Statistische Bundesamt gibt an, dass 2012 knapp acht Millionen Menschen ihr Geld in atypischen Beschäftigungsverhältnissen verdient haben. Mit atypischen Beschäftigungsverhältnissen sind Leiharbeiter, Minijobber oder Teilzeitbeschäftigte gemeint. Die genannten Gruppen teilen eine unsichere Zukunft, ihre Arbeitsverträge sind meist geprägt von unzureichender Verantwortungsübernahme seitens der Arbeitgeber. Studierende, die in Praktika Erfahrungen sammeln wollen, arbeiten teilweise unter problematischeren Bedingungen als Leiharbeiter.
Die Studierenden, die am Samstag am Zinser-Dreieck demonstrierten, zeigen ihren Unmut gegenüber dem Nichteingreifen der Politik. „In der nächsten Legislaturperiode“, sagt Hannah „wollen wir, dass die Politik dieses Problem angeht.“
Fotos: Lukas Kammer