Der freie Journalist Sandro Mattioli ist ein Kind der Tübinger Rhetorik. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Machenschaften des organisierten Verbrechens durch seine publizistische Arbeit aufzudecken. Bei Querfeldein sprach er über Probleme und Hoffnungen seiner Tätigkeit.
Angst hat er nicht, sagt er. Aber Respekt. Locker sitzt Sandro Mattioni auf dem grünen Sofa des Ribingurūmu. Warm ist es, nicht zuletzt deshalb fühlt es sich ein wenig nach Italien an, als er von seiner Arbeit erzählt. Er mahnt auch dazu, den wachsenden Einfluss der mafiösen Strukturen in Deutschland einzudämmen. Als Journalist wolle er nicht aus dem Elfenbeinturm arbeiten, so Mattioli. Viel lieber ist er mitten im Geschehen.
Der europaweite Sumpf
Als die Veranstaltung endet, fühlt es sich an, als ob man eine Art Sumpf verlässt. Beängstigend sind manche Ausführungen Mattiolis. So wie die Verstrickung der HSH Nordbank in ein Geldwäschegeschäft im Süden Italiens. Das deutsche Geldinstitut hatte nachweislich in einen Windpark investiert, der sowohl bestehende Auflagen verletzte, als auch der Geldwäsche diente. Die Anlage war zwischenzeitlich beschlagnahmt, dann wieder freigegeben und ist mittlerweile wieder gepfändet. Die Kreditgeber aus dem Norden Deutschlands haben sich damals höchstpersönlich vom in das Geschäft involvierten Familienclan über das Gelände führen lassen.
Spätestens hier wird auch klar, dass die Tätigkeiten der Mafia keineswegs mehr ein italienisches Problem sind. Vielmehr hat die organisierte Kriminalität auch in Deutschland Fuß gefasst. Lasche Gesetze und der Fakt, dass die Mafia-Angehörigkeit nicht strafbar ist, sind nur zwei Gründe dafür. Auch deshalb hat die ’Ndrangheta` sich Deutschland als einen ihrer zentralen Umschlagplätze für das aus illegalen Geschäften entsprungene Geld ausgesucht. Unauffällig und am liebsten in Ruhe agieren die oft noch immer in Form von Clans geführten Netzwerke.
„Man muss den Anfängen wehren. Wobei die Anfänge eigentlich schon vorbei sind.“
Das mangelnde Bewusstsein in der deutschen Öffentlichkeit kommt ihnen dabei mehr als entgegen. Genau dagegen kämpft Mattioli. Das Ziel des Vereins „Mafia? Nein danke!“ ist die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses heikle Thema. Mattioli ist Vorsitzender der kleinen Berliner Verbindung. Ein weiteres Problem sei auch, dass Namen, die an die organisierte Kriminalität angelehnt sind, eine positive Konnotierung genießen. Das Restaurant „Don Corleone“ ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Die Menschen müssten sich gegen die Mafia wenden, das sei am kritischsten für sie.
Es werden aber nicht nur die dunklen Seiten der deutsch-italienischen Beziehungen beleuchtet. Mattioli erzählt von seinem ersten Buch, einem Ratgeber für Touristen in Italien. Es entstand auf Initiative eines Verlags, lag ihm aber aufgrund seiner Wurzeln ebenfalls am Herzen. Sein zweites Buch, das sich wiederum mit der Müllmafia beschäftigt, ging ebenfalls von einem Verlag aus. In den Recherchen mit seinem Kollegen Andrea Palladino ergaben sich brisante Verbindungen von Geheimdiensten mit der Mafia. Den Kampf gegen die Mafia könne man nicht im klassischen Sinne gewinnen, aber aufgeben komme für ihn nicht in Frage. Am Ende des Abends muss man sich glücklich schätzen, dass sich jemand wie Mattioli mit diesen Themen beschäftigt. Ebenso erfreulich ist es aber, dass er dabei auch so bodenständig und realistisch geblieben ist.
Fotos: Paul Mehnert