Ein UN-Diplomat erklärt, wie man internationale Konflikte löst

Die Vereinten Nationen sind nicht so effektiv, wie sie sein sollten und könnten. So sieht das der ehemalige UN-Diplomat Hans-Christof von Sponeck. Warum? Und was sollte sich ändern? Das erklärte er den rund 70 Zuhörern im Weltethos-Insitut am Donnerstag Abend. Die Veranstaltung bildete den Auftakt der Tübingen International Crisis Simulation, die an diesem Wochenende stattfindet.

Hans-Christof von Sponeck ist jemand mit echter Erfahrung im Lösen von Konflikten. Der deutsche Diplomat war 32 Jahre lang für die Vereinten Nationen tätig. Im Jahr 2000 trat er von seiner hohen Position als Beigeordneter des UN-Generalsekretärs und Koordinator für ein Hilfsprogramm im Irak zurück, da er mit der Sanktionspolitik des UN-Sicherheitsrates gegen den Irak nicht einverstanden war. Er ist somit ein gefragter Experte, auch deshalb, weil er die Vereinten Nationen durchaus kritisch sieht.

Dementsprechend aufmerksam waren die rund 70 Zuhörer, die (obwohl die Veranstaltung öffentlich war) fast ausschließlich Teilnehmer der Tübingen International Crisis Simulation (TICS) waren. Die Konferenz wird an diesem Wochenende bereits zum zweiten Mal von der UN-Hochschulgruppe ausgerichtet. Im Rahmen dieser wird an einem langen Wochenende eine Krisensitzung der Vereinten Nationen simuliert. Studierende aus der ganzen Welt finden sich dazu in Tübingen ein und schlüpfen unter anderem in die Haut des US-Präsidenten oder des chinesischen Verteidigungsministers. So üben sie sich im Lösen internationaler Krisen.

Das Team der UN-Hochschulgruppe Tübingen begrüßte die Teilnehmer der Krisensimulation zu Beginn der Eröffnungsveranstaltung.

Und der Experte von Sponeck konnte einige Tipps geben, was einen guten Diplomaten ausmacht. Bevor er dies tat, ging er aber darauf ein, warum die Vereinten Nationen nicht so erfolgreich darin sind, Konflikte zu verhindern, wie sie es seiner Meinung nach sein sollten.

Was sind die Vereinten Nationen?

Die Vereinten Nationen (auf englisch United Nations, kurz UN) sind ein Zusammenschluss von 193 Mitgliedstaaten. Sie sind 1945 entstanden, um die weltweite Einhaltung des Völkerrechts und der Menschenrechte zu fördern. Die UN besteht aus verschiedenen Institutionen, so zum Beispiel der Generalversammlung, also der Vollversammlung aller Mitglieder, dem Internationalen Gerichtshof oder dem Sicherheitsrat. Der Sicherheitsrat ist ein sehr wichtiges Gremium der Vereinten Nationen, denn dort können die Mitglieder zum Beispiel Sanktionen gegen bestimmte Länder beschließen oder auch Streitkräfte entsenden. All diese Institutionen nannte von Sponeck in seinem Vortrag die „politische UN”. Gleichzeitig gibt es aber noch 17 Sonderorganisationen, die er als „operationale UN” bezeichnete. Darunter fällt zum Beispiel die Gesundheitsorganisation WHO oder der Internationale Währungsfonds IWF. In dieser Unterscheidung in „politische” und „operationale UN” liegt ein Knackpunkt. Denn hier sieht von Sponeck einen Weg, wie die UN besser in der Verhinderung von Konflikten werden kann als sie es momentan ist. Aber zunächst einmal:

Warum findet von Sponeck (und viele andere auch), dass die UN nicht erfolgreich darin ist, internationale Konflikte zu verhindern?

Das liegt zu einem großen Teil daran, wie der Sicherheitsrat aufgebaut ist. Ich sagte eben schon, dass der Sicherheitsrat ein sehr wichtiges Gremium der Vereinten Nationen ist, große Entscheidungen werden hier getroffen. Das große Manko: Nur 15 Staaten sitzen im Sicherheitsrat, das heißt nur ein sehr kleiner Teil der 193 Mitgliedstaaten. Davon gibt es fünf sogenannte ständige Mitglieder: die USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien. Sie sind immer Teil des Sicherheitsrats. Und dann gibt es noch zehn weitere Sitze, diese rotieren und werden alle zwei Jahre neu vergeben. Die Staaten, die diese Sitze innehaben, bezeichnet man als die nicht-ständigen Mitglieder. Bei allen Entscheidungen, die im Sicherheitsrat getroffen werden, haben die fünf ständigen Mitglieder ein Vetorecht, das heißt sie können jede Entscheidung alleine blockieren. Und darin liegt ein Problem.

„Die Mitglieder müssen ihre nationale Kleidung ablegen und die internationale anziehen, das passiert momentan nicht”

Denn aufgrund der unterschiedlichen nationalen Interessen der fünf ständigen Mitglieder endet der Sicherheitsrat oft in einer Sackgasse, unfähig zu einer Entscheidung. Sehen kann man das am Beispiel Syrien, Jemen, oder dem Konflikt zwischen Palästina und Israel. Und deshalb findet von Sponeck, dass die Vereinten Nationen eine Reform brauchen. Er fordert eine Abschaffung des Veto-Rechts, wie es momentan im Sicherheitsrat gilt. Und er will, dass Afrika, welches momentan überhaupt keinen permanenten Sitz im Sicherheitsrat hat, angemessen repräsentiert wird.

Aus der Erfahrung durch seine langjährige Arbeit für die UN, sowohl im politischen als auch im operationalen Teil, stellte von Sponeck eine Vermutung auf: Er denkt, dass die UN Konflikten besser begegnen könnte, wenn diese beiden Teile verknüpft würden. Denn im operationalen Teil, also den Agenturen, sitzt viel Expertise, die man dann nutzen würde.

„You will be involved in mediation. It´s gonna be fun. I know, it is”

Aber wie vermittelt man am besten in verzwickten Konflikten mit unterschiedlichen Interessen? Hier gab von Sponeck den Teilnehmern der Konferenz praktische Tipps für die kommenden Tage an die Hand:

  • „Der Tisch muss rund sein, denn wenn der Tisch rund ist, gibt es keinen Anführer”, so lautete von Sponecks erste Handlungsanweisung. Das bedeutet, dass alle Konfliktparteien gleichberechtigte Verhandlungspartner sein müssen.
  • Es darf für die Verhandlungen keine Vorbedingungen geben. Das illustriert er am Beispiel des syrischen Machthabers Assad. „Wenn vor den Verhandlungen gefordert wird, dass Assad gehen muss, ist das ein erster Schritt in die falsche Richtung. Tatsache ist, dass er das Staatsoberhaupt ist. Und als ein solcher muss er Teil der Verhandlungen sein”, meinte von Sponeck.
  • Aufmerksames Zuhören
  • Bereitschaft zu Kompromissen
  • Und schließlich: ein Sinn für Humor
Die knallenden Sektkorken kündigten das anschließende Buffet schon während der Standing Ovations für den Redner an.

Mit diesem kleinen Diplomaten-Handbuch entließ er die Teilnehmer der diesjährigen TICS in ihr Wochende voller Konfliktlösung. Genauer: Die Kabinette der USA, China, Australien, Japan, den Phillippinen und Korea werden sich in diesem Jahr dem Korea-Konflikt und den Konflikten im süd- und ostchinesischen Meer widmen.

Wenn du noch mehr über die Vereinten Nationen erfahren willst, findest du unter dem folgenden Link einen  sehr aufschlussreichen Artikel (allerdings nur bis zur Bezahlschranke für Nicht-Mitglieder).

Fotos: Lisa Becke

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