„…und nicht alle Amerikaner sind dick“. Jeden Monat wird in Tübingen im Deutsch-Amerikanischen Institut zwischen Arabern, Amerikanern und Deutschen ein Dialog geführt, um über kulturelle Gegensätze und Gemeinsamkeiten zu reden und Vorurteile abzubauen.
Der Dialog entstand 2003 während der Zeit des zweiten Golfkriegs. Tübingen fungierte zu dieser Zeit als Drehscheibe für Aktionen gegen den Irakkrieg. Als eines Tages Amerikaner vor dem d.a.i. gegen den Irakkrieg demonstrierten, fragten sich einige Araber, warum genau sie das machen, konnten es aber nicht nachvollziehen. Auf dieser Basis entstand der Dialog – der mittlerweile seit 15 Jahren besteht -, um sich gegenseitig besser zu verstehen.
Die Moderatoren stoßen ein Thema zur Diskussion an, allerdings ist es auch möglich, dass die Teilnehmer sich mit anderen Themen durchsetzen. Niemand redet länger als maximal zwei Minuten pro Wortbeitrag, um den Austausch zu erhalten, und auch zuzuhören.
Die Runde setzte sich zusammen aus einem Palästinenser, zwei Syrern, einem Ägypter, einer Südamerikanerin, einer Amerikanerin, zwei Deutschen und den beiden Moderatoren.
Am Mittwoch wurde erst die Entscheidung Trumps zum Thema Jerusalem diskutiert – was hier auffällt, ist dass das Zusammenspiel der verschiedenen Hintergründe und damit Erfahrungen der Teilnehmer zu einer sehr offenen und interessanten Diskussion geführt hat. Zum Beispiel verschiedene Meinungen, was Trumps Entscheidung genau für Nahost bedeutet und ob Deutsche sich aufgrund ihrer Geschichte bezogen auf den Nahost-Konflikt anders verhalten oder anders verhalten könnten. Dabei kam nach und nach auch immer wieder das Thema Religion zur Sprache.
„Ich habe nicht registriert, dass er Christ ist“
Einer der Teilnehmer erzählte zu diesem Thema eine Geschichte von früher, als sie in ihrer Heimat zusammen mit Christen Ostereier bemalten, ohne aber den Aspekt, dass „sie Muslime und ihre Nachbarn Christen seien, zu beachten. An Ostern gab es nun mal Ostereier.“
Er meinte, dass früher alle Religionen in der Region friedlich zusammengelebt hätten, sich das aber leider über die letzten Jahre langsam ändern würde. Er erzählte außerdem von einem Arbeitskollegen, den er hier in Tübingen kennengelernt hat und sechs Jahre an dessen Seite arbeitete. „Religion war einfach nicht wichtig, ich habe erst nach sechs Jahren registriert, dass er Christ ist“. Ein zunehmender Rechtsruck und eine Abneigung der verschiedenen Religionen untereinander sei leider zu beobachten, obwohl es, seiner Meinung nach, Normalzustand sein sollte, sich mit Menschen unabhängig ihrer Religion gut zu verstehen.
„Menschen finden Trennpunkte um ihre Konflikte zu rechtfertigen“
Auch das Thema Flucht und Flüchtlinge kam zur Sprache, genauso wie Religion als „Instrumentalisierung“ für machtpolitische Zwecke und die Trennung zwischen Ost und West. In diesem Kontext wurden auch Erfahrungen ausgetauscht, Gemeinsamkeiten herausgestellt (Benutzt der IS Religion alleine als Mittel der Mobilisierung oder kam dies in der Geschichte schon häufiger vor?) und vor allem Brücken gebaut – bezogen auf die Trennung des Osten und des Westens im allgemeinen Diskurs, obwohl sich „der Westen“ nicht unbedingt als Einheit betrachtet und sehr divers ist – genauso wie „der Osten“.
Mir wurden viele Dinge in der Diskussion klarer, oder ich habe sie von einer komplett neuen Seite betrachtet. Dieser Dialog ist der einzige dieser Art in Deutschland und wird zunehmend weniger besucht, dabei ist, meiner Meinung nach, gerade jetzt dieser Austausch und das „Brückenbauen“ hinweg über soziale und kulturelle Unterschiede sehr wichtig. Beim Dialog wird jeder mit offenen Armen empfangen und es besteht die Möglichkeit, lediglich auch einfach zuzuhören.
Die nächsten Termine des „Arabisch-Amerikanischen Dialogs“ sind der 7. Februar und der 7. März, jeweils um 20.00 Uhr, im d.a.i. in Tübingen.
Weitere Informationen zur Entstehungsgeschichte des Dialogformates gibt es unter http://bit.ly/2mSCIi2
Foto: dai offiziell