Themenvorträge im Schloss: Politik und Müßiggang im klassischen Athen

Am vergangenen Sonntag fand im Schloss Hohentübingen ein Themenvortrag mit dem Titel: „Auf der Agora – Politik und Müßiggang im klassischen Athen“ statt. Christina Häfele, eine Historikerin des MUT sprach in einem so vollen Raum, dass gerade noch für jeden Zuhörer ein Sitzplatz zu haben war. Was die Historikerin über Teilhabe, Theatervorstellungen und Trinkgelage zu erzählen wusste, erfahrt ihr hier.

Die Alltagsgeschichte der Bürgerschaft von Athen nach den Perserkriegen, als die Stadt gerade prosperierte, sollte bei dem Vortrag, der um 11 Uhr  im Fünfeckturm begann, im Mittelpunkt stehen. Um den zeitlichen Rahmen nicht zu sprengen, mussten leider Sport im Allgemeinen und ein Blick auf andere Stadtstaaten, wie Sparta und Korinth ausgespart werden.

Der Vollbürger und andere Einwohner der Stadt

Zuerst definierte Frau Häfele den Begriff „Bürger“, wie er im klassischen Athen verstanden wurde. Es handelte sich dabei um einen mindestens achtzehn Jahre alten Mann, dessen Eltern beide in Athen geboren sein mussten und der sich aktiv am öffentlichen Leben beteiligte, das heißt „an Gericht und Regierung teilnahm“. Zu diesen Bürgern gehörten maximal 40.000 der – wenn man vorsichtigen Schätzungen Glauben schenkt – 300.000 Einwohner Athens. Von jenen 300.000 sollen ungefähr 100.000 Sklaven gewesen sein.

Wie sich der Künstler Leo von Klenze das antike Athen vorstellte: Ein Ölgemälde der Akropolis von 1846.

Über die Rolle der Frau ist wenig dokumentiert: Sie waren für den Haushalt zuständig, politische Teilhabe war ihnen verboten und wenn dem Haushalt genügend Sklaven zur Verfügung standen, dass die Frau keine Hausarbeit zu tun brauchte, wob sie als Freizeitbeschäftigung an einem großen Webstuhl.

Von den Sklaven ist überliefert, dass selbst „arme“ Bürger mindestens einen besaßen. Den Sklaven war es verboten zu heiraten und Eigentum zu besitzen. Versklavte, die nicht im Haushalt beschäftigt waren, wurden für allerlei harte und unangenehme Arbeit herangezogen, so beispielsweise zum Bergbau. Erwähnt wird die Sklaverei schon von Homer, der im achten Jahrhundert vor Christus geschrieben haben soll. Dieses daher selbstverständliche Abwälzen von schwerer Arbeit auf Andere ermöglichte den männlichen Vollbürgern dann eben jene zeitintensive politische Betätigung und den Müßiggang.

Die Stadt & der politische Alltag

Das Meiste davon spielte sich außer Haus auf dem Agora genannten Marktplatz ab, dessen archäologische Spuren bis ins siebte Jahrhundert vor Christus zurückreichen. Grund dafür scheint nicht zuletzt der schlechte Zustand der beengten Häuser gewesen zu sein, der sich trotz der guten wirtschaftlichen Lage nicht verbesserte. Überraschend für Fremde waren die Häuser meist höchstens einstöckig und aus Lehm gebaut, der es Anekdoten zufolge Dieben erlaubte, einfach die Wand einzudrücken. Aber auch auf und um den Marktplatz sah es wahrscheinlich nicht viel besser aus: Kanalisationen fehlten völlig, dementsprechend auch öffentliche Toiletten, wie man sie aus dem Alten Rom kennt. Aus diesen hygienischen Zuständen resultierten die zu erwartenden regelmäßigen Seuchen.

Einer der berühtmen Wandelgänge der ehemaligen Polis Athen ist die Stoa von Attalos. In früheren Zeiten waren hier Händler, Philosophen und andere Bürger anzutreffen.

Auf dem Weg zur Agora wurde eingekauft und der Einkauf von mitgenommenen Sklaven nach Hause getragen. Nebenbei aß man an Garküchen die meisten der täglichen Mahlzeiten. Zu den Zutaten gehörten vor allem Oliven, Käse, Brot, Getreide und gegrilltes Fleisch. Schon unterwegs traf man den einen oder anderen Bürger mehr oder weniger zufällig auf ein politisches Gespräch, so dass der Weg auch Stunden in Anspruch nehmen konnte. Um die Agora waren verschiedene Gebäude angeordnet. Es bot sich an, zuerst das Denkmal der Helden der Eponymen aufzusuchen, da dort alle öffentlichen Bekanntmachungen angeschlagen wurden, so auch wann die nächste politische Abstimmung oder das nächste Losverfahren zu den Geschworenen des Schwurgerichts anstand.

Für extrem wichtige, staatstragende Angelegenheiten konnte man jederzeit das Ratsgebäude aufsuchen, das zu jeder Tages- und Nachtzeit mit mindestens einem Drittel der Ratsmitglieder besetzt war, so dass die Exekutive immer handlungsfähig war. Meistens suchten die Bürger jedoch eher eine Stoa genannte Wandelhalle auf, nach heutigen Begriffen ein „Multifunktionsgebäude“, das dem Staatsschatz Schutz bot, Treffen und Reden im Schatten ermöglichte und Läden und Geschäfte enthielt. Dort wandelte man in Säulengängen auf und ab und übte sich im Philosophieren und führte politische Gespräche.

In der Tradition des Dionysos – Das Theater und der Rausch

Diese fast tägliche Beschäftigung wurde von den schon erwähnten Abstimmungen unterbrochen, aber auch von den obligatorischen Theaterbesuchen, die ihren Ursprung im Dionysoskult hatten. Auf improvisierten Holztribünen um die Agora nahmen die Zuschauer Platz und ließen – oft mürrisch bis aggressiv – bis zu zehnstündige Veranstaltungen über sich ergehen, welche die Tagespolitik behandelten und ausschließlich von männlichen Schauspielern bestritten wurden. Die Aufführungen waren nicht nur sehr aufwendig, es wurde auch den Besuchern ihr Einkommensausfall für den Besuch ersetzt, so dass es den Staat extrem teuer zu stehen kam, diese Einrichtung aufrecht zu erhalten. Die improvisierten Tribünen waren lange Gang und Gäbe und wurden erst nach einem erheblichen Unfall durch das klassische Amphitheater, das Dionysostheater ersetzt.

Symposion mit Hetäre auf einer Vasenmalerei. Diese Festlichkeiten liefen wohl meist alles andere als gesittet ab. (Quelle: Museo Arqueológico Nacional de España, ©Marie-Lan Nguyen / Wikimedia Commons  [CC BY 2.5])

Ging der Tag dann irgendwann dem Ende entgegen, wurde man oft von einem wohlhabenden Bürger zum Abendessen eingeladen oder lud, bei entsprechendem Geldbeutel, selbst andere ein. Nach dem Abendessen, das die Hauptmahlzeit des Tages darstellte, ging man zum sogenannten Symposion über. Überflüssig zu sagen, dass Frauen, außer die Hetären genannten Unterhalterinnen, die Teilnahme verweigert war. Bei einem Symposion handelte es sich nämlich um ein privates Trinkgelage, das in der Theorie einigermaßen gesittet ablaufen sollte. Dazu wurde ein Teilnehmer ausgelost, der die Zusammensetzung von Wasser und Wein kontrollieren sollte und damit auch die Stimmung beeinflussen können sollte. Als in ihrer eigenen Wahrnehmung einziges zivilisiertes Volk nämlich kannten die Griechen natürlich Wein – genossen ihn aber nur verdünnt. „Barbaren“ tranken entweder keinen Wein oder schütteten ihn unverdünnt in sich hinein. Vasenmalereien sprechen der Kontrolle jedoch Hohn: Die Motive zeigen sich übergebende, in Trinkgefäße urinierende und zusammengesunkene Teilnehmer, die von anderen Gästen gestützt werden müssen.

Mit dem Ende des bürgerlichen Athener Tages endete auch Frau Häfeles Vortrag. Obwohl sie eine Viertelstunde überzogen hatte, war es nicht langweilig geworden und die Zuhörer spendeten den verdienten Beifall. Daran schloss sich eine ausgiebige Fragerunde an, deren Details den Rahmen dieses Artikels sprengen würden. So viel muss aber gesagt werden: Frau Häfele antwortete auf alle noch so verschiedenen Fragen ausführlich und völlig aus dem Stehgreif. Dafür bekam sie einen weiteren Beifall.

Bilder: Wikimedia Commons
Titelbild: Pixabay

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