Der Studierendenrat, kurz StuRa, tagt alle zwei Wochen, um die Interessen aller Studierenden an der Uni Tübingen zu vertreten. Wie genau laufen die öffentlichen Sitzungen ab und was wird dort besprochen? Das Wichtigste aus der StuRa-Sitzung vom Montag, 15. Juli, erfahrt ihr hier.
Die Luft knisterte schon vor Beginn und Staubkörner wirbelten aufgeregt durch die Luft. Auch die Farbe schien auf einige der Wände im Clubhaus zurückgekehrt zu sein, um diesen Abend nicht zu verpassen. Und sogar die Sonne ließ sich nach ein paar tristen Tagen wieder blicken, um dem Raum mit ihrem warm-gelblichen Licht, das letzte bisschen zusätzlicher Dramatik zu verleihen.
Als wäre das überhaupt nötig, denn immerhin traf sich mit dem StuRa mal wieder das höchste studentische Gremium Tübingens. Hier kennt man anders als andere Institutionen keine Ruhe. Wie ein Mitglied des StuRa richtigerweise anmerkte: „Der Bundestag und Ferrero machen Sommerpause.“ Der StuRa nicht. Im Clubhaus geht es (noch) rastlos weiter. Und so ging es wieder heiß her in Debatten über Lastenfahrräder, interne Probleme und Lösungen für den Nahostkonflikt.
Die Anträge des Tages: Hörsaal-Slam, Bildungswochenende und die guten, alten Gastvorträge
Noch bevor die Vortragshonorare behandelt wurden, musste noch eine wichtige Entscheidung in eigener Sache getroffen werden: Termine für die vorlesungsfreie Zeit. Wie es in der Natur der Sache liegt, war das Interesse an diesem Thema groß und schnell fanden sich die Vorschläge einer Sitzung zu Beginn, zu Ende der Semesterferien und in vierwöchigem Rhythmus. Dank einiger Freiwilliger für den Posten der GAs konnte man sich so auf eine nächste Sitzung am 12. August einigen, um zunächst nicht zu viel Stau bei den Anträgen entstehen zu lassen.
Dann ging es zu den aktuellen Anträgen, wie immer beginnend mit denen der anwesenden Antragstellenden, um diese nicht unnötig lange aufzuhalten. Den Anfang machte dabei ein Antrag für die Ausrichtung eines erneuten Hörsaal-Slams im Kupferbau. Dabei war im Gegensatz zu voherigen Veranstaltungen die Allgemeine Rhetorik als Geldgeber abgesprungen, da ein neuerdings zuständiger Dozent die Auffassung vertrete, „dass ein Poetry Slam nichts mit Rhetorik zu tun hat.“ Aufgrund der umfangreichen Kosten durch Anfahrten, Raummiete, Übernachtungen für Künstler, Bewirtung, Moderation und Künstlergage in Höhe von 5.107,26€ wurde ausgiebig debattiert und hinterfragt. Vor allem die insgesamt 600€ für die Moderation wurden dabei von Teilen des StuRa als „Bezahlung bei einer kommerziellen Veranstaltung“, statt als reine Aufwandsentschädigung angesehen. Da auch die Künstlergagen und weitere Ungenauigkeiten bei Anfahrten und Bewirtung bemängelt wurden, zog sich die Debatte bei erkennbarem Willen zur generellen Unterstützung bis der Antrag letztlich mit 9 zu 8 Stimmen (bei einer Enthaltung) vertagt wurde, da sich einige Mitglieder des StuRa in Anbetracht der großen Summe ausführlicher mit dem Antrag beschäftigen wollten.
Nicht zum letzten Mal sollte es an dieser Stelle zu Diskussionen über die Sinnhaftigkeit von Vertagungen kommen, die vor allem zwischen LHG und FSVV ausgetragen wurden. Dabei war vor allem das Bedürfnis der FSVV, Rücksprache mit den Fachschaften zu halten, ein Dorn im Auge der LHG, die eine schnelle Entscheidungsfindung durchsetzen wollte. Diese Auseinandersetzung sollte sich in Form von Kommentaren und wiederholten Wortgefechten durch fast jede Diskussion ziehen.
Die Hochschulgruppe des Jungen Forum Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG), die Förderung für zwei Vorträge beantragt hatte, war als nächstes an der Reihe. Ein Vortrag von Laura Cazés, der sich mit Problemen über den Antisemitismus hinaus beschäftigen soll, wurde bei 11 zu 1 Stimmen (6 Enthaltungen) mit einer Gesamthöhe von 454€ als förderungswürdig erachtet. Auch ein Vortrag von Susanne Schröter zum Thema „Politischer Islam. Dschihadistische und legalistische Formen“ wurde behandelt. Nachdem das Vortragshonorar in Höhe von 500€ als zu hoch angesehen wurde und festgestellt wurde, dass bei geplanter Rückfahrt am gleichen Abend die Berechnung einer Übernachtung kaum nötig sei, wurde ein geänderter Antrag mit einem Honorar von 300€ angenommen. Im Sinne des Abends schloss auch dieser Punkt mit einer Debatte über die Vertagung, überraschend geführt zwischen einem Vertreter der LHG und der FSVV.
Anschließend stellte die AK Neue Rechte einen geplanten Vortrag von Yasser Almaamoun vom Zentrum für politische Schönheit zum Thema „Ziviler Ungehorsam in den Augen des ZPS“ vor. Ein LHG-Mitglied sprach sich dabei für eine Ablehnung aus, da gegen das ZPS wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird.“ Dem hielt der Antragsteller allerdings entgegen, dass diese Ermittlungen eingestellt wurden und der zuständige Staatsanwalt aufgrund angeblicher Nähe zu Bernd Höcke und der AfD unter Druck stünde. Letztlich wurde allerdings nur ein Stimmungsbild eingeholt, dass mit 9 Zustimmungen und vier Enthaltungen positiv ausfiel. Im Schnellverfahren konnten anschließend auch 8500€ für die seit längerem geplante Anschaffung eines Lastenfahrrads, das der VS gehören soll, beschlossen werden (16 Zustimmungen, eine Enthaltung). Ebenso wurden 99€ für ein offenes Bildungswochenende der Global-Marshall-Plan-HG (13 Zustimmungen, vier Enthaltungen) und die Übernahme der Fahrtkosten, die für Arbeit im Auftrag des StuRa entstanden waren, (14 dafür, Enthaltungen) genehmigt. Gleiches galt für eine 102€ umfassende Förderung einer Filmaufführung „Tomorrow“ durch die JuSo-Hochschulgruppe und die Übernahme einer außerordentlichen Taxi-Fahrt, die einem Gastdozenten ermöglicht wurde, damit er länger an einem Vortrag und anschließender Diskussion teilnehmen konnte.
Um nicht den ganzen Abend den unlösbaren Differenzen zwischen LHG und FSVV zu widmen, durfte man sich dann endlich einfacheren Themen widmen: dem Nahostkonflikt. Anlass war eine Mail bzw. wiederholte Konflikte zwischen dem „Verein Arabischer Studenten und Akademiker Tübingens“ und der nach wie vor anwesenden DIG. So soll es nach Schilderung ersterer Gruppe bei mehreren Veranstaltungen der DIG dazu gekommen sein, dass Mitgliedern aufgrund ihrer politischen Einstellung oder ihres Aussehens der Zugang verwehrt wurde, zu Gewalt im Nahen Osten aufgerufen wurde und Mitglieder des VASAT beleidigt und Opfer von Gewaltausschreitungen wurden. Die Gegendarstellung der DIG stellte die Situation genau umgekehrt dar und sprach von Ausschreitungen durch die Mitglieder des VASAT, wobei man selbst Opfer einiger Aktionen wurde und die Polizei bereits mehrfach einschaltete. Da in jedem Fall entweder Menschen der Zutritt zu offenen Debatten verwehrt wurde oder sich Leute gewaltsam Raum bei solchen verschafften, nahm der StuRa das Thema ausgesprochen ernst und debattierte länger über eine angemessene Reaktion. Nach einiger Zeit wurden demütig allerdings sowohl Zweifel an der eigenen Fähigkeit, die polizeilichen Fragen dieses Falls ausreichend zu beantworten, wie auch am Potenzial des StuRas innerhalb der Sitzung den Nahostkonflikt zu lösen, eingeräumt. Bei solch niedrigen Ansprüchen an sich selbst, wird der StuRa auch in der Sommerpause weder Bundestag noch Ferrero ersetzen können. In Anerkennung dieses Dilemmas besann man sich schnell auf die eigenen Kompetenzen und entschied, dass das Thema auch anhand verfügbarer Berichte der Polizei weiterverfolgt werden sollte und man in Zukunft verstärkt Vorsicht bei der Vergabe von Geldern an kontroverse Gruppen walten lassen sollte und sich präziser mit diesen abstimmen muss, um erfolgreiche und offene Veranstaltungen für alle zu gewährleisten.
Aktuelles aus den Arbeitskreisen & der Exekutive:
- AK Soziales: plant in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund die Einrichtung einer monatlichen Beratung für Studierende zu arbeitsrechtlichen Fragen; die Unterstützung von Studierenden im Bereich Beschäftigungsverhältnisse erhielt innerhalb des gesamten StuRa umfangreichen Zuspruch
- Exekutivorgan: die Ausschreibung der Stelle für eine/-n Haushaltsbeauftragte/-n ist abgelaufen; Gründung eines Personalausschusses und Einladung zu Bewerbungsgespräch
- AK Finanzen: der Haushaltsbericht für das vergangene Jahr ist abgeschlossen und vom StuRa verabschiedet worden
- AK Alternativer Dies: ein Treffen findet an diesem Donnerstag statt; Planung, um voraussichtlich in der zweiten Woche der Vorlesungszeit wieder eine Bloch-Woche zu veranstalten
- Presse & Öffentlichkeit: zu Beginn des Semesters soll wieder eine Studentische Vollversammlung stattfinden
- AK Rätebaubrigade: der Umbau des Clubhauses geht voran, das Einrichten einiger Räume steht demnächst an, weitere Vorschläge sind zudem gerne gesehen
- AK Semesterticket: Die LAK trifft sich demnächst mit dem VVS, dann wird hoffentlich ein Schritt hin zu einer Einigung über das Semesterticket erzielt
- AK Qualitätssicherungsmittel: Wer etwas Ablenkung vom Prüfungsstress sucht, sei an dieser Stelle auf ein besonderes Angebot hingewiesen: Der AK QSM tagt am Mittwoch um 17.15Uhr – es darf gerne jeder, auch Nicht-Fachschaftsmitglieder, auch Nicht-StuRa-Mitglieder teilnehmen. Hier bekommt man Einblicke in die Vergabe der Hochschulgelder und den Einsatz des Geldes durch das Land. Wer sich dafür engagieren möchte, wofür sein Geld eingesetzt wird für den gilt: KOMMT! Setzt euch dafür ein, dass mit eurem Geld etwas Sinnvolles für die Uni und Studierende getan wird.
Als die Stimmung um kurz nach 23 Uhr ganz allmählich ihren Höhepunkt überschritten hatte, wurden die letzten Versuche einer Diskussion über die Stimmung innerhalb des StuRa und die anhaltende Unstimmigkeit über Vertagungen gekonnt im Keim erstickt und die letzte Sitzung der Vorlesungszeit des Sommersemesters 2019 geschlossen. Die Arbeit wird in den Arbeitskreisen weitergehen. Die Mitarbeit weiterer Studierender bleibt dabei gerne gesehen.
Die nächste StuRa-Sitzung findet am 12. August um 20:15 Uhr im Clubhaus statt und ist wie immer öffentlich. Die Arbeitskreise freuen sich über Mitarbeit. Mehr Informationen zum StuRa und den AKs findet ihr auf dessen Website oder per Email an ga@stura-tuebingen.de.