Satire, Bier, Gelächter: Sonneborn in Tübingen

Martin Sonneborn, Abgeordneter des Europäischen Parlaments für „Die PARTEI“, war am Donnerstag an der Uni Tübingen zu Gast. Die gemeinsame Veranstaltung mit dem Tübinger Prof. Dr. Jürgen Wetheimer „Reicht’s für Europa?“ hatte viel zu bieten: Von Anekdoten über Sonneborns politischen Alltag, seine satirischen Attacken auf europäische Berufspolitiker, Redeausschnitte und ein Q&A mit den Studierenden war hier für jeden etwas Passendes dabei. Ein Erlebnisbericht.

„Hier oben ist es 10 Grad wärmer als draußen!“

Kupferbau, 19.30 Uhr: Bereits 45 Minuten vor Beginn des Events ist das Obergeschoss bis zum Anschlag mit Leuten gefüllt, die auf Sonneborn warten. In der verbrauchten, heißen Luft mischt sich der Geruch von Schweiß mit Alkoholfahnen, man hört hier und da das Ploppen einer Bierflasche und die Gespräche der Menge hallen bis zum Eingang des Gebäudes. Als gegen 20 Uhr in rote Krawatten und schlecht sitzende Anzüge gehüllte „die PARTEI“-Anhänger die Türen von Hörsaal 25 öffnen, geht das Massenkuscheln los. Es herrscht ein heilloses Gedränge, da sich jeder einen guten Platz sichern möchte. Nur ein paar Minuten später ist der Hörsaal bis auf den letzten Platz gefüllt.

„Herzlich willkommen liebe Studenten, Erst- und Letztwähler!“

Vorlesung in Kneipen-Atmosphäre: Sonneborn ließ es sich nicht nehmen, sich während seines Vortrags ein Bier zu genehmigen.

Nach den warmen und selbstironischen Worten von Prof. Dr. Wertheimer richtet sich Herr Magister Martin Sonneborn selbst an die gespannte und euphorische Menge. Als erstes kommt er nach ein paar Witzen auf Kosten der älteren Mitbürger direkt auf die Wahl von Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin zu sprechen. Dabei geht er auf ihre regelwidrige Nominierung zur Wahl und ihre Bilanz als Verteidigungsministerin ein: Geldverschwendung durch immense Beraterhonorare, die (in seinen Augen) überteuerte und unnütze Sanierung eines Segelschiffs und das Herunter-wirtschaften der deutschen Truppe. Die satirische Analyse und das von der Leyen-Bashing gipfelt schließlich darin, dass er vor dem Publikum seine Rede „Europa nicht den Leyen überlassen!“ abspielt – und für seine Kritik an hochrangigen EU-Funktionären wie von der Leyen, Christine Lagarde und Charles Michel den tosenden Applaus der Menge erntet.

„Könnten Sie die Frage bitte auf Englisch beantworten?“

Nicht nur Ursula von der Leyen muss heute Abend kräftig einstecken – auch andere bekannte Politiker zieht er durch den Kakao. Zum Beispiel den aktuellen Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul, den Sonneborn als Opportunisten bezeichnet. Reul sei direkt nach der Landtagswahl in NRW im Jahr 2017 von Brüssel nach Düsseldorf gewechselt, um das vermeintlich vielversprechendere Amt des Innenministers zu bekleiden, so Sonneborn. Neben Reul schießt dieser auch gegen Markus Söder, indem er die Rechtschreibung in Söders Tweets verbessert. Hierbei erntet Sonneborn großes Lob der Twitter-Community: Seine Rechtschreibkorrektur erzielte über 9.300 Likes, während sich Söder nur mit um die 500 zufrieden geben musste.

Nun kommen wir zu dem Politiker, der mit dem letzten Zitat gemeint war: Günther Oettinger. Sonneborn erzählt dem Publikum von einer Pressekonferenz, in der er den damaligen Digitalkommissar Oettinger befragen konnte. Neben einer Stellungnahme zum Fahren mit 1,3 Promille im Blut verlangte Sonneborn unter anderem, dass Oettinger seine Fragen auf Englisch beantworten solle. Die lustige Pressekonferenz kommt im Kupferbau gut an und wird mit lautem Gelächter und Beifall belohnt.

„Was mich am meisten beeindruckt hat, war tatsächlich eine Abstimmung, die ich mitentschieden habe“

„Die PARTEI“ ist bekannt für ihren herben Humor und ihre kontroversen Sprüche wie hier auf einem Wahlplakat.

Gegen Ende der Veranstaltung macht Sonneborn seinem Publikum klar, dass er neben seiner Satire tatsächlich politischen Einfluss genießt – zum Beispiel beim Thema Seenotrettung: Sonneborn hat bei einer Abstimmung im europäischen Parlament für eine Feststellung gestimmt, die von der Verpflichtung ausgeht, Menschen in Seenot zu retten. Die Abstimmung fiel sehr knapp aus – sie wurde mit 312 zu 310 Stimmen letztendlich angenommen. Hätte Sonneborn also gegen die Erklärung gestimmt (was bei seinem gewohnten Ja-Nein-Stimmverhalten möglich gewesen wäre), hätte das Parlament die Erklärung abgelehnt.

„Kann ich ein Praktikum bei Ihnen machen?“

Am Ende der Veranstaltung gibt Sonneborn dem Publikum noch die Möglichkeit, ihm Fragen zu stellen. Neben Fragen zu seinem politischen Alltag als Parlamentarier und seiner Rolle als Satiriker nutzt ein Student der Politikwissenschaft die Gunst der Stunde und fragt Sonneborn, ob er bei ihm einen Praktikumsplatz bekommen könne. Neben tosendem Gelächter der anderen Zuschauer bekam er eine überraschende Antwort: Laut Sonneborn stehen die Chancen dafür nicht schlecht, er solle sich nochmal schriftlich an ihn wenden. Das zeigt, dass sich das Nachfragen manchmal auszahlt.

Seine Veranstaltung bot viele Möglichkeiten zu lachen, jedoch bleibt Sonneborn dabei immer beherrscht und ernst. Nach der Veranstaltung steht der Abgeordnete sogar noch für Selfies mit den Fans parat und zieht seine Mundwinkel für ein paar Schnappschüsse tatsächlich nach oben. Demnach wird Sonneborn letztendlich seinem Running Gag unter seinen Social-Media-Posts gerecht:

Smiley!

Fotos: Nicolas Oehler

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