Warum ist Fairtrade (k)ein Thema für Sie?

„Hauptsache es schmeckt“ – das ist die Aussage vieler Besucher*innen der ChocolART in der Fairtrade-Stadt Tübingen. Deutschlands größtes Schokoladen-Festival lockt auch dieses Jahr wieder Tausende aus Europa in die weihnachtlich geschmückten Gassen Tübingens. Doch sollte das wirklich das einzige Kriterium beim Kauf von Schokolade sein?

Die ChocolART bietet alles, was das Herz begehrt: Von schoko-ummantelten Früchten, über italienische Schokoladencreme, bis hin zu Schokoladentafeln verfeinert mit exotischen Zutaten, zum Beispiel Physalis oder Lavendel.  Für die Schokoladenhändler*innen und Konsument*innen spielen zunehmend weitere Kriterien eine Rolle. Die meisten Stände schmücken sich mittlerweile mit Labeln und Symbolen für laktosefreie, vegane und Fairtrade Schokolade.

Fairtrade-Schokolade

Warum nun Fairtrade als Kriterium beim Schokoladenkauf? Unter welchen Bedingungen kommerzielle Schokolade hergestellt wird, ist nicht allen Schokoladenliebhaber*innen bewusst. In vielen südamerikanischen und westafrikanischen Ländern leiden die Kleinbauern unter Ausbeutung und mickrigen Kakaopreisen. Erwachsene für Plantagenarbeit anzustellen ist zu teuer, folglich ist Kinderarbeit an der Tagesordnung, um die Existenz der Familien zu sichern.

Verkäuferinnen des Pakari/Kallari Stands vor ihrem fairen Schokoladensortiment aus Equador.

Um die menschenunwürdigen Zustände zu verbessern, achten immer mehr Händler*innnen und Hersteller*innen nach eigener Aussage darauf, dass faire Arbeitsbedingungen herrschen und ein gewisses Grundeinkommen gesichert ist. Dies ermöglicht den Kindern Zugang zu Bildung und einer besseren Zukunft. Die Stadt Tübingen ergreift ebenfalls Maßnahmen, um das Ziel zu erreichen.

…in Tübingen

Das Engagement von Bürger*innen, Handel und den Gastronomiebetrieben macht die Stadt Tübingen seit 2010 zur Fairtradestadt. Die Kriterien dafür reichen von Bildungsangeboten an Schulen, über faire Produkte in der Stadtverwaltung, bis hin zu konkreten Vorgaben. So muss es mindestens 15 faire Handels- und Gastronomiebetriebe in der Stadt geben. Außer Schokolade werden auch Kleidung, Blumen und Schmuck aus fairem Handel verkauft. Um die Öffentlichkeit auf die Möglichkeiten aufmerksam zu machen, gibt es den fairen Einkaufsführer auf der Homepage der Stadt Tübingen. So kann und muss sich jeder selbst informieren, wo faire Produkte angeboten werden. Solche Informationsmöglichkeiten sind jedoch nicht überall gegeben.

Fairtrade auf der ChocolART

Um hinter die süße Fassade der Schokoladenstände auf der ChocolART zu blicken, wurden 51 Stände zu der Herkunft ihrer Schokolade befragt. 19 Stände behaupten, faire Schokolade anzubieten, aber nur ein Fünftel weiß auch, woher der Kakao genau kommt. Das heißt,  wo er angebaut wird, wie er nach Deutschland kommt und wo er verarbeitet wird. Oft wird sich auf Siegel oder Aussagen der Großhändler verlassen. Auf die Frage, aus welchen Ländern der Kakao kommt, finden die meisten Befragten noch eine Antwort. Aber wie genau der Kakao angebaut wird, ob auf Kinderrechte und faire Bezahlung geachtet wird, wissen die Händler*innen oft selbst nicht. Nur 10 Stände können von sich behaupten, dass sie über Anbaubedingungen und die Lieferkette ihres Kakaos Bescheid wissen. Für die Meisten spielen die Informationen jedoch schlicht keine Rolle. Nur bei einem Fünftel der Stände wurde überhaupt nach fairer Schokolade gefragt.

Faire Schokolade der Gmeiner Confiserie auf der ChocolART.

Obwohl faire Schokolade und fairer Handel vermehrt thematisiert werden, bleibt auf dem Schokomarkt noch viel Luft nach oben. Am Ende steht bei vielen der Geschmack im Vordergrund. Die Stadt Tübingen engagiert sich zwar bereits, die Bedingungen für Kakaobauern zu verbessern, die Maßnahmen müssen jedoch immer weiter konkretisiert und ausgebaut werden.

Dieser Artikel entstand im Rahmen des Seminars „Faire Schokolade – selbst herstellen und medial sichtbar machen“. Bei diesem Seminar haben sich die Teilnehmer*innen mit Herkunft von Kakao, den Arbeitsbedingungen für Kakaobauern und wie viel Geld dieser an einer Tafel Schokolade verdient beschäftigt. Außerdem wurde sich mit dem (deutschen) Schokoladenkonsum und fairen Siegel kritisch auseinander gesetzt. Als Beispiel, wie Schokolade wirklich fair hergestellt werden kann, wurde außerdem das Konzept der Iniative Kallari aus Equador vorgestellt.

Titelbild: Thomas Dinges
Bilder im Text:  Kathrin Miller

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