Vergangenen Samstag feierte das Zimmertheater mit der eindringlichen Inszenierung „Smells like green spirit“ eine revolutionäre Premiere im Löwen. Das Institut für theatrale Zukunftsforschung machte mit dieser gedankenverändernden Darstellung seinem Namen alle Ehre. Basierend auf der Tatkraft der ITZ-Jungendgruppe #diesejungenleute forschte das Ensemble im Geist früherer Revolutionäre. Es gilt zu verstehen, woraus die Materie von Veränderungslust besteht. Lasst euch ein, auf eine Reise voller Hoffnung, Verzweiflung, Angst und Kämpfergeist.
Um einen ausgeklügelten Start in die neue Spielzeit zu verwirklichen, setzten sich diesmal unterschiedliche Tübinger Initiativen wie die Bürger-/innenbühne sowie das Jungendensemble des ITZ an einen Tisch voller expressiver Theaterkunst. Die Eindringlichkeit des Stücks lebt von der Buntheit dieser Menschenvielfalt, wo alle für eine andere Idee brennen, aber gleichzeitig durch ihren Rebellionsdrang eine starke Gemeinschaft bilden. Die Brisanz von Fridays for Future oder die Grenzen der Digitalisierung lassen weltweit Stimmen erschallen. Dass es vor allem junge Stimmen sind, die lautstark mediale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, zeigt uns diese Performance.
Von Willenskraft und Wutbewältigung
Im ersten Teil der Inszenierung erzählen drei ehemalige Jungendrebellen von ihren aufwühlenden und prägenden Erfahrungen. Monologartig lassen sie die Zuschauer an ihrer bunten Gefühlswelt teilhaben. Ein passionierter Musiker zerbricht am gescheiterten Traum einer Musikkarriere. Kein German Dream – vom Tellerwäscher zum Rockstar – stattdessen gibt der wirtschaftliche Status des Elternhauses den Ton an. Die Zuschauer werden außerdem aktiv Teil eines Rainbow Gatherings, in dem ein gemeinschaftliches Liebesgefühl à la Hippie Manier vorherrscht. Und sollte in einer gemeinsamen Protestbewegung nicht Gendergleichheit herrschen? Offensichtlich ist dies nicht immer der Fall. Dennoch verbindet jede demonstrative Verbindung dieselbe Kraft, nämlich für ein bestimmtes Ideal zu kämpfen. Protestrufe sowie laute Rockpunkmusik rufen auf der Bühne eine euphorisierende Dynamik hervor. Die teils gewaltsame Repression des Staates gegen friedlichen Demos wie Stuttgart 21 lassen entweder hilflos verzweifeln oder die Wut und den Wunsch nach Rebellion verstärken. Ein Wechselbad der Gefühle.
No Future for Fridays?
Im Fokus der Dialoge steht auch die brandaktuelle Nachhaltigkeitsdebatte. Langsam scheint sich trotz bewegender Fridays for Future Demos hilflose Resignation einzustellen. Ist es zu spät, um die Menschheit zur Rettung von Mutter Erde zu mobilisieren? Reicht vielleicht ein Kreuz für die Grünen, um das plastiküberschwemmte Gewissen zu beruhigen? Die Zuschauer durchlaufen eine halbstündige Reise durch die Räume des Hauses, wo sie auf verschiedene Jugendbewegungen treffen. Sie begegnen verzweifelte Rebellen, die isoliert nach einer Erleuchtung suchen. Bahnbrechende Erfindungen hatten vor 20 Jahren das Potential die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ein Traum, der durch die Instrumentalisierung der digitalen Welt in den Dreck gezogen wurde. Es müssen neue Zukunftsutopien her, für die wir brennen können! Auch Schlagzeilen von Politikern, die in der Flüchtlingspolitik über Leichen gehen, lassen nicht mit Zuversicht in die Zukunft schauen. Am Ende lässt das gesamte Ensemble hymnenartig Greta Thunbergs Worte im Theatersaal erklingen. „Panic! […] Act as if the house was on fire”. Die Kraft einer starken Gemeinschaft, aber auch die damit verbundene Verantwortung hinterlässt somit ein Gefühl von Hoffnung und Zuversicht.
Im Rausch der Rebellion
Für die Sinnsuchenden auf der Bühne wird klar, dass Rebellion heutzutage schwieriger und komplexer geworden ist als noch zu Zeiten der 68er-Bewegung. Lohnt es sich noch, in einem wachstumsorientierten und angepassten System die vorherrschenden Verhältnisse wenden zu wollen? Die Rebellen auf der Bühne zeigen sich berauscht von adrenalingesteuerten Träumen. Ein gemeinschaftlicher Rausch, in dem man für ein friedliches Ideal unmittelbar und direkt kämpft und Farbe bekennt. Keine Angst vor Veränderung zu haben – das ist die Devise. Veränderung scheint mit freien Gedanken und dem Entsagen der Illusion von ewiger Stabilität zu beginnen, unabhängig von politischen oder gesellschaftlichen Stolpersteinen.
„Smells like teen spirit“ ist noch an folgenden Terminen jeweils um 20 Uhr im Löwen zu sehen: 24.10., 25.10, 26.10, 31.10, 01.11. Also sichert euch rechtzeitig Tickets! Es lohnt sich.
Fotos: Gizem Güler