Als Nafri, als Araber ohne Erdöl oder als Undercover Deutschen mit Migrationsoptik beschreibt sich der StandUp Comedian Abdelkarim auf der Bühne. Er ist wohl einer der wenigen Deutschen, die sich offen dazu bekennen, Fan der Deutschen Bahn zu sein. In seinem aktuellen Soloprogramm Staatsfreund Nr.1 erzählt der Künstler am Sonntagabend im Sudhaus Anekdoten aus seiner Kindheit und Geschichten aus seinem Alltag. Alles durchwoben mit Fragen nach Identität, nach Deutsch-Sein, nach Marokkanisch-Sein, nach Asia-Läden und der rätselhaften Parallelwelt der Programmkinos.
„Boris ist kein Rassist – der hat nur ADHS“
Der StandUp Künstler Abdelkarim fragt am Sonntag im Tübinger Sudhaus erstmal ab, mit wem er es zu tun hat. Seine Frage „Sind Kanaken im Publikum?“ offenbart unter den Anwesenden zumindest ein bisschen ethnische Diversität. Einen gemeinsamen Nenner unter seinen Zuhörern findet Abdelkarim schnell. Die Tübinger sind Fahrradfahrer, Schwaben und nicht allzu gut auf Boris Palmer zu sprechen. Für dessen rassistische Ausfälle hat der Künstler gnädiger Weise eine Entschuldigung parat: Der Bürgermeister hat einfach nur ADHS.
Eines der Highlights im ersten Teil des Auftritts ist dann auch ein Witz über Fahrradfahrer. Abdelkarim ist der Meinung, wer in Deutschland keinen Alkohol trinkt, zum Beispiel als gläubiger Muslim, sei am Ende der Nahrungskette angekommen. Schlimmer stehe es allerdings um die Leute, die im Supermarkt Helm tragen. Diese verortet er hierarchisch noch unter Veganern und Alkohol-Abstinenten. Hier sind sich die Velo-affinen Tübinger nicht zu schade über sich selbst zu lachen – manch einer hat sogar Schwierigkeiten, wieder die Fassung zu gewinnen.
Alles politisch, papperlapapp!
Wenn am Bahnhof die Durchsage ertönt, man solle doch auf sein Gepäck achten, es seien Taschendiebe unterwegs, dann kann Abdelkarim unbesorgt seinen Koffer alleine lassen. Die anderen Passanten nehmen schon Abstand und die Polizei nimmt herrenloses Gepäck bekanntermaßen besonders scharf in den Blick. Seinen Koffer will mit Sicherheit keiner klauen. Und so ist Abdelkarim der „Staatsfreund Nr.1“. Nicht alles jedoch, was er auf der Bühne zum Besten gibt, ist politisch aufgeladen. Er erzählt von der kindlichen Enttäuschung beim Laternenlaufen, wo es statt der erhofften Süßigkeiten nur Mandarinen gab, und darüber, wie er seine Schulfreunde vorwarnen musste, weil er am nächsten Tag mit den hässlichsten, vom Vater ausgesuchten Schuhen aufkreuzen würde. Die Reaktionen der Zuschauer, die den ganzen Abend über gut gelaunt sind und dem Künstler immer wieder etwas zurufen, sprechen für sich.
Woher kommst du wirklich?
Mit dieser Frage konfrontiert Abdelkarim gerne sein Gegenüber, um auch mal diejenigen zu irritieren, die diese Frage gerne stellen – ohne sich darüber bewusst zu sein, dass sie damit Deutsch-Sein an ein bestimmtes Aussehen knüpfen. Vor Stereotypen und Vorbehalten gegenüber anderen Nationalitäten ist jedoch niemand gefeit. So erzählt der StandUp Comedian von dem iranischen Taxifahrer, der ihn als Marokkaner erkannte und sofort fragte, ob er seine beiden marokkanischen Kollegen kenne. Auf humorvolle Weise und mit viel Scharfsinn enttarnt Abdelkarim auf diese Weise wie leichtfertig man Menschen in Schubladen stecken kann.
Comedy mit Botschaft
Abdelkarim erzählt aus seinem Alltag, wo der Deutsche in ihm Jugendliche in der Bahn auffordert, doch bitte die Musik leiser zu stellen. Wo der Muslim in ihm die morgendlichen Schweine-Wurst-Dünste in der Bahn über sich ergehen lassen muss, die wohl jeden abstoßen, außer den rücksichtslosen Frühstücker. Er erzählt aus seinem Alltag, in dem strukturelle Diskriminierung keine Ausnahme ist. Alles im Gewand des Scherzhaften und mit einem Augenzwinkern. Den Polizisten, der drauf und dran ist seinen Ausweis zu prüfen, macht er einfach auf den Schwarzen im selben Zugabteil aufmerksam, der dann kontrolliert wird, weil er auf der Diskriminierungsleiter noch weiter unten steht. So viel Komik auch in dieser Situation steckt: Darf man über Witze lachen, die Menschen über ihre eigenen Diskriminierungserfahrungen machen?
Immer wieder betont Abdelkarim während seines Programms, wie wichtig es ist, dass Menschen miteinander sprechen. Man merkt deutlich, dass es dem Künstler um mehr geht, als nur zu unterhalten. In einem Land, in dem der Rechtsruck deutlich spürbar ist und Ressentiments in manchen Kreisen immer weiter zuzunehmen scheinen, betont Abdelkarim die Wichtigkeit von Kommunikation. Und so gibt er den Tübingern zum Schluss noch eine Anekdote mit auf den Weg. Auf einer seiner Zugfahrten erlebt er, wie eine ältere deutsche Dame zu einer jüngeren schwarzen Frau sagte: „Wenn man wissen würde, wie es hier bei uns abläuft, würde man jetzt aufstehen.“ Die junge Frau entgegnete: „Bei uns würde man Sie essen.“
Titelbild & Bild 2: Guido Schröder
Bild 1&3: Ineke Schlüter