Studiengebühren sind der falsche Weg!

Die grüne Wissenschaftsministerin in Baden-Württemberg, Theresia Bauer, möchte internationale Studierende aus Nicht-EU-Ländern und alle Studierende, die ein Zweitstudium beginnen, zur Kasse bitten. Wenn das einmal durch ist, könnte es nur der erste Rückschritt auf dem ehemaligen Weg des Fortschritts sein.

Ein Kommentar von Lisa Becke

Es sollte nachdenklich stimmen, wenn die Wissenschaftsministerin im Spiegel mit den Worten zitiert wird: „Wenn die Bedarfe der Hochschulen am Ende größer sind, als der Staat sie allein zu finanzieren imstande ist, dann müssen wir auch darüber reden, wer wie weitere Beiträge leisten kann.“ Studiengebühren über die Hintertür. Wer wird als Nächstes zur Kasse gebeten? Sind die selektiven Studiengebühren erst einmal da, kann ja noch weiter herumselektiert werden.

Das ist definitiv der falsche Ansatz. Darauf zu verweisen, dass es in anderen Ländern der Erde ja auch Studiengebühren gibt, ist eine verkehrte Sichtweise. In Deutschland sind die finanziellen Hürden für ein Studium (momentan noch) vergleichsweise niedrig. Dies ist eine Errungenschaft. Studiengebühren wieder einzuführen bedeutet, sich auf den Weg des Rückschritts zu begeben – anstatt weiter Vorbild zu sein.

Internationalität als reines Blabla

Unsere Universität, die sich ja so gerne als Vorzeige- und Exzellenz-Uni versteht, ist besonders auf die internationalen Studierenden stolz. Das sieht man in diversen Selbstdarstellungsforen wie der Website und verschiedenen Infobroschüren. Nach dem Motto: Durch internationalen Austausch wird das Leben und die Forschung an unserer Universität bereichert. Interdisziplinarität. Internationalität. Das enttarnt sich als Blabla, wenn man die Stellungnahme unseres Rektors Prof. Dr. Bernd Engler liest: „Dem Vorschlag von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, Gebühren für Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland einzuführen, stehen wir wohlwollend gegenüber. Das komplett kostenfreie Studium in Deutschland ist international eine Ausnahme, für die Beibehaltung gibt es wenig gute Gründe. Eine Beeinträchtigung unserer Auslandsbeziehungen erwarten wir dadurch nicht.“

Rektor Engler steht den Studiengebühren „wohlwollend“ gegenüber.
Rektor Engler steht den Studiengebühren „wohlwollend“ gegenüber. Foto: Ulrich Metz/Universität Tübingen.

Tübingen, wach auf!

Wenn für internationale Studierende in Baden-Württemberg Studiengebühren eingeführt werden (wohlgemerkt in den anderen Bundesländern nicht), werden in der Konsequenz weniger internationale Studierende nach Baden-Württemberg und somit an die Universität Tübingen kommen – man kann ja auch noch an anderen Unis in Deutschland studieren. Nimmt man das in Kauf? Auf Rückfrage kommt die Antwort von der Hochschulkommunikation: „Wir nehmen an, dass von den Studiengebühren vor allem internationale Master und Promotionsstudierende betroffen wären – diese suchen sich die Universität Tübingen aus gutem Grund aus, wir gehen davon aus, dass sie sich nicht durch Studiengebühren abschrecken lassen würden.“ Tübingen, wach auf! Es gibt auch noch andere gute Unis in Deutschland – außerhalb von Baden-Württemberg.

Warum findet man diese Pläne an der Uni gut? Vermutlich reicht die Tatsache aus, dass laut Plan ein Teil der eingenommenen Studiengebühren den Unis zur Verfügung gestellt werden soll. Dieses Geld soll „zur Verbesserung der Betreuung internationaler Studierender“ dienen, wie man auf der Website des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg nachlesen kann.

Internationale Studierende prägen das Bild an der Uni Tübingen. Warum ist der Uni nicht daran gelegen, dass das so bleibt?
Internationale Studierende prägen das Bild an der Uni Tübingen. Warum ist der Uni nicht daran gelegen, dass das so bleibt? Foto: Paul Mehnert/Universität Tübingen.

Das Steuerzahler-Argument zählt hier nicht

An der Universität Tübingen studieren in diesem Semester rund 3.900 internationale Studierende. Von den Studiengebühren für internationale Studierende wären ausschließlich jene betroffen, die nicht aus der EU kommen und zusätzlich ihr gesamtes Studium in Baden-Württemberg verbringen – das sind rund 1.600. Folgendes Szenario könnte schon ab dem kommenden Wintersemester Realität sein: Ausländische Studierende treffen sich mit ihren deutschen Freunden, die sie hier in Tübingen kennengelernt haben. Sie selbst bezahlen 1500 Euro pro Semester (diese Zahl ist im Gespräch), für ihre Freunde ist das Studium – abgesehen von Verwaltungskosten – umsonst. Wohlgemerkt, für dasselbe Studium. Gleichberechtigung adieu.

Hier sollte man wegkommen von dem häufig geäußerten Steuerzahler-Argument: Unsere Bildung an der Universität finanzieren nicht wir Studierenden uns selbst, sondern diejenigen, die momentan Steuern bezahlen. Und wer sagt, dass die internationalen Studierenden, die hier in Tübingen studieren, nicht auch in Deutschland arbeiten werden? Oder wir, die wir hier umsonst in Deutschland ausgebildet werden, nicht in einem anderen Land unsere Steuern zahlen werden?

Ausgelernt hat man nie

Und bezüglich der Studiengebühren für alle im Zweitstudium: Ausgelernt hat man nie. Es gibt zahlreiche Gründe dafür, warum Menschen nach abgeschlossenem Bachelor oder Master ein Zweitstudium aufnehmen. Warum ist man nicht froh, Menschen im Land zu haben, die sich möglichst breit bilden und zusätzliches Wissen in einem anderen Fachbereich erwerben möchten? Das hilft, dem Fachidiotentum entgegenzuwirken. Stattdessen sollen laut Bauers Plänen Studiengebühren für das Zweitstudium in Baden-Württemberg erhoben werden. Das wird man sich in Zukunft zweimal überlegen.

Die Verwirtschaftlichung der Unis ist keine gute Entwicklung. Es geht hier um viel mehr als nur um Geld. Es geht darum, für was die deutsche Gesellschaft steht und für was sie stehen will. Uns sollte einiges an der Bildung möglichst vieler junger Menschen gelegen sein. Wenn diese Studiengebühren kommen, ist das ein Rückschritt im ach so fortschrittlichen Baden-Württemberg.

Der Gesetzesentwurf

Unsere Studierendenvertetung, der StuRa, hat einen Arbeitskreis, der Aktionen gegen die Einführung der Studiengebühren plant. So werden unter anderem Unterschriften gesammelt, die an den Tübinger Landtagsabgeordneten Daniel Lede Abal übergeben werden. Auch auf der Ebene der Landesastenkonferenz, dem Zusammenschluss aller Studierendenvertetungen in Baden-Württemberg, sind Aktionen geplant. In Freiburg gingen bereits mehrere hundert Demonstranten gegen die Studiengebühren auf die Straße.

Wann genau im Landtag über den Vorschlag abgestimmt werden wird, ist noch nicht bekannt. Die Landtagspressestelle antwortete auf Nachfrage: „Uns ist (Stand heute, 24.11.) nicht bekannt, wann das Thema auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt wird. Vermutlich nicht mehr 2016. Über den Vorschlag muss erst noch im Kabinett abgestimmt werden.“

Infos zu der Einführung der Studiengebühren gibt es auf der Website des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg: https://mwk.baden-wuerttemberg.de/de/hochschulen-studium/studienfinanzierung/gebuehren-fuer-internationale-studierende-und-zweitstudium/

Petition:

https://www.change.org/p/landtag-baden-w%C3%BCrttemberg-studiengeb%C3%BChren-f%C3%BCr-nicht-eu-studierende-stoppen

Titelbild: Lisa Becke.

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