Sie könnten die Autoren von Morgen sein: junge aufstrebende Schriftsteller, die dem Klischee der arroganten Autoren so gar nicht gerecht werden wollen. Statt sich selbst zu feiern, die literarische Nase bei der falschen Verwendung des Begriffs“ Lyrisches Ich“ zu rümpfen, stellt man sich der Kritik.
Zehn Nachwuchsautoren geben ihre unveröffentlichten Texte für ein offenes Publikum frei und bereichern damit nicht nur sich selbst, sondern auch die Zuhörer.
von Lisa Wazulin
Es ist das erste Mal überhaupt, dass sich eine Literaturwerkstatt gebildet hat, die jungen Autoren die Möglichkeit bietet, eigene Texte vorzustellen und zu diskutieren. Man könnte glatt meinen, es gäbe schon unzählige solcher Zirkel, schließlich befinden wir uns in Tübingen, der Stadt der Intellektuellen, Künstler und Literaten. Doch längst scheinen die eigentlichen Literaten aus ihrem Milieu von Poetry Slam und Vorträgen renommierter Spiegelautoren vertrieben worden zu sein. Aber die Nachfrage, das Bedürfnis, sich nicht nur als Studierende, sondern auch als Schriftsteller über das eigene literarische Schreiben, den eigenen Prozess und Fortschritt austauschen zu können, ist riesig. Als Mitbegründer, Autor und Herausgeber der Literaturzeitschrift Trashpool bietet Tibor Schneider, gemeinsam mit Gleichgesinnten, jungen Autoren nun die Möglichkeit, sich der Kritik von außen zu stellen – und dadurch ihre Texte zu bereichern.
Das Offenlegen der eigenen unfertigen Texte erfordert Mut. Mut zur Blöße. Allerdings blieb eben genau das aus.
Aller Anfangt ist schwer, und so gilt es auch die Angst vor Kritik am eigen Text zu überwinden. Die Texte der zum ersten Mal öffentlich vorlesenden Autoren könnten unterschiedlicher nicht sein, ebenso wenig wie die Kritiken aus dem Publikum. Das Offenlegen der eigenen unfertigen Texte erfordert Mut. Mut zur Blöße. Allerdings blieb eben genau das aus. Wer mit einem Verriss der Texte, vernichtender Kritik oder Kommentaren gerechnet hat, wurde bitter enttäuscht. In entspannter Atmosphäre, einem Hauch von Nostalgie und dem Flair des klassischen alten Programmkinos Arsenal, führten die Moderatoren Tibor Schneider und Carolin Rehner souverän durch den Abend. Die Gewinner des Abends waren allerdings klar die lesenden Autoren selbst, für die fremde Kritik extrem bereichernd und anregend ist : Denn für beide Autoren ergaben sich neue Aspekte, Leseweisen und Interpretationen , die besonders bei dem ersten lyrischen Text der Jungschauspielerin und Autorin Sina Ahlers Gegenstand der Kritik darstellten. Für Mirjam Ziegler, Weltenbummlerin und passionierte Schriftstellerin, stellte sich an diesem Abend die Frage nach einer Entscheidung. Entscheidung für eine Gattung, einen Schreibstil oder einfach nur für oder gegen eine Vorstellung der Fortsetzung ihres Textauszugs am kommenden Montag. Denn es bleibt weiterhin spannend, acht weitere mutige Autoren stehen bereit, sich einem anspruchsvollen aber sehr liebenswürdigen Publikum zu stellen.