Am vergangen Montagabend hatte Querfeldein auf ein Neues zu einem interessanten Abend im Wohnzimmer eingeladen, und bei gefühlt 36°C Außentemperatur und schweißtreibender Enge unterhielt der „Stargast“ des Abends, Stefanie Sargnagel, das Publikum mit dreckigem Humor und Sarkasmus.
Eine „freche Schnauze“ hat Stefanie Sargnagel alle mal. Die 31-jährige redet, schreibt, postet und bloggt, wie es ihr gerade passt und kümmert sich nicht wirklich darum, was man von ihr denken könnte. Mit ihrer roten Baskenmütze, die mit der Zeit zu ihrem Markenzeichen geworden ist, erinnert sie im Entfernten an Rotkäppchen. Wobei sehr schnell klar wird, dass, wer den männlichen Hoden als „schutzbedürftige Pflaume“ bezeichnet und von einem Dreier mit Helene Fischer, einer Freundin und sich selbst träumt, eher nichts mit Märchen am Hut hat. Doch eben genau dieser unkonventionelle und sehr schwarze Humor zeichnet die wahrscheinlich erste Facebook-Schriftstellerin überhaupt aus.
„Das Internet ist gut, um seine Kreativität dort reinzuscheißen“
Die geistigen Sweatshops der Arbeitswelt
Weil es mit dem Kunststudium nicht so wirklich klappen wollte und das eigentlich eher dafür da war die eigenen Eltern zu beruhigen, widmete sich Sargnagel mehr dem Schreiben. Sargnagel, die eigentlich Sprengnagel heißt, entdeckte die Sozialen Medien als Möglichkeit für sich, ihre Gedanken und Erlebnisse kurz und prägnant in 140 Zeichen zu verpacken und in die Welt zu setzen. Genügend Inspiration lieferte ihr dabei die Arbeit als Callcenter-Angestellte bei der österreichischen Auskunft, oder wie sie es liebevoll nennt im „geistigen Sweatshop“. Von Menschen, die in die DDR oder zum nächstbesten Krankenhaus verbunden werden wollten – „da wo man die Leichen abgeben kann“ – animiert, kam dann irgendwann die Idee, aus den unzähligen Internetposts ein Buch zu machen.
Zwischen all den unzähligen Zigaretten und der angespannten Körperhaltung, scheint es schwer zu glauben, dass diese etwas nervös und doch eher harmlos wirkende Frau vorne auf der Bühne tatsächlich so kontrovers und umstritten ist, wie es überall zu lesen ist.
Und weshalb die Babykatzen?
Doch ihr schwarzer Humor und ihre Direktheit hat Stefanie Sargnagel nicht nur Anerkennung und einen Ingeborg-Bachmann-Preis eingebracht. Offen positioniert sie sich immer wieder gegen rechts, macht sich mit ihrer eigens gegründeten feministischen Verbindung „Hysteria“ über sämtliche Burschenschaften lustig und setzt sich für die Einführung eines internationalen Matriarchats ein. Mit der FPÖ verbindet sie eine tiefgehende Hassliebe. Dieser Partei, so Sargnagel, hatte sie auch ihren letzten und größten Shitstorm zu verdanken: Babykatzengate.
„Mir wurde mal gesagt, ich sei ein It-Girl. Dabei möchte ich nur ein Gefühl für das Hässliche und Zu-kurz-gekommene erzeugen.“
Aufgrund eines satirischen und nicht wirklich ernst zu nehmenden Reiseberichts über einen Trip nach Marokko, welche unter anderem durch staatliche Unterstützung finanziert wurde, wurde Sargnagel und zwei Kolleginnen von der Kronenzeitung – der österreichischen Bildzeitung – vorgeworfen, auf Kosten der österreichischen Steuerzahler Urlaub zu machen, marokkanische Babystraßenkatzen zu treten (!) und sich mit Marokkanern einzulassen. Sargnagel zu Folge ein absichtliches und politisch inszeniertes Missverständnis. Die Auswirkungen waren dutzende Hasskommentare, welche von Zwangssterilisation über Vergewaltigung bis hin zu „an die Wand stellen“ reichten.
Eis am Stiel und eine Lektion für’s Leben
Was von dem Abend bleibt ist nicht nur das zwischendurch kostenlos verteilte Eis, sondern auch die unterschwellige Botschaft Sargnagels nicht alles und besonders nicht das Leben so ernst zu nehmen und sich gerade von Menschen, die nur Hass verbreiten können, nicht unterkriegen zu lassen. Mit ihrem braunen Pferdeschwanz, dem etwas verschlafenen Blick und dem Sportrucksack, der aussieht, als wäre er aus den Anfängen der 2000er, mag Stefanie Sargnagel auf den ersten Blick eher nicht sehr gefährlich wirken. Doch zum Abschied sagt sie dann noch: Sei sie wirklich das Rotkäppchen, dann hätte sie den Wein, statt zur Oma zu bringen, selbst getrunken und wäre mit dem Wolf ins Bett gegangen. Chapeau, Frau Sargnagel!
Fotos: Paul Mehnert.